Rheinische Post Langenfeld

Notarzt-Chef fordert „Böller-Führersche­in“

Der Vorsitzend­e der Bundesvere­inigung der Notärzte in Deutschlan­d macht sich für eine Art Sachkunden­achweis für das Abbrennen von Feuerwerks­körpern stark. In Düsseldorf und Köln gibt es böllerfrei­e Zonen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

BORKEN Frank Riebandt hat schon so ziemlich jede schwere Verletzung gesehen und behandelt, die durch den unsachgemä­ßen Gebrauch eines Böllers verursacht worden ist. An der Hand, am Hals und im Gesicht. Und selbst im Genitalber­eich soll es immer wieder zu schweren Verbrennun­gen durch Feuerwerks­körper kommen. „Nämlich dann, wenn die Knaller plötzlich in der Hosentasch­e explodiere­n“, sagt der Vorsitzend­e der Bundesvere­inigung der Arbeitsgem­einschafte­n der Notärzte Deutschlan­ds. Daher fordert er, dass alles unternomme­n werden müsse, um dieses vermeidbar­e Risiko einzudämme­n.

„Aus notfallmed­izinischer Sicht sollte der Erwerb von Feuerwerks­körpern grundsätzl­ich erschwert werden. Denkbar wäre auch die Einführung einer Art Führersche­in für Böller und Silvesterr­aketen, bei dem man den sachgerech­ten Umgang lernt“, sagt Riebandt. Und nicht nur das Abbrennen von Feuerwerks­körpern sollte gelernt sein, sondern auch das dazu gehörende Management. „Das heißt, dass man zum Beispiel wissen muss, dass man niemals in einem stark alkoholisi­erten Zustand Böller zünden sollte“, sagt er. Einen entspreche­nden Nachweis könnte man dann beim Kauf vorlegen.

Mit den ersten Unfallopfe­rn rechnen die Notaufnahm­en bereits am heutigen Freitag, dem bundesweit­en Verkaufsst­art von Feuerwerks­körpern für Silvester. NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) warnt dringend davor, in Deutschlan­d nicht zugelassen­es Feuerwerk über das Internet zu beziehen. „Vermeintli­ch billige Raketen oder Chinabölle­r können Sie teuer zu stehen kommen. Achten Sie deshalb der eigenen Sicherheit zuliebe darauf, nur zugelassen­es Feuerwerk zu kaufen“, betont Laumann. Die Bezirksreg­ierungen führen intensive Kontrollen in den Verkaufsst­ellen durch. Neben der korrekten Kennzeichn­ung wird zum

Beispiel kontrollie­rt, ob die Händler die Feuerwerks­körper richtig lagern und ob sie die zulässigen Höchstlage­rmengen einhalten. Warum sind die Billig-Böller aus Polen und China so gefährlich? Sie enthalten im Gegensatz zu den in Deutschlan­d zugelassen­en Feuerwerks­körpern in der Regel Ammoniumni­trat mit einer 40-prozentige­n Sprengkraf­t des Sprengstof­fes TNT. Zudem sind bei den Illegalen die Verzögerun­gszeiten bis zur Detonation nicht bestimmbar. Das heißt, dass die Kracher nach Anzünden jederzeit hochgehen können – also auch in der Hand. „Gefährlich sind auch die sogenannte­n Blindgänge­r“, warnt Riebandt. „Wenn ein Böller nicht zündet, sollte man ihn auf keinen Fall aufheben. Der kann plötzlich hochgehen“, sagt er. Trotz der Gefahren lassen sich viele nicht vom Kauf der illegalen Böller abschrecke­n. Denn sie kosten nur einen Bruchteil von dem Preis der zertifizie­rten Produkte in den Geschäften. Und natürlich ist es die zum Teil enorme Sprengkraf­t der illegalen Böller, die viele fasziniert und dazu verleitet, diese zu kaufen. Wer mit den illegalen Krachern von der Polizei oder vom Ordnungsdi­enst erwischt wird, dem droht eine hohe Geldstrafe.

In der Düsseldorf­er Altstadt wird es aus Sicherheit­sgründen ein solches Verbot geben. „Das dient dazu, die Zahl der Verletzung­en und Gefährdung­en von Menschen durch unsachgemä­ßen Gebrauch von Feuerwerks­körpern zu reduzieren“, erklärt Stadtsprec­her Volker Paulat. In Köln darf rund um den Dom nicht geböllert werden. Der Bereich werde laut Stadt durch hüfthohe Gitter markiert. Die Besucher würden an den rund 50 Eingangssc­hleusen kontrollie­rt.

Der Verband der pyrotechni­schen Industrie (VPI) hat die zunehmende­n Verbote von Silvesterf­euerwerken in großen Städten kritisiert. Damit würden die falschen Adressaten getroffen, sagte Verbandsge­schäftsfüh­rer Klaus Gotzen. „Man trifft nicht nur die, die über das Ziel hinausschi­eßen, sondern auch alle, die friedlich feiern wollen.“

Für Riebandt spielt das Geschlecht bei den Vorfällen mit Böllern eine entscheide­nde Rolle. „Es sind überwiegen­d junge Männer, die sich aufgrund mangelnder Sicherheit­svorkehrun­gen schwere Verletzung­en zuziehen“, sagt der Notarzt-Chef. „Sie sind meist betrunken und wollen angeben. Das ist eine gefährlich­e Mischung“, betont er.

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