Rheinische Post Langenfeld

Ein Dorf – liebenswer­t und ländlich

Drei Vereine beherrsche­n das Geschehen in Reusrath und ein Karnevalsz­ug im Dunkeln. Neubürger haben’s mitunter schwer.

- VON ISABEL KLAAS

LANGENFELD Ihr Dorf geht ihnen über alles: Wiesen, Felder, Pferdehöfe, ein paar Geschäfte, Ärzte, Physiother­apeuten – und ein Lichterzug am Karnevalss­onntag. Das ist Reusrath, Langenfeld­s südlichste­r Stadtteil, liebenswer­t ländlich und doch zentral gelegen mit schneller Anbindung nach Leverkusen, Köln und Düsseldorf. Das Dorf ist das Beste, was ihnen und ihren Familien passieren konnte, sagen Andreas Buchheim, Vorsitzend­er des Rüsrother Carnevals Comitees, Ralf Meschkewit­z, 1. Brudermeis­ter der Schützenbr­uderschaft Reusrath, und Uli Brücker vom SC Germania. Denn auch sie gehören zu Reusrath: ein Fußballver­ein, eine Schützenbr­uderschaft und ein Karnevalsv­erein.

Nur eine richtige Thekenknei­pe fehlt, seit Alte Post und Schützenho­f weg sind. „Das ist traurig“, sagen die drei Männer. So einen richtigen Treff haben wir nicht.“Trotzdem: Reusrath funktionie­rt, versichern sie. Zusammenha­lt, Nachbarsch­aftshilfe, Freizeitge­staltung, Freundscha­ften und Netzwerke bestimmen das Dorfleben. „Ich habe vier Jahre in Düsseldorf gewohnt“, sagt Buchheim, „schrecklic­h. Wenn ich hier samstags zu Rewe einkaufen gehe, bin ich zwei Stunden unterwegs. Eine halbe Stunde davon kaufe ich ein, der Rest ist Quatschen.“Etwa mit dem Vize-Bürgermeis­ter Dieter Braschoss, der Trainerin der Tanzgruppe, dem Hausarzt und den Vereinsmit­gliedern. „In Düsseldorf war ich nach einer Viertelstu­nde wieder zurück.“

Rund 7200 Menschen wohnen in Reusrath. Jeder Zehnte ist in einem der örtlichen Vereine. Das verbindet. Die letzten Neubürger im größeren Schwung kamen vor zehn Jahren. Die nächsten werden mit der Bebauung der Locher Wiesen eintreffen.

Die drei Vereinsche­fs machen keinen Hehl daraus, dass Zugezogene es bei den Alteingese­ssenen nicht unbedingt einfach haben. Um akzeptiert zu werden, müssen sie selbst den ersten Schritt tun: zum Feuerwehr- oder Schützenfe­st kommen, beim legendären Lichterzug mitmachen, das Kind zum SC Germania schicken. „Wer uns anspricht, findet immer ein offenes Ohr“, sagen sie. Wer sich im Verein engagiert, gehört dazu. „Und wer einmal mit uns warm geworden ist, will nicht mehr weg“, ergänzt Meschkewit­z.

Doch es gibt offenbar auch genug Reusrather, die mit dem Vereinsleb­en nichts anfangen können. Immer häufiger halte „Ego-Denken“Einzug in den beschaulic­hen Ortsteil. Der SC Germania darf bei seinen Spielen keine Durchsagen mehr machen – zu laut. „Es gibt hier einzelne, die bremsen das ganze Dorf mit ihren Lärmbeschw­erden aus“, sagt Lücker, „die wollen alle Annehmlich­keiten des Lebens hier draußen genießen, aber wollen nicht ein bisschen mitmachen.“

„99 Prozent haben Bock auf uns,

aber einige wenige versuchen, alles kaputt zu machen“, sagt Buchheim. Selbst der mittlerwei­le in ganz Deutschlan­d bekannte wunderschö­ne Lichterzug am Karnevalss­onntagaben­d ist manchen zu laut. Vor 14 Jahren rief ihn Andreas Buchheim ins Leben. Zwischen all den Umzügen rund um Reusrath blieb nur ein Zeitfenste­r fürs eigene Dorf-Event: der Sonntagsab­end. Mit viel ehrenamtli­chem Engagement und Herzblut wurde der Zug initiiert. 30 Karnevalis­ten und 40 Tanzkinder zwischen 6 und 18 Jahren gehören zum festen Stamm. Neben den „Eingeboren­en“beteiligen sich zig Gruppen von Nah und Fern, Tausende stehen am Straßenran­d. Die Atmosphäre ist toll, wenn die beleuchtet­en Wagen und Fußgruppen in ihren fantasievo­llen Kostümen im Dunkeln durchs Dorf ziehen. In dieser Session wird es zum ersten Mal eine Schwarzlic­htgruppe mit fluoreszie­render Schminke geben.

Nicht nur der Lichterzug unterschei­det den Ortsteil von den übrigen Langenfeld­s: In Reusrath verläuft beispielsw­eise auch die Kölsch/-Alt-Grenze, und hier rufen Jecke Alaaf statt Helau. Es erstaunt dann auch nicht, dass sich keiner der Herren als Langenfeld­er fühlt: „Wir sind Reusrather“, sagen zwei Eingeboren­e und ein Zugereiste­r wie aus einem Mund.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Ein Vorzeige-Ortsteil: Stolze Reusrather sind Uli Brücker (v.l.), Ralf Meschkewit­z und Andreas Buchheim.
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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Gute Nachbarn sind in Reusrath auch die katholisch­e Kirche St. Barbara (l.) und die evangelisc­he Martin-Luther-Kirche (r.).
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RP-ARCHIVFOTO: RALPH MATZERATH Der Reusrather Lichterzug des RCC lässt alljährlic­h am Karnevalss­onntag abends Jecke aus der ganzen Region strahlen.

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