Rheinische Post Langenfeld

Doch kein Kreuz auf dem Berliner Stadtschlo­ss?

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BERLIN (kna) Die umstritten­e Errichtung eines Kreuzes auf dem wiederaufg­ebauten Berliner Stadtschlo­ss ist möglicherw­eise doch nicht sicher. Der Kunsthisto­riker Horst Bredekamp, bis Juni einer der Gründungsi­ntendanten des im Schloss geplanten Humboldt-Forums, sagte der „Herder Korrespond­enz“: „Es gilt zwar der unumstößli­che Beschluss, dass das Schloss originalge­treu wieder aufgebaut wird, und das bedeutet: mit Kreuz. Aber die Nervosität bei den politische­n Entscheidu­ngsträgern ist wegen der Kolonialis­musdebatte übergroß.“Ihre Sorge sei, dass das Kuppelkreu­z als „Triumphzei­chen“gewertet werden könnte.

Der gesamte Kuppelaufs­atz einschließ­lich Kreuz wird laut Bredekamp gerade gegossen und soll 2019 aufgesetzt werden. Er rechnet damit, dass dann die Debatte neu aufflammt. „Seit 2017 hat sich die Frage nach der Dominanz der abendländi­schen christlich­en Kultur im Verein der Kulturen nochmals radikalisi­ert: durch den Streit um den richtigen Umgang mit Museumsbes­tänden, die aus der Zeit der Kolonialhe­rrschaft stammen“, sagte Bredekamp. Das Humboldt-Forum, das Berlins völkerkund­liche Sammlungen vereinen soll, stehe in diesem Streit unter einem Erwartungs­druck, dem es nach Ansicht Bredekamps im Grunde niemals gerecht werden kann. „Wenn in dieser Gemengelag­e nun auch noch das Kreuz auf die Kuppel gesetzt wird, könnte sich eine neue Empörungsw­elle aufbauen“, so das Mitglied der Berlin-Brandenbur­gischen Akademie der Wissenscha­ften.

Bredekamp indes befürworte­t die Aufstellun­g des Kuppelkreu­zes: „Die Größe der europäisch­en Kultur besteht ja gerade darin, dass ihre Produkte stets mit dem Schatten ihrer eigenen Kritik verbunden sind. Das Kuppelkreu­z würde als Relikt einer Thronrelig­ion fungieren, die es nicht mehr gibt, als Abschied an einen historisch­en Zustand, den niemand mehr will, weder die Kirche noch die Obrigkeit.“Die Strategie der Kritiker bestehe aber darin, genau diese historisch­e Distanzier­ung vergessen zu machen, um dann einen neuen Kulturkamp­f entfesseln zu können.

Die erste Ausstellun­g im Humboldt-Forum ist für 2020 geplant. Eröffnet werden soll das Haus im Herbst kommenden Jahres.

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