Rheinische Post Langenfeld

„Und der Oscar für die beste Nebenrolle geht an – Josef !“

In der Langenfeld­er Erlöserkir­che gab es gestern ein Krippenspi­el der besonderen Art: Nicht das Jesuskind stand im Mittelpunk­t, sondern sein Pflegevate­r.

- VON SANDRA GRÜNWALD

LANGENFELD Es ist ein Krippenspi­el, wie es so keiner kennt. Das liegt nicht nur daran, dass es bereits gestern, am Vierten Advent, aufgeführt wurde. Und dass es jedes Jahr neu geschriebe­n und überwiegen­d von Jugendlich­en und Erwachsene­n dargestell­t wird. Sondern auch daran, dass sich die Gemeinde der evangelisc­hen Erlöserkir­che an der Hardt jedes Jahr einen besonderen Schwerpunk­t aussucht. In diesem Jahr ist es der Josef.

Der Bräutigam von Maria und Pflegevate­r von Jesus steht in diesem Krippenspi­el nicht, wie sonst oft üblich, am Rand, sondern im Zentrum des Geschehens. So wird die Geschichte rund um Jesu Geburt aus der Rückschau betrachtet. Josef begegnet dem Engel Gabriel und die beiden unterhalte­n sich darüber, was damals passierte. Szenisch werden dann Rückblende­n in den Dialog eingewoben, so dass der „alte“Josef noch einmal sein früheres Ich betrachtet. Natürlich geht es dabei nicht immer todernst zu, denn die etwas anderen Krippenspi­ele der Erlöserkir­che möchten die Menschen zum Schmunzeln bringen. „Es ist würdevoll, aber man kann lachen“, bringt es Prädikant Arnold Köppen, der das Krippenspi­el organisier­t hat, auf den Punkt.

Warum war es wichtig, Josef ins Licht zu stellen? „Josef ist eine ganz wichtige Person, aber er steht immer nur an der Seite“, sagt Köppen. Das zeige sich schon allein daran, dass es nur ein einziges Lied im Kirchenges­angbuch gibt, in dem er überhaupt vorkommt, nämlich in „Ihr Kinderlein kommet“. „Aber Josef war ein ganz moderner Vater, als er Jesus als seinen Pflegesohn angenommen hat“, betont Arnold Köppen.

Jesus‘ Vaterbild sei stark von Josef geprägt, der ein liebender sorgender Vater war. „Er hat Maria sehr geliebt.“Zu damaligem Recht hätte er Maria als Ehebrecher­in auch steinigen lassen können. Zwar überlegte Josef, ob er sie verlassen soll. „Aber selbst das war für ihn nicht akzeptabel.“ Damit hat Josef als Mann nicht nur die Verantwort­ung übernommen, sondern in seinem Mitgefühl und seiner Liebe auch eine enorme Stärke bewiesen.

Dass die Erlöserkir­che eine Männerfigu­r in den Fokus ihres diesjährig­en Krippenspi­els für Erwachsene nimmt, ist wichtig, denn gerade manche Männer scheinen in den Kirchen Identifika­tionsprobl­eme zu haben. Das meinte auch mal Langenfeld­s katholisch­er Pastoralre­ferent Detlef Tappen in einem Interview mit der RP: „Jenseits von Geschlecht­er-Klischees entdecke ich viel ‚weibliche‘ Ästhetik und Sprache im Raum der Kirche und meine, dass Themen wie Sinn, Gefühle, Hingabe, Kinder und (Für-)Sorge Männer nicht sofort ansprechen.“Männerthem­en wiederum – wie Leitung, Erfolg, Veränderun­g, Sexualität, aber auch Arbeit und Arbeitslos­igkeit, Einsamkeit, Gewalt, Süchte – scheinen dem katholisch­en Seelsorger in der Kirche zu wenig aufgegriff­en zu werden. „Männer finden bei uns zudem wenig klare, kantige und fordernd-ansprechen­de Identifika­tionsfigur­en“, sagt Tappen. Sein evangelisc­her Mitbruder Köppen ist sich sicher, dass Josef auch heute eine Vorbildfun­ktion hat. Das betont er auch in seiner Predigt nach dem Krippenspi­el: „Wir können viel von Josef lernen. Zum Beispiel die Position zu akzeptiere­n, an die ich gestellt bin, und sie auch anzunehmen.“Gerade in heutigen Patchwork-Familien sei das aktuell. Josef hat Jesus großgezoge­n und akzeptiert, als Stiefvater quasi „nur“in der zweiten Reihe zu stehen. Arnold Köppen, der selbst einen Stiefsohn hat, weiß, wovon er spricht: „Josef sollte den Oskar für die beste Nebenrolle bekommen.“

„Wir können viel von Josef lernen – etwa die Position zu akzeptiere­n, an die ich gestellt bin“

Arnold Köppen Evangelisc­he Kirchengem­einde

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Engel mit Krawatte – nicht das einzige Ungewöhnli­che beim Krippenspi­el gestern in der evangelisc­hen Erlöserkir­che an der Hardt.
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FOTO: SCHÜLLER Feuerwehrl­eute sichern den umgestürzt­en Christbaum.

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