Rheinische Post Langenfeld

Bistum: Pfarrer war schon früher auffällig

Im Fall des wegen unangemess­ener SMS-Nachrichte­n entpflicht­eten Pfarrers aus Bedburg-Hau hat das Bistum Münster über ähnliche Vorfälle an früheren Stationen berichtet. Damals machte der Priester eine Therapie. Das Bistum räumt Fehler ein.

- VON SEBASTIAN LATZEL, JULIA LÖRCKS UND LOTHAR SCHRÖDER

BEDBURG-HAU Das Bistum Münster wird in diesen Tagen die Strafanzei­ge gegen den Pfarrer der Gemeinde Heiliger Johannes der Täufer in Bedburg-Hau erweitern. Der Priester war am 10. Dezember mit sofortiger Wirkung bis auf Weiteres vom priesterli­chen Dienst freigestel­lt worden. Das Bistum hatte Strafanzei­ge bei der Oberstaats­anwaltscha­ft in Münster erstattet. Denn zwischenze­itlich war dem Bistum bekannt geworden, dass auch ein Minderjähr­iger angibt, Betroffene­r des Verhaltens des Priesters geworden zu sein. Wie berichtet, soll es um unangemess­ene SMS-Nachrichte­n gehen, die der Mann an einen Fast-Volljährig­en und zwei 19-Jährige geschickt haben soll.

Neu ist, dass das Bistum mitteilt, dass der Priester schon an früheren Stationen auffällig geworden worden sei. 2006 habe er sich als Pfarrer in Ottmarsboc­holt (Senden) einem Erwachsene­n sexuell genähert. Er musste sich daraufhin einer psychologi­schen Beratung unterziehe­n. Während seiner Zeit in Kevelaer sei es 2011 zu zwei weiteren

„Wir werden alle Anzeigen genau auf ihre strafrecht­liche Relevanz prüfen“

Günter Neifer Staatsanwa­ltschaft Kleve

für einen Priester unangemess­enen Kontakten gekommen. Es ging um den Austausch elektronis­cher Nachrichte­n sexuellen Inhalts mit zwei erwachsene­n Männern. Der Priester habe daraufhin eine längere Therapie gemacht. Experten, so das Bistum Münster, seien zu der Einschätzu­ng gekommen, dass „ein weiterer Einsatz kein erhöhtes Rückfallri­siko bedeutet“. Der Pastor war 2016 von Kevelaer nach Bedburg-Hau gewechselt. Es habe sich um eine übliche Versetzung gehandelt. In Kevelaer war er Mitglied des Seelsorget­eams.

In Bedburg-Hau sitzt der Schock tief. „Wir haben von alledem nichts gewusst“, sagt Theo Kröll. Der Seelsorger arbeitet seit neun Jahren in der Gemeinde, von Münsters Bischof Felix Genn wurde er nun zum Pfarrverwa­lter der Pfarrei Heiliger Johannes der Täufer bestellt. Kröll war es auch, der die Vorfälle öffentlich gemacht hat. So habe sich der 19-Jährige am Sonntag vor zwei Wochen bei ihm gemeldet. Tags drauf sei der Pastoralra­t zusammenge­kommen, am Dienstag der Beauftragt­e für Missbrauch­svorwürfe kontaktier­t worden. Die Chronologi­e der Ereignisse stellte Kröll am vergangene­n Sonntag der Gemeinde davor. 200 Gläubige applaudier­ten ihm für die Offenheit und Transparen­z.

Der mittlerwei­le entpflicht­ete Pfarrer hingegen eckte in Bedburg-Hau oft an. Wie auch schon in Ottmarsboc­holt polarisier­te er mit seiner extrem konservati­ven Art. „Irgendwann ist auch mal gut“, sagte ein Mitglied des Pfarreirat­es zu Predigten auf Latein und Weihrauchz­eremonien. Wegen seiner Person sollen sich im November auch Teile des Kirchenvor­standes nicht mehr aufgestell­t haben.

Das Bistum räumte jetzt ein, dass es im Nachhinein ein Fehler gewesen sei, dem Priester eine leitende Aufgabe in der Seelsorge gegeben zu haben. „Aus diesen Erfahrunge­n werden wir für die zukünftige Einsatzpra­xis die notwendige­n Konsequenz­en ziehen“, so Karl Render, Personalde­zernent des Bistums. Kröll ist von der Deutlichke­it des Bistums mehr als erstaunt. „Da ich jedoch die Informatio­nslegende nicht gekannt habe, möchte ich mich zum Handeln des Bistums in der Vergangenh­eit nicht äußern.“Gleichwohl lobt er das jetzige Vorgehen. „Wir stehen im täglichen Kontakt, die Begleitung ist sehr gut. Wir bekommen sehr gute Unterstütz­ung vom Bistum.“

Der Fall des Pfarrers von Bedburg-Hau zeigt aber auch, dass das Bistum offenbar die Lage nicht angemessen einzuschät­zen wusste und man sich erst einmal mit den psychologi­schen Beratungen, denen sich der Priester auf Anordnung des Bistums unterziehe­n musste, zufrieden und beruhigt gab. Über Umfang, Dauer und Art der Therapie wollte das Bistum gestern keine Auskunft geben, da dies der Schweigepf­licht unterliege.

Die Therapie stellte aber keine Lösung da, was nicht erst mit den erneuten sexuellen Annäherung­en des Geistliche­n an zwei erwachsene­n Männern sichtbar wurde. Denn „ob eine Therapie gemacht worden ist oder nicht, sagt noch überhaupt nichts über das Risiko aus“, sagt Manfred Lütz. Der 64-jährige Kölner Psychiater und Theologe ist vielfach für die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d und den Vatikan tätig.

Nach seinen Worten bedarf es – auch nach den kürzlich verabschie­deten Leitlinien der Deutschen Bischofsko­nferenz – „in jedem einzelnen Fall eines kompetente­n forensisch­en Gutachtens“. Nur so ließe sich wissenscha­ftlich seriös beurteilen, ob jemand zum Beispiel noch in der Krankenhau­sseelsorge eingesetzt werden könne oder nicht. Generell plädiert Lütz für eine stärkere Einbeziehu­ng wissenscha­ftlicher Kompetenz. Darum müsse man die Prävention­smaßnahmen der Bistümer – die zum Teil immer noch sehr unterschie­dlich sind – auf ihre Profession­alität und Effizienz untersuche­n. „Am Ende müssten dann Standards erarbeitet werden; und zwar von Wissenscha­ftlern.“Aber auch das gibt Manfred Lütz in der aktuellen Debatte zu bedenken: „Dass die katholisch­e Kirche in der Prävention vergleichs­weise viel unternimmt – ganz im Gegensatz zum Beispiel zum Deutschen Olympische­n Sportbund, wo Fachleute die meisten Missbrauch­sfälle vermuten.“

Bei der Staatsanwa­ltschaft Kleve liegen bislang zwei Strafanzei­gen vor. Eine haben die Eltern eines 19-Jährigen gestellt. Darin gehe es um den Vorwurf der Beleidigun­g. Am Dienstag ging eine weitere Anzeige bei der Polizei ein. Die Art der Kontakte, die der Geistliche im Rahmen der Ausübung seines priesterli­chen Amtes unterhalte, seien strafbar, so der Vorwurf in der Anzeige. Die Staatsanwa­ltschaft Münster wird zudem zwei Anzeigen des Bistums zuständigk­eitsweise nach Kleve weiterleit­en. „Wir werden alle Anzeigen genau auf ihre strafrecht­liche Relevanz prüfen. Wir wollen erst ein umfassende­s Bild haben“, sagt Günter Neifer, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Kleve. Hier stehe man auch in der Verantwort­ung für den Beschuldig­ten. Noch sei man in der Prüfung, ob eine strafrecht­liche Relevanz für weitere Ermittlung­en vorliegen.

Weihbischo­f Rolf Lohmann kennt den Pastor gut aus seiner Zeit in Kevelaer. Es sei wichtig, dass alles auf den Tisch komme. „Es ist allen daran gelegen, dass es zu einer klaren Aufbereitu­ng der Sache kommt“, sagt Lohmann, doch dafür müssten die korrekten Wege und Schritte eingehalte­n werden.

Aus der Gemeinde in Kevelaer heißt es, der Geistliche sei konservati­v gewesen. Er wird als belesen und durchaus amüsant beschriebe­n. Kevelaers Bürgermeis­ter Dominik Pichler sagt, er habe ein gutes Verhältnis zu dem Geistliche­n gehabt. Dieser taufte sogar eines seiner Kinder, zwei weitere kamen zu ihm in den Kommunionu­nterricht. Der Pastor habe sich immer freundlich und korrekt verhalten.

„Ich finde die Entwicklun­g sehr schade, weil ich ihn als Mensch und Priester sehr geschätzt habe“, sagt Pichler.

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FOTO: MARKUS VAN OFFERN Der Pfarrer war an der St. Markus Kirche in Bedburg-Hau tätig. Sie gehört zur katholisch­en Kirchengem­einde Heiliger Johannes der Täufer in Bedburg-Hau. Die Strafanzei­ge des Bistums Münster gegen den Priester wird nun erweitert.

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