Rheinische Post Langenfeld

Suche nach Komplizen des Straßburg-Attentäter­s

Nach dem Tod von Chérif Chekatt zeigen sich die Menschen in der Europastad­t erleichter­t. Doch die Ermittlung­en gehen weiter.

- VON CHRISTINE LONGIN VON FRANK HERRMANN

Der Sonderermi­ttler Robert Mueller untersucht, ob es geheime Absprachen zwischen Donald Trumps Wahlkampft­eam und Russland gab. Entscheide­nd könnten die Aussagen Michael Cohens sein, des ehemaligen Anwalts des US-Präsidente­n. STRASSBURG Die Kunden kommen noch zögerlich an den Stand mit Bio-Glühwein vor dem Palais Rohan in Straßburg. Mathilde steht hinter einem der Holzfässer und bereitet ihre Zutaten vor. „Ich bin immer noch benommen“, sagt die rotblonde Studentin, der nach der Wiedereröf­fnung der Schrecken noch anzusehen ist. „Wir sind hier alle wachsamer geworden.“Am Dienstagab­end hatte der Attentäter Chérif Chekatt nur ein paar hundert Meter von ihrem Stand entfernt fünf Menschen getötet und zwölf verletzt. Der weltberühm­te „Marché de Noël“wurde daraufhin für zwei Tage geschlosse­n.

Die Sicherheit­svorkehrun­gen rund um den Weihnachts­markt, der jedes Jahr rund zwei Millionen Menschen anzieht, wurden nach dem Anschlag massiv verstärkt. An jedem der 15 Kontrollpu­nkte in der Innenstadt stehen Polizeiwag­en, um die privaten Sicherheit­sdienste zu unterstütz­en. Auch auf dem Weihnachts­markt patrouilli­eren Polizisten und Soldaten mit Maschineng­ewehren im Anschlag zwischen den 300 Ständen aus Holz. „Die Sicherheit ist garantiert“, sagt Innenminis­ter Christophe Castaner, der gegen elf Uhr als einer der Ersten den wiedereröf­fneten „Christkind­elsmärik“besucht. „Die Einwohner Straßburgs haben gezeigt, dass man dem Terrorismu­s nicht nachgeben sollte.“Bewusst habe sich die Stadtverwa­ltung schon vor dem Tode Chekatts entschiede­n, den Weihnachts­markt wieder zu öffnen.

Polizisten hatten den 29-Jährigen am Donnerstag­abend im Stadtteil Neudorf erschossen, nachdem rund 700 Beamte den Attentäter zwei Tage lang gesucht hatten. Den Durchbruch WASHINGTON Michael Cohen war einmal ein großer Fan Donald Trumps. Schon als Teenager las er „The Art of the Deal“, die Business-Fibel des Bauunterne­hmers, nach eigenem Bekunden gleich zweimal, weil er das Buch so lehrreich fand. Später, da war er im Taxigeschä­ft New Yorks zu Geld gekommen, kaufte er ein Appartemen­t im Trump World Tower, einem Wolkenkrat­zer in der Nähe des UN-Hauptquart­iers am East River. Dem ersten Wohnungsde­al folgten weitere, in Gebäuden namens Trump Palace und Trump Park Avenue, bis er als Rechtsbera­ter bei der Trump-Organisati­on einstieg. Cohen war mehr als nur ein Anwalt, er war ein enger Vertrauter.

Von den Treueschwü­ren ist jedoch nichts geblieben. Eigene Schwäche und blinde Loyalität gegenüber dem von ihm so bewunderte­n Mogul habe ihn den „Pfad der Dunkelheit statt des Lichts“einschlage­n lassen, sagte der 52-Jährige während eines hochemotio­nalen Auftritts vor Gericht in Manhattan, wo er am Mittwoch zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Abgehakt ist der Fall mit dem Spruch des Richters noch nicht. Wenn nicht alles täuscht, könnte er Trump noch in akute Erklärungs­not bringen. 2016 arrangiert­e Cohen für den damaligen Präsidents­chaftskand­idaten Schweigege­ldzahlunge­n an zwei Frauen, die nach eigener Aussage Sexaffären mit Trump hatten. In der heißen Phase des Duells gegen Hillary Clinton wollte der Unternehme­r verhindern, dass die beiden, die Pornodarst­ellerin Stephanie Clifford (alias Stormy Daniels) und das Playboy-Model Karen McDougal, mit ihren Schilderun­gen an die Öffentlich­keit gingen. An Clifford zahlte Cohen selbst, im Falle McDougals spannte er David Pecker ein, den Chef des Medienhaus­es brachte ein Fahndungsf­oto am Mittwochab­end, das 800 Anrufe zur Folge hatte. Die entscheide­nden Hinweise kamen von einem Mann und einer Frau, die den mehrfach AMI, unter dessen Dach das schrille Boulevardb­latt National Enquirer erscheint. AMI erwarb die Rechte an der Geschichte des Models – von vornherein in der Absicht, sie nicht zu drucken.

Die geheimen Zuwendunge­n waren ein Verstoß gegen Gesetze, die für Zahlungen mit dem Ziel der Beeinfluss­ung einer Wahl Transparen­z vorschreib­en. Dass Trump sie persönlich anordnete, hat Cohen mittlerwei­le mehrfach betont. Es war Robert Mueller, der Sonderermi­ttler der Russlandaf­färe, der sie entdeckte und seine Erkenntnis­se an die New Yorker Staatsanwa­ltschaft weiterreic­hte, die daraufhin Cohen vernahm. Damit steht der Präsident als Anstifter zu einer Straftat da, auch wenn er abwiegelt, es habe sich lediglich um eine „private Transaktio­n“gehandelt. Im Übrigen, twitterte er nach dem Urteil, hätte Cohen als Jurist die Rechtslage kennen müssen.

Siebenmal hat Cohen mit Muellers Leuten geredet. Was genau sie von ihm erfuhren, vermag kein Außenstehe­nder zu sagen. Mueller hat sich, seit er Sonderermi­ttler ist, kein einziges Mal öffentlich geäußert. Gleichwohl lassen Informatio­nsbruchstü­cke den Schluss zu, dass Cohen auch Interna zu Protokoll gab, die unmittelba­r mit Muellers Auftrag zu tun haben: herauszufi­nden, ob Trumps Wahlkampft­eam 2015/16 geheime Absprachen mit dem Kreml traf.

So gab der Jurist zu, das Parlament belogen zu haben, als er nach einem Bauprojekt Trumps in Moskau gefragt wurde. Tatsächlic­h, räumte er ein, habe man bis Sommer 2016 über einen Trump Tower an der Moskwa verhandelt und nicht, wie anfangs behauptet, nur bis zum Beginn des Kandidaten­wettlaufs der Republikan­er. Im Raum steht die Frage, ob Wladimir Putins Umfeld die Hochhaus-Sondierung­en nutzte, eventuelle Bankkredit­e für Verurteilt­en in Neudorf auf der Straße erkannten. Daraufhin entdeckte die Polizei auch Blutspuren, denn Soldaten hatten Chekatt am Dienstagab­end am Arm verletzt. Ein Hubschraub­er mit Wärmebildk­amera kreiste über dem Viertel.

Als eine Polizeipat­rouille dann um 21 Uhr die Rue de Lazaret entlang fuhr, fiel ihr ein Mann in schwarzer Daunenjack­e mit Kapuze auf dem Kopf auf, der sie ebenfalls bemerkte. Er wollte sich in das Haus Nummer 74 flüchten, konnte aber die Tür nicht öffnen, berichtete der Pariser Anti-Terror-Staatsanwa­lt Rémy das Vorhaben eingeschlo­ssen, um Trump zu beeinfluss­en.

Dann wäre da noch, zweitens, der Ex-General Michael Flynn, Trumps erster Sicherheit­sberater. Im Unterschie­d zu Cohen, der sich offiziell nie zur Kooperatio­n mit Mueller verpflicht­ete, hat er uneingesch­ränkt mit den Ermittlern zusammenge­arbeitet. Da er an politische­n Weichenste­llungen beteiligt war, sind weitere Enthüllung­en nicht auszuschli­eßen. Es war Flynn, der einen vertraulic­hen Gesprächsk­anal zu Sergej Kisljak, seinerzeit Botschafte­r Russlands in Washington, etablierte. Dass er vertuschte, was er mit Kisljak beredete, etwa die Aufhebung von Sanktionen, die Präsident Barack Obama verhängt hatte, kostete ihn seinen Posten im Weißen Haus. Offen bleibt, ob Flynn auf eigene Faust handelte oder auf Anweisung Trumps.

Drittens: Maria Butina, vermeintli­ch begeistert­es Mitglied der National Rifle Associatio­n (NRA), des Verbands der Waffenfreu­nde. Gemeinsam mit ihrem Mentor Alexander Torschin, damals Vizegouver­neur der russischen Zentralban­k, versuchte sie ein Treffen mit Donald Trump junior, Trumps ältestem Sohn, am Rande einer NRA-Tagung in Kentucky anzubahnen. Daraus wurde nichts, weil Trumps Schwiegers­ohn Jared Kushner abriet. Butina ist inzwischen wegen Spionageve­rdachts angeklagt worden.

Der vierte Strang lief über New York, wo Trump junior, Kushner und der Wahlkampfm­anager Paul Manafort im Juni 2016 die russische Rechtsanwä­ltin Natalja Weselnizka­ja empfingen, nachdem man ihnen „Dreck“über Hillary Clinton in Aussicht gestellt hatte. Als es publik wurde, gab Trumps Ältester Erklärunge­n ab, die vom Thema ablenken sollten. Um den Spross zu verteidige­n, diktierte auch der Präsident ein Statement, das sich als falsch entpuppte. Heitz. Die Polizisten sprachen ihn vom Auto aus an, woraufhin er seine Waffe auf sie richtete. Die Beamten schossen zurück und töteten den Schützen.

Der 27-mal verurteilt­e Chekatt, der auf der Gefährderd­atei stand, hatte bei seinem Tod einen Revolver aus dem 19. Jahrhunder­t, ein Messer und Munition bei sich. Die Ermittler gehen davon aus, dass er das Attentat als Reaktion auf die Durchsuchu­ng seiner Wohnung am Morgen alleine verübte. „Es geht jetzt darum, mögliche Komplizen zu suchen“, sagte Staatsanwa­lt Remy Heitz.

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FOTO: IMAGO Donald Trump spricht im Garten des Weißen Hauses mit Reportern.
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FOTO: DPA Der mutmaßlich­e Attentäter liegt tot in einem Hauseingan­g.

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