Buckelwale nutzen Vögel zum Fischfang
Die Meeressäuger haben eine neue Strategie zum Jagen entwickelt. Eine Studie belegt, dass sich die Tiere die Methode voneinander abgeschaut haben. Wissenschaftler haben den überragenden Scharfsinn der Wale beobachtet .
VANCOUVER Buckelwale sind überaus klug. Was sich auch daran zeigt, dass sie die Umwelt beobachten und daraus ihre Schlüsse ziehen. Ihre neuste Entdeckung: Man kann Vogelschwärme dazu benutzen, um sich den Bauch mit Fischen vollzustopfen.
Mit den siebartigen Barten im Maul ist der Buckelwal eigentlich dafür ausgerüstet, die winzigen Krebse des Krills aus dem Ozean herauszukeschern. Doch zwischen August und November lebt er in den kalten Polarmeeren. Derweil sind die Buckelwalweibchen schwanger, was ihren den Energiebedarf deutlich ansteigen lässt. Deshalb steigen die Wale auf den Hering als Nahrungsquelle um. Denn dieser hat einen hohen Nährwert und kommt in Schwärmen vor, sodass man nicht jedem einzelnen Fisch hinterherjagen muss. Inzwischen können Heringe über 80 Prozent des kompletten Walspeiseplans ausmachen.
Und damit dies gelingt, arbeitet der Wal mit ausgeklügelten Fischfangmethoden. Beispielsweise lassen die Wale einen Blasenstrudel aus ihren Atemlöchern emporsteigen, um Heringsschwärme damit einzukesseln. Oder sie schlagen mit ihren riesigen Schwanzflossen auf die Wasseroberfläche, sodass einige Fische bewusstlos werden und nicht mehr fliehen können.
Eine weitere Fangmethode beschreibt jetzt die kanadische Meeresbiologin Christie McMillan bei Buckelwalen, die vor der Küste von Vancouver Island leben. Diese Tiere beobachten offenbar die Vogelbewegungen oberhalb des Wasserspiegels, und wenn sie bemerken, dass sich an einer Stelle größere, laut kreischende Möwenschwärme bilden, schwimmen sie gezielt dorthin. Denn der Meeressäuger kann sicher sein, dass sich bei ihnen ein Heringsschwarm befindet. Dort angekommen, dreht er sich in die Senkrechte, dicht unterhalb der Wasseroberfläche. Ohne Regungen, aber dafür mit weit geöffnetem Maul. Die Fische, aufgescheucht durch die jagenden Möwenschwärme, suchen nach einem ruhigen und sicheren Zufluchtsort, und den wähnen sie im sperrangelweiten Maul des Wals.
Die Folge: Sie schwimmen dutzendweise hinein. „Und wer von ihnen noch zögert, den dirigiert der Wal mit einem behutsamen Wedeln der Brustflossen hinein“, erläutert McMillan.
Die Vögel jenseits des Wasserspiegels zu beobachten, das Verhalten des Fischschwarms zu berechnen und dann noch geduldig in der Senkrechte zu warten – der neue Fangtrick belegt, wie kognitiv hochentwickelt die Buckelwale sind, erklärt die Meeresbiologin. Sie und ihr Forscherteam entdeckten den Fischfangtrick erstmal im Jahr 2011. Vier Jahre später beobachteten sie bereits 16 weitere Wale, die Gleiches beherrschten. Den Wissenschaftlern zufolge spricht das dafür, dass sich die Tiere die Methode untereinander beibringen. Oder anders ausgedrückt: Der Trick hat es ins Curriculum der Buckelwalschule geschafft.
Bleibt die Frage, worin der Vorteil der neuen Fangmethode gegenüber dem klassischen Überfall besteht, bei dem der Jäger immer wieder mit weit aufgerissenen Maul durch den Heringsschwarm prescht. Die Antwort: Sofern der Wal erst einmal an der Fangstelle ist, kostet ihn das bloße Verharren in der Senkrechten viel weniger Energie. „Und deswegen bietet sich diese Methode insbesondere an, wenn der Heringsschwarm klein ist und die Beute entsprechend spärlich ausfallen wird“, ergänzt McMillan. Wenn es also wenige Kalorien zu erbeuten gibt, sollte man nicht zu viele Kalorien verbrennen, um sie zu bekommen. Was freilich keine besondere Einsicht der Wale darstellt, sondern das Handeln praktisch aller Tiere bestimmt. Denn die Evolution lässt nur den überleben, der nicht mehr Kalorien verbraucht, als er fressen kann.
Der Buckelwal hat freilich auch viele Fähigkeiten, die man sonst im Tierreich nur selten findet. So entdeckten US-Forscher bei ihm Hirnstrukturen für die akustische Kommunikation, die man bislang nur bei Menschenaffen und Zahnwalen wie dem Orca, nicht aber bei Bartenwalen nachweisen konnte. Am Ende des letzten Jahres rettete ein Buckelwal eine Taucherin vor einem Tigerhai, indem er sie mit seinem massigen Körper abschirmte. Solche Verhaltensweisen kennt man sonst nur vom Delphin.
Einen nachvollziehbaren evolutionären Sinn haben sie allerdings nicht. Denn den Tieren nutzt es nichts, wenn sie ausgerechnet den Vertreter einer Gruppe von Lebewesen retten, die seit Jahrhunderten Walfang betreibt.