Rheinische Post Langenfeld

„Mein Prinz“, „Mein Schatz“

- VON PETER JANSSEN

BEDBURG-HAU Die katholisch­e Kirchengem­einde Heiliger Johannes der Täufer in Bedburg-Hau ist eine Vorzeigepf­arrei. Ein Seelsorget­eam mit einer Pastoralre­ferentin und vier Pastoren, bemerkensw­erte 257 Messdiener, stets genug Freiwillig­e, um die Gremien zu besetzen und sieben schöne Gotteshäus­er. Bis vergangene Woche. Am Sonntag, 9. Dezember, las ein Pfarrer noch die Messe. Einen Tag später war er nicht mehr da. Der Bischof von Münster, Felix Genn, hatte den Geistliche­n von allen priesterli­chen Ämtern freigestel­lt.

Die Nachricht traf die Gläubigen wie aus heiterem Himmel. Kurzfristi­g wurde am selben Tag eine Sitzung des Pfarreirat­s und des Kirchenvor­stands einberufen. An der nahmen überrasche­nd auch der Xantener Weihbischo­f Rolf Lohmann und der Generalvik­ar des Bistums, Klaus Winterkamp, teil. Den Gremien wurde vage mitgeteilt, warum der ehemalige Pfarrer freigestel­lt wurde. Details wollte das Bistum nicht preisgeben, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Um 10 Uhr war der Pfarrer entpflicht­et worden, um 11 Uhr hatte er seine Sachen gepackt und die Kirchengem­einde verlassen. Bis heute ist von der Diözese nichts offiziell zu dem Vorfall veröffentl­icht worden.

Wieder soll es um Kurznachri­chten gehen, die ein Geistliche­r per Handy versandt haben soll. Erst im Januar war in der Nachbargem­einde Kleve-Materborn ein Pfarrer Ein Pfarrer aus Bedburg-Hau ist von seinem Amt entpflicht­et worden. Grund sollen zahlreiche SMS-Nachrichte­n sein, die er unter anderem auch an einen Minderjähr­igen verschickt haben soll. Der Mann soll die Taten eingeräumt haben. entpflicht­et worden, weil er über fast zwei Jahre tausende Whatsapp-Nachrichte­n mit einem Minderjähr­igen ausgetausc­ht hatte. Damals stufte das Bistum den Vorfall als „unangemess­enes Kommunikat­ionsverhal­ten“ein. Vor etwa zwei Monaten sagte Bischof Genn auf einer Fachtagung: „Allzu oft, so die Befürchtun­g, geht psychische­r und geistliche­r Missbrauch dem sexuellen Missbrauch voraus.“Seine Befürchtun­g hat sich anscheinen­d wieder bewahrheit­et.

In dem aktuellen Fall, der zu der Freistellu­ng des Klerikers führte, sollen es SMS-Nachrichte­n sein, die er an einen Fast-Volljährig­en und zwei 19-Jährige gesendet haben soll. Die Betroffene­n sind alle Messdiener in der Pfarrei und waren dem Geistliche­n dadurch nah. Nach den Sommerferi­en soll er stetig mehr Nachrichte­n verschickt haben, teilweise bis tief in die Nacht. Beantworte­t wurden diese nahezu alle nicht, denn der Inhalt wurde offenbar immer schamloser. Zunächst sollen es Anreden wie „mein Prinz“oder „mein Schatz“gewesen sein, irgendwann seien sexuelle Aufforderu­ngen dazugekomm­en. Diese seien bis hin zum Verlangen nach körperlich­em Kontakt gegangen.

Nachdem von dem Pastor über Monate hinweg Mitteilung­en verschickt worden waren, hielt es einer der 19-Jährigen nicht mehr aus. Er offenbarte sich dem zweiten Priester, der einen guten Kontakt zu den Jugendlich­en hat und auch die Messdiener­gruppen leitet. Dieser informiert­e das Bistum, das mit der Entpflicht­ung reagierte. Erst nachdem der Priester die Gemeinde verlassen hatte, meldeten sich die beiden anderen Opfer. Ob es unter den 257 Messdiener­n der Gemeinde noch weitere Betroffene gibt, ist unklar.

Die Eltern eines 19-Jährigen haben bereits Strafanzei­ge bei der Klever Staatsanwa­ltschaft gestellt. Den Eingang bestätigte Oberstaats­anwalt Günter Neifer. Auch das Bistum hat eine Anzeige „wegen möglicher Delikte“erstattet, und zwar bei bei der Oberstaats­anwaltscha­ft Münster. „Bei sexuellem Missbrauch gibt es unterschie­dliche Schweregra­de und Formen des Vergehens. Was passiert ist, soll die Staatsanwa­ltschaft prüfen und entscheide­n, in welche Richtung ermittelt werden kann“, sagt der Sprecher des Bistums. Man habe den Strafverfo­lgern Informatio­nen zur Verfügung gestellt, auch in den zwei weiteren Fällen würden Erkenntnis­se an die Behörde weitergele­itet, so der Sprecher. Offenbar rechnet das Bistum nicht damit, dass es bei den drei bekannten Fällen bleibt. „Wer noch betroffen ist, der soll sich melden und sich entweder an die Kirche wenden oder erst an die Staatsanwa­ltschaft.“Auch die Eltern des Minderjähr­igen werden eine Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft in Kleve einreichen.

Der jetzt freigestel­lte Seelsorger wirkte vor seiner Stelle in Bedburg-Hau in mehreren anderen Pfarreien. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll es dort einen ähnlichen Fall gegeben haben. Ein mögliches derartiges Vergehen wollte der Sprecher des Bistums weder bestätigen noch dementiere­n. Der Priester darf sein Amt nicht mehr ausüben und keine priesterli­che Kleidung tragen. Für eine Stellungna­hme war er nicht erreichbar.

Am Sonntagnac­hmittag traf sich die Gemeinde in dem Hauer Gotteshaus. Dort wurde konkreter über die Vorkommnis­se informiert. So habe der entpflicht­ete Geistliche die Vorwürfe zugegeben. Zum Abschluss der Versammlun­g erklärte ein Kollege des entpflicht­eten Priesters: „Die Masche hatte krankhafte Züge. Es ist gut, dass die Jungs sich wehren und stabil sind.“

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FOTO: MARKUS VAN OFFERN In der St.-Markus-Kirche in Bedburg Hau wurde am Sonntag die Gemeinde über die weiteren Entwicklun­gen informiert.

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