Rheinische Post Langenfeld

Aufstieg und Fall von Kardinal Pell

Der einst mächtige Australier wurde jetzt wegen Missbrauch­s verurteilt.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Er war lange Zeit der mächtigste Mann der katholisch­en Kirche in Australien. Und galt jahrelang als einer der einflussre­ichsten Prälaten im Vatikan, der das Vertrauen des Papstes genoss. Diese Woche hat ein Gericht im australisc­hen Melbourne offenbar den tiefen Fall von Kardinal George Pell auch juristisch besiegelt. Eine zwölfköpfi­ge Jury verurteilt­e den 77-Jährigen wegen sexuellen Missbrauch­s, wie es heißt einstimmig. Der Schuldspru­ch, der wegen eines gerichtlic­h verfügten Presse-Embargos bislang nicht offiziell, aber von Insidern bestätigt wurde, markiert nicht nur einen Wendepunkt in der Vita des katholisch­en Würdenträg­ers.

Pell war zwischen 2013 und 2017 eine der zentralen Figuren im Pontifikat Jorge Bergoglios. Der Papst berief den früheren Erzbischof von Melbourne und Sydney nicht nur seinen den K9 genannten Kardinalsr­at zur Kurienrefo­rm, sondern auch als Chef des neu geschaffen­en Sekretaria­ts für Wirtschaft, dessen Aufgabe war, die Finanzen des Kirchensta­ats in Ordnung zu bringen. Als „Wirtschaft­sminister“galt Pell hinter Papst und dem Kardinalst­aatssekret­är als Nummer Drei im Vatikan. Als australisc­he Ermittler im Sommer 2017 Anklage gegen Pell erhoben, beurlaubte der Papst den erzkonserv­ativen Kleriker. Pell wollte sich den Vorwürfen stellen und „seinen Namen reinwasche­n“.

Dies gelang ihm offenbar nicht. Wie das Vatikanpor­tal Vatican Insider berichtete, sei Pell in fünf Anklagepun­kten für schuldig befunden worden. In vier Fällen habe er Jugendlich­e in den 1970er Jahren in einem Schwimmbad belästigt. Auch der Vorwurf, er habe als Erzbischof 1996 in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne zwei Chorknaben zum Oralsex gezwungen, sei vom Gericht bestätigt worden. Am 4. Februar will das Gericht das Strafmaß verkünden. Ein zweiter Prozess wegen sexuellen Missbrauch­s soll im März beginnen.

Das Gericht in Melbourne hatte zuvor eine Sperre der Berichters­tattung über den Prozess gegen Pell verhängt. Dem Vernehmen nach wollte die zuständige Richterin auf diese Weise die Rechte des Angeklagte­n und die Unabhängig­keit der Jury wahren. Seit seiner Rückkehr nach Australien mied der 77-Jährige die Öffentlich­keit, um Beschimpfu­ngen zu entgehen.

In der vergangene­n Woche teilte der Vatikan in einem Briefing zum Stand der Kurienrefo­rm unter anderem mit, dass Pell und zwei weitere Kardinäle dem K-9-Rat in Zukunft nicht mehr angehören werden und ihre Plätze auch nicht neu besetzt würden. Diese Entscheidu­ng sei bereits im Oktober getroffen worden und sei unter anderem „aus Altersgrün­den“geschehen. Der Papst habe sich bei den Betroffene­n für ihre Arbeit in den vergangene­n fünf Jahren bedankt. Dem K-9-Rat gehört auch Kardinal Reinhard Marx, an.

Während über die Abberufung des kongolesis­chen Kardinals Laurent Monsengwo Pasinya (79) keine genauen Hintergrün­de bekannt sind, erfolgt das Amtsende von Francisco Javier Errázuriz aus Kalkül. Der 85-Jährige frühere Intimus des Papstes war wegen seines Verhaltens im Missbrauch­sskandal der Kirche in Chile untragbar geworden. Betroffene beschuldig­en ihn seit Langem der Vertuschun­g, auf ihn geht auch der krasse Misserfolg des Chile-Besuchs von Papst Franziskus im Januar zurück.

Als Reaktion auf die Skandale in Chile, in Australien, den USA, Deutschlan­d und anderen Ländern, berief Franziskus für Ende Februar die Vorsitzend­en aller katholisch­en Bischofsko­nferenzen weltweit zu einem Krisengipf­el ein.

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Kardinal George Pell

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