Ein Dorf – liebenswert und ländlich
Drei Vereine beherrschen das Geschehen in Reusrath und ein Karnevalszug im Dunkeln. Neubürger haben’s mitunter schwer.
LANGENFELD Ihr Dorf geht ihnen über alles: Wiesen, Felder, Pferdehöfe, ein paar Geschäfte, Ärzte, Physiotherapeuten – und ein Lichterzug am Karnevalssonntag. Das ist Reusrath, Langenfelds südlichster Stadtteil, liebenswert ländlich und doch zentral gelegen mit schneller Anbindung nach Leverkusen, Köln und Düsseldorf. Das Dorf ist das Beste, was ihnen und ihren Familien passieren konnte, sagen Andreas Buchheim, Vorsitzender des Rüsrother Carnevals Comitees, Ralf Meschkewitz, 1. Brudermeister der Schützenbruderschaft Reusrath, und Uli Brücker vom SC Germania. Denn auch sie gehören zu Reusrath: ein Fußballverein, eine Schützenbruderschaft und ein Karnevalsverein.
Nur eine richtige Thekenkneipe fehlt, seit Alte Post und Schützenhof weg sind. „Das ist traurig“, sagen die drei Männer. So einen richtigen Treff haben wir nicht.“Trotzdem: Reusrath funktioniert, versichern sie. Zusammenhalt, Nachbarschaftshilfe, Freizeitgestaltung, Freundschaften und Netzwerke bestimmen das Dorfleben. „Ich habe vier Jahre in Düsseldorf gewohnt“, sagt Buchheim, „schrecklich. Wenn ich hier samstags zu Rewe einkaufen gehe, bin ich zwei Stunden unterwegs. Eine halbe Stunde davon kaufe ich ein, der Rest ist Quatschen.“Etwa mit dem Vize-Bürgermeister Dieter Braschoss, der Trainerin der Tanzgruppe, dem Hausarzt und den Vereinsmitgliedern. „In Düsseldorf war ich nach einer Viertelstunde wieder zurück.“
Rund 7200 Menschen wohnen in Reusrath. Jeder Zehnte ist in einem der örtlichen Vereine. Das verbindet. Die letzten Neubürger im größeren Schwung kamen vor zehn Jahren. Die nächsten werden mit der Bebauung der Locher Wiesen eintreffen.
Die drei Vereinschefs machen keinen Hehl daraus, dass Zugezogene es bei den Alteingesessenen nicht unbedingt einfach haben. Um akzeptiert zu werden, müssen sie selbst den ersten Schritt tun: zum Feuerwehr- oder Schützenfest kommen, beim legendären Lichterzug mitmachen, das Kind zum SC Germania schicken. „Wer uns anspricht, findet immer ein offenes Ohr“, sagen sie. Wer sich im Verein engagiert, gehört dazu. „Und wer einmal mit uns warm geworden ist, will nicht mehr weg“, ergänzt Meschkewitz.
Doch es gibt offenbar auch genug Reusrather, die mit dem Vereinsleben nichts anfangen können. Immer häufiger halte „Ego-Denken“Einzug in den beschaulichen Ortsteil. Der SC Germania darf bei seinen Spielen keine Durchsagen mehr machen – zu laut. „Es gibt hier einzelne, die bremsen das ganze Dorf mit ihren Lärmbeschwerden aus“, sagt Lücker, „die wollen alle Annehmlichkeiten des Lebens hier draußen genießen, aber wollen nicht ein bisschen mitmachen.“
„99 Prozent haben Bock auf uns,
aber einige wenige versuchen, alles kaputt zu machen“, sagt Buchheim. Selbst der mittlerweile in ganz Deutschland bekannte wunderschöne Lichterzug am Karnevalssonntagabend ist manchen zu laut. Vor 14 Jahren rief ihn Andreas Buchheim ins Leben. Zwischen all den Umzügen rund um Reusrath blieb nur ein Zeitfenster fürs eigene Dorf-Event: der Sonntagsabend. Mit viel ehrenamtlichem Engagement und Herzblut wurde der Zug initiiert. 30 Karnevalisten und 40 Tanzkinder zwischen 6 und 18 Jahren gehören zum festen Stamm. Neben den „Eingeborenen“beteiligen sich zig Gruppen von Nah und Fern, Tausende stehen am Straßenrand. Die Atmosphäre ist toll, wenn die beleuchteten Wagen und Fußgruppen in ihren fantasievollen Kostümen im Dunkeln durchs Dorf ziehen. In dieser Session wird es zum ersten Mal eine Schwarzlichtgruppe mit fluoreszierender Schminke geben.
Nicht nur der Lichterzug unterscheidet den Ortsteil von den übrigen Langenfelds: In Reusrath verläuft beispielsweise auch die Kölsch/-Alt-Grenze, und hier rufen Jecke Alaaf statt Helau. Es erstaunt dann auch nicht, dass sich keiner der Herren als Langenfelder fühlt: „Wir sind Reusrather“, sagen zwei Eingeborene und ein Zugereister wie aus einem Mund.