„Feliz Navidad“von Teneriffa
Julia Ratajczak freut sich auf die Weihnachtszeit in ihrer zweiten Heimat. Dann zieht es sie wieder auf die Kanareninsel Teneriffa zu ihrem hispanischen Freund ins Klima menschlicher Wärme und Lebensfreude.
An Weihnachten treffen üblicherweise zwei Traditionen zusammen: Der Tag der Geburt Christi und der Tag des Schenkens, an dem die Menschen seit vielen Jahrhunderten Sankt Nikolaus, dem legendären mildtätigen Bischof von Myra, nacheifern. Während die Advents- und Weihnachtszeit heute oftmals von Kitsch, Konsum und Kommerz überlagert ist, hat Julia Ratajczak die ursprünglichen Werte des Festes für sich entdeckt. Und das über 3200 Kilometer entfernt vom Niederrhein bei gemäßigten Temperaturen und ohne besonders religiös zu sein.
Das kommt einem spanisch vor? Richtig, die 28-Jährige wird auch dieses Weihnachtsfest in San Cristóbal de La Laguna verbringen. Die Bischofsund Universitätsstadt befindet sich im Nordosten Teneriffas, der größten Kanarischen Insel. Die Insel liegt ungefähr 290 Kilometer vor Afrikas Westküste auf Höhe der Grenze zwischen Marokko und der Westsahara. „An Weihnachten sind die Temperaturen an der Küste Teneriffas frühlingshaft“, sagt Ratajczak. „Da La Laguna im Binnenland auf rund 550 Metern Höhe über dem Meeresspiegel liegt, kann es hier aber durchaus usselig sein.“Denn auch der Gebirgszug des Teide, der im Winter in höheren Lagen teilweise verschneit ist, wirkt sich dann meteorologisch auf die ganze Insel aus. „Es muss aber auch nicht zwangsläufig kalt sein oder schneien, um die Behaglichkeit des Weihnachtsfestes zu empfinden, wie wir es aus Deutschland kennen“, erklärt Ratajczak.
Vielmehr weiß sie die Stimmung und Mentalität an diesem Ort besonders zu schätzen. Dörflich, familiär, herzlich und anders als auf dem spanischen Festland ginge es hier zu, so die Spanisch-Studentin. Auf Teneriffa zieren zwar auch ein Weihnachtsbaum und etwas Weihnachtsdekoration die gute Stube. Aber es wird nicht Wert auf einen zeit- oder pünktlichkeitsgetriebenen und gediegenen Heiligabend mit großen Geschenken, dröhnenden Weihnachtsliedern und üppigem Mahl gelegt. Im Gegenteil – bei den weihnachtlichen Fiestas auf Teneriffa geht es genügsam, lässig und unkonventionell zu. Im vergangenen Jahr spielte die Deutsche am Vortag des 24. Dezember mit Freund Diego und einer größeren Gruppe von Freunden und Bekannten noch Paintball. Und zufälligerweise fallen auch die Geburtstage zweier Freunde und Bekannten auf die Weihnachtszeit, sodass sich gemütliche Runden zum Abendessen an den Weihnachtstagen treffen.
Da das eigentliche Hochfest wie in vielen Gegenden der Welt am 25. Dezember und auch noch am 6. Januar – dem hiesigen Tag der Heiligen Drei Könige - gefeiert wird, steht vor allem der erste Weihnachtsfeiertag im Mittelpunkt der Feierlichkeiten der Tinerfeños. Ratajczak berichtet von einem Mittagessen und leckerem Kuchen bei ihrem Vermieter sowie von einem späten Abendessen, bei dem einfache Gerichte wie Rinderbrühe, Kichererbsen in Soße und Schweinfilets gereicht sowie kleine Geschenke ausgetauscht wurden. „Da wird jeder eingeladen, der nicht bei seiner Familie sein kann oder sonst alleine zu Hause ist“, freut sich Ratajczak über diese herzliche Geste, Wenn sie ergänzt, dass sie auf Teneriffa das „schönste Weihnachten überhaupt“erlebt hat, dann ist das nicht gegen ihre alte Heimat gerichtet, sondern Ausdruck der Freude über diese Herzlichkeit, Gastfreundlichkeit und Gruppendynamik.
So hat die Deutsche mit ihrem argentinischen Freund, der in San Cristóbal de La Laguna ebenfalls seine neue Heimat gefunden hat, und anderen Menschen aus Spanien, den USA und Kanada fröhlich zusammen gefeiert.
Die sprach- und namensbezogene Pointe der Geschichte ist, dass Julia Ratajczak nach ihrem Abitur für ein halbes Jahr in die USA nach San Diego gegangen ist, um dort ihr Englisch im Gespräch mit den „Native Speakern“, den Muttersprachlern, zu optimieren und Anglistik/Amerikanistik gepaart mit Philosophie zu studieren. Da die kalifornische Millionenstadt nahe der Grenze zu Mexiko liegt, hatte sie hier auch schnell Kontakt zu hispanischen Kommilitonen. Deren Fröhlichkeit, Temperament und Sprachklang gefielen Ratajczak so gut, dass sie auch diese Sprachpraxis vertiefen wollte und dadurch auf Teneriffa gelandet war. Das fiel ihr nach eigenen Worten wegen ihrer Lateinkenntnisse und der offenen Art der Menschen überhaupt nicht schwer. Nun ist sie bereits auf dem Weg zu den Kanaren und wünscht den Menschen in ihrer deutschen Heimat „Feliz Navidad“– schöne Weihnachten!