Rheinische Post Langenfeld

Neue Hoffnung für Betriebsre­ntner

Die CDU will den Krankenkas­sen-Beitrag für Betriebsre­ntner senken. Nun gibt es Streit über Höhe und Finanzieru­ng.

- VON ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Für Horst Seehofer (CSU) war es „eine meiner schönsten Nächte“, für Millionen Betriebsre­ntner ein Albtraum: 2003 verabredet­en der damalige Unterhändl­er der Union und die damalige Bundesgesu­ndheitsmin­isterin Ulla Schmidt (SPD) eine Gesundheit­sreform. Ihr Husarenstü­ck war die Verdoppelu­ng der Krankenkas­sen-Beiträge auf Betriebsre­nten. Seit 2004 müssen Bezieher von Betriebsre­nten und Direktvers­icherungen den vollen Beitrag für Kranken- und Pflegevers­icherung zahlen. Bei der gesetzlich­en Rente ist nur der Arbeitnehm­eranteil fällig. Die Empörung war Jahre lang groß. Auf dem Bundespart­eitag hat die CDU am Wochenende beschlosse­n, die Doppelverb­eitragung abzuschaff­en. So will sie Betriebsre­nten attraktive­r machen.

Doch nun bricht Streit aus über Wann und Wie. „Bei uns rennt die CDU mit der Abschaffun­g der Doppelverb­eitragung offene Türen ein“, sagte der finanzpoli­tische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Lothar Binding. „Wir haben vergeblich versucht, das in den Koalitions­vertrag zu bekommen.“Wenn jetzt die Union umdenke und einen Antrag einbringen würde, hätte das große Aussicht auf Erfolg. „Ich erwarte, dass Gesundheit­sminister Spahn nach dem CDU-Parteitags­beschluss, den Anstoß zur Umsetzung gibt.“Klar sei aber, dass die Abschaffun­g nicht rückwirken­d gelten dürfe. „Das wäre schlicht nicht finanzierb­ar“, so Binding. Eine Rückabwick­lung 16,6 16,81 17,02 17,05 17,43 würde laut der Agentur Reuters 40 Milliarden Euro kosten. Darauf wollen weder Kassen noch Finanzmini­ster verzichten.

Derzeit muss ein Bürger von seiner monatliche­n Betriebsre­nte von 1000 Euro allein an die Krankenkas­se 146 Euro abführen (plus Zusatzbeit­rag). Wer die Betriebsre­nte in Form einer kapitalisi­erten Lebensvers­icherung erhält, darf von 100.000 Euro stolze 14.600 Euro überweisen, wenn auch zeitlich gestaffelt. Bei einer Verbeitrag­ung wie bei der gesetzlich­en Rente wäre jeweils nur der halbe Beitrag fällig.

Würde die große Koalition den Arbeitgebe­rbeitrag für Betriebsre­nten künftig streichen, würde dies für die Krankenkas­sen Ausfälle von jährlich drei Milliarden Euro bedeuten. Denkbar sei, diese Summe aus dem Bundeshaus­halt zu finanziere­n, so die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Karin Maag. Man sei darüber mit Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) im Gespräch, der sei aber wenig begeistert.

Auch die Haushälter der Union sind dagegen. Der Chefhaushä­lter der Fraktion, Eckhardt Rehberg, kritisiert­e den Beschluss seiner Partei. „Ich sehe nicht, wie das finanziert werden soll. Drei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich aus dem Bundeshaus­halt sind nicht verkraftba­r, weil wir dann ein strukturel­les Defizit in den kommenden Jahren haben werden“, sagte Rehberg unserer Redaktion. „Für die Finanzieru­ng der Beitragsan­teile der Arbeitgebe­r ist im Haushalt keine Vorsorge getroffen worden.“

Die SPD hatte Spahn aufgeforde­rt, zur Finanzieru­ng die Rücklagen im

Gesundheit­sfonds zu nutzen. Unions-Politiker haben vorgeschla­gen, den Einnahmeve­rlust je zur Hälfte aus dem Gesundheit­sfonds und aus Steuermitt­eln auszugleic­hen.

Vielleicht läuft es auch nur auf eine kleine Lösung hinaus. Die Mittelstan­dsvereinig­ung der Union fordert, dass auf jeden Fall die bisherige Freigrenze durch einen Freibetrag ersetzt werden müsse. Die Freigrenze liegt bei monatlich 152 Euro und bedeutet: Wer weniger Betriebsre­nte hat, muss keinen Beitrag zahlen. Bei einer Betriebsre­nte von über 152 Euro wird dagegen der volle Beitrag fällig. Würde der Staat die Freigrenze durch einen Freibetrag ersetzen, würden alle ein bisschen profitiere­n. Für alle wären die ersten 152 Euro Betriebsre­nte beitragsfr­ei.

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QUELLE: STATISTA | FOTO: DPA | GRAFIK: ALICIA PODTSCHASK­E Anzahl der Personen in Deutschlan­d, die eine Betriebsre­nte bzw. Anspruch auf eine Betriebsre­nte im Haushalt besitzen.

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