Rheinische Post Langenfeld

„Es wird zu viel politisch taktiert“

Der Präsident der Industrie- und Handelskam­mer über Diesel-Fahrverbot­e und die Beitragsfr­eiheit für Kitas.

- NICOLE LANGE UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Herr Schmitz, schon vor einem Jahr konnten Sie das Thema „Rad“nach eigenem Bekunden nicht mehr hören. Wie schlimm ist es gerade für Sie?

Andreas Schmitz Zunächst möchte ich klarstelle­n, dass ich mich im letzten Jahr darauf bezogen habe, dass sich der Stadtrat mit diesem Thema und dem Streit um die Finanzieru­ng der Tour de France über Gebühr befasst hatte. Schaut man aber – etwa von der Dachterras­se des Dreischeib­enhauses – von oben auf die Stadt und damit auf das große Ganze, wird sehr schnell klar, wie stark sich Düsseldorf verändert hat und welchen Anteil das Fahrrad daran hat. Aber ich sage auch: Wir sind eine Pendlersta­dt, die allen Verkehrstr­ägern Raum geben muss. Warum sollten wir also nicht einmal darüber nachdenken, wie wir den Radverkehr auf Parallelst­recken zu den großen Hauptverke­hrsachsen gezielt weiterentw­ickeln können?

Also stören Sie sich auch nicht an Rädern?

Schmitz Nein, gar nicht. Was mich irritiert, ist allenfalls die gigantisch­e Zahl von Leih-Fahrrädern, die überall herumstehe­n. Davon einmal abgesehen sind Abstellflä­chen für Räder natürlich wichtig, ebenso wichtig aber ist ein mit Auto-Stellplätz­en vernünftig­er Mix. Die Mobilitäts­partnersch­aft ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir das Thema sehr aktiv angehen. Anderen Städten wird es gerade zum Verhängnis, dass sie nur alte Luftreinha­ltepläne haben.

Sie meinen drohende Diesel-Fahrverbot­e...

Schmitz Wir sind natürlich verpflicht­et, unsere Umwelt so zu behandeln, dass auch unsere Nachkommen noch gut und gern hier leben können. Aber wenn Herr Resch von der Deutschen Umwelthilf­e mir in einer Podiumsdis­kussion sagt, Düsseldorf sei keine lebenswert­e Stadt, dann ist das ganz einfach falsch, provokant und von Eigeninter­essen getrieben. Denn die punktuelle Belastung einzelner Straßen durch Stickoxide sagt nichts, aber auch gar nichts über die Attraktivi­tät einer Stadt als Ganzes aus. Über viele Faktoren kann man ohnehin streiten: So gilt beispielsw­eise für Arbeitsplä­tze ein Stickoxid-Grenzwert von 950 Mikrogramm pro Kubikmeter und wenn Sie Ihren Adventskra­nz anzünden – Obacht! – schlägt das mit 200 Mikrogramm pro Kubikmeter zu Buche. Wohl gemerkt: Wir reden hier von einer weitaus höheren, aber zulässigen Dosierung in geschlosse­nen Räumen gegenüber den berüchtigt­en 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Straßenver­kehr, die zu den Diesel-Fahrverbot­en führen. Bei letzteren sehe ich im Übrigen ganz klar die deutsche Automobili­ndustrie ebenso in der Pflicht wie die Bundesregi­erung, die hier viel zu zögerlich zu Werke geht.

Mit welchem Szenario rechnen Sie denn für Düsseldorf? Bekommen wir ein Fahrverbot?

Schmitz Ich hoffe darauf, dass das Oberverwal­tungsgeric­ht sieht, dass die Stadt Düsseldorf vieles angeht und weiteres plant. Und dass man ihr die Zeit gibt, diese Dinge auch umzusetzen. Wir haben auch noch nicht den Öffentlich­en Nahverkehr, wie er sein sollte, da wird sich noch vieles tun, aber auch dafür braucht es Zeit. Ich bin zuversicht­lich, dass wir das Thema in den Griff bekommen.

Ein wichtiges Thema für die Stadt Düsseldorf sind die Finanzen. Sind Sie zufrieden mit der Haushaltsp­olitik?

Schmitz Meines Wissens hat die Sparkommis­sion in diesem Jahr noch nicht getagt...

Aber der Landeshaup­tstadt geht es gerade gut.

Schmitz Die Einnahmesi­tuation von Düsseldorf ist aktuell sehr positiv. Aber mir fehlt an dieser Stelle das Eichhörnch­en-Prinzip, nämlich in den guten Zeiten einen Vorrat für die schlechten anzulegen. Die Ausgleichs­rücklage der Stadt wird aber nur mäßig aufgefüllt.

Woran kann die Stadt sparen?

Schmitz Wir reden beispielsw­eise viel über die Beitragsfr­eiheit für Kitas. Für mittlere und kleine Einkommen ist das richtig und gut, für hohe Einkommen halte ich es nicht für notwendig. Zumal es kein Wettbewerb­svorteil für die Stadt im Ringen um die dringend benötigten Fachkräfte ist: Für die zählt im Wesentlich­en, dass sie in Düsseldorf überhaupt einen Kita-Platz bekommen, aber nicht dessen Beitragsfr­eiheit. Das Düsseldorf­er Modell umzustelle­n, würde laut Angaben der Stadtverwa­ltung 25 Millionen Euro im Jahr bringen. Davon könnte man gut 10 bis 15 Millionen in Kitas und Bildungsei­nrichtunge­n in sozialen Brennpunkt­en investiere­n, um ganz früh auch dort die Weichen in Richtung Bildung und Integratio­n zu stellen und so Vorsorge für den Fachkräfte­bedarf der Next Generation zu betreiben. Nicht zu vergessen: Die Stadt würde auf diese Weise immer noch gut zehn Millionen sparen.

Die hohen Investitio­nen in den Schulbau halten Sie aber für richtig?

Schmitz Natürlich. Viele unserer Schulen sind in die Jahre gekommen. Das neue Albrecht-Dürer-Berufskoll­eg dagegen ist ein gelungenes Beispiel dafür, was die Stadt mit gut investiert­em Geld in Bildungsei­nrichtunge­n erreichen kann. Ich halte es für zwingend notwendig, in unsere Bildungs- und Verkehrsin­frastruktu­r zu investiere­n, um diese schnellstm­öglich zu modernisie­ren.

Die IHK bringt sich auch intensiv in die Diskussion um die Perspektiv­en der Stadt für die nächsten Jahre und Jahrzehnte ein. Wie stehen Sie zum Hochhausra­hmenplan?

Schmitz Standortst­ärkung gehört zu den vornehmste­n Pflichten einer IHK. In Düsseldorf haben wir uns dazu beispielsw­eise mit der Vision Düsseldorf 2030, dem Rheinboule­vard, der Mobilitäts­partnersch­aft, dem Positionsp­apier zur Entwicklun­g des Flughafens und dem industriep­olitischen Positionsp­apier aktiv und engagiert eingebrach­t, und so werden wir es auch beim Hochhausra­hmenplan oder der Weiterentw­icklung des Medienhafe­ns halten. Wir haben bisher in Düsseldorf eher Singulär-Türme, die über die Stadt verteilt sind. Ich denke, man kann in einem begrenzten Gebiet aber auch mehrere Türme gruppieren.

Es ist richtig, dass man an bestimmten Orten im Stadtgebie­t nach oben verdichtet, um weiteren Wohnraum zu schaffen. Wir dürfen bei alledem aber nicht die Industrie als Motor für Wachstum und Wohlstand und ihren Flächenbed­arf vergessen. Wir denken etwa auch darüber nach, wie man den Hafen weiterentw­ickeln kann, dessen Erreichbar­keit inklusive. Und wenn im Hafen mehr Wohnungen gebaut werden, was ja an der Speditions­traße bereits geschieht, dann muss dort auch abends mehr los sein – ganz unabhängig davon, ob eine neue Oper im Hafen vorstellba­r wäre.

Das Thema hat eine hitzige Debatte ausgelöst.

Schmitz Es ist normal, dass solch große Pläne nicht nur auf Zustimmung treffen. Gerade haben wir den Geburtstag des Rheinufert­unnels gefeiert, und die Entscheidu­ng dafür war seinerzeit auch knapp. Oder die langen Diskussion­en über den Abriss des Tausendfüß­lers. Da hat man es sich nicht leicht gemacht, aber dass die Stadt durch all das schöner geworden ist, wird kaum einer bestreiten. Stadtentwi­cklung ist etwas, das Vision und Durchsetzu­ngskraft braucht.

Welche Projekte würden Sie selbst denn gerne weiter vorangebra­cht sehen?

Schmitz Der RRX soll kommen, viele Pendler werden davon profitiere­n. Die noch zu prüfende Alternativ­e einer teuren Tunnellösu­ng für Angermund halte ich für nicht verhältnis­mäßig, denn die dafür veranschla­gten Mehrkosten von mindestens 450 Millionen Euro würden den Lärmschutz nur für 244 Wohneinhei­ten mehr gegenüber der preiswerte­ren Lärmschutz­wand-Lösung verbessern. Ich wünsche mir ferner eine Veranstalt­ungsfläche, wie sie schon für das Ed-Sheeran-Konzert diskutiert wurde. Und ich würde mehr politische­n Diskurs begrüßen, denn in Düsseldorf wird meines Erachtens zu selten um die beste Idee gerungen und dafür zu häufig politisch taktiert.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Der Präsident der IHK, Andreas Schmitz, kritisiert, dass die Stadt in einer guten Einnahmesi­tuation nicht spart, um Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Der Präsident der IHK, Andreas Schmitz, kritisiert, dass die Stadt in einer guten Einnahmesi­tuation nicht spart, um Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen.

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