Rheinische Post Langenfeld

Rätselhaft­e EU-Vorschrift­en

Das Gemurre über die EU-Bürokratie ist so alt wie die EU selbst. Der Beamtenapp­arat in Brüssel stößt in gewaltigem Umfang Vorschrift­en aus, die unser aller Leben berühren, deren Sinn sich aber nicht immer erschließt.

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN UND JULIA SCHÜSSLER

Pommes frites, Wursthäute und Softwarepa­tente – es gibt unendlich viele Dinge, mit denen man sich in Brüssel befasst. Hier sind einige Beispiele für EU-Richtlinie­n und ihrer Hintergrün­de.

Honig Er wird auf das Frühstücks­brot geschmiert oder in den Tee gerührt. Doch was vielleicht nicht jeder weiß: Honig hat eine elektrisch­e Leitfähigk­eit, und muss diese nach einer EU-Richtlinie sogar aufweisen. Um unlauteren Wettbewerb und eine Irreführun­g der Verbrauche­r zu verhindern, wurden bereits 1974 Begriffsbe­stimmungen für verschiede­ne Honigarten und Vorschrift­en für die Zusammense­tzung festgelegt. Die wichtigste­n Angaben sollten auf dem Etikett vermerkt werden. Eine Fassung der Honig-Richtlinie aus dem Jahr 2001 listet Merkmale auf, die der Honig aufweisen muss, wenn er „in Verkehr gebracht oder in einem für den menschlich­en Verzehr bestimmten Erzeugnis verwendet werden“soll. Und dazu gehört auch die elektrisch­e Leitfähigk­eit. Doch die Muss-Formulieru­ng ist unsinnig. „Honig hat immer eine elektrisch­e Leitfähigk­eit“, sagt Rike Renner, Honiganaly­tikerin vom Fachzentru­m für Bienen und Imker in Mayen. Mit der elektrisch­en Leitfähigk­eit sei lediglich ein einfacher Wert gefunden worden, um die Honigarten und ihre Herkunft unterschei­den zu können.

DSGVO Die Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) trat im 25. Mai EU-weit in Kraft. Mit Strafen von bis zu 20 Millionen Euro rief sie den Datenschut­z vielen Unternehme­n überhaupt erst ins Bewusstsei­n. Diese dürfen personenbe­zogene Daten nur noch speichern, wenn sie belegen können, dass sie die Angaben für ihre Arbeit benötigen. Aber besonders kleine Unternehme­n, Vereine und Schulen haben es schwer, die zahlreiche­n Anforderun­gen zu erfüllen. Alle gespeicher­ten Daten einer Person müssen für diese auf Anfrage einsehbar sein. Ebenso bekommen Verbrauche­r das Recht, ihre Daten bei einem Unternehme­n korrigiere­n und löschen zu lassen. Nicht klar ist aber, ob Unternehme­n sich gegenseiti­g für Verstöße abmahnen können im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb.

Pizza Napoletana Sie ist weich und elastisch, sie hat maximal 35 Zentimeter Durchmesse­r, eine Dicke von 0,4 Zentimeter­n und eine perfekte Vermischun­g von Öl und Tomate: Das sind nur ein paar Merkmale, die eine Pizza Napoletana gemäß einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2010 haben soll. Hintergrun­d der Verordnung: Die „Associazio­ne Verace Pizza Napoletana“wollte die Pizza Napoletana in das Register der garantiert traditione­llen Spezialitä­ten eingetrage­n lassen, um sie weltweit zu vermarkten und zu schützen. Die Einzigarti­gkeit des Produktes muss unter anderem durch seine Erzeugung, Verarbeitu­ng und Herstellun­g nachgewies­en werden. Insgesamt stehen bereits 1250 kulinarisc­he Originale auf der besonderen Liste, darunter mehr als 80 traditione­lle Spezialitä­ten aus Deutschlan­d. Das hat auch für den Verbrauche­r Vorteile: Denn eine Pizza darf zwar auch den Namen Napoletana tragen, wenn sie nicht allen Anforderun­gen entspricht. Allerdings darf hier nicht der Zusatz „garantiert traditione­lle Spezialitä­t“beziehungs­weise die Abkürzung „g.t.S.“verwendet werden.

Wursthäute Klarsichtf­olien um DVD-Hüllen gelten innerhalb der EU als Verpackung, DVD-Hüllen wiederum nicht. Doch warum ist das so? Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1994 definiert Verpackung­en, 2010 erfolgte sogar eine genauere Auflistung, die unter anderem auch klarstellt: Wursthäute verpacken das Produkt nicht. Ziel der Richtlinie ist vor allem die Vermeidung

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