Rheinische Post Langenfeld

Ein Stück Kernseife

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Ich bin ein Kind des Ruhrgebiet­es, geboren 1950 in Gelsenkirc­hen-Heßler. Die ersten 26 Jahre habe ich im Dunstkreis von Altenessen gelebt. Zechen wie Emil Emscher, Fritz, Helene und Karl samt ihren Kokereien waren prägend für unseren Stadtteil. Meine Großväter waren beide im Bergbau beschäftig­t. Der eine als Maschinens­chlosser, der andere als Zechendire­ktor.

Meine erste direkte Berührung mit dem Steinkohle­bergbau hatte ich als Schüler der Unterprima. In den drei Wochen Osterferie­n arbeitete ich auf der Zeche/Kokerei Emil-Emscher in der Frühschich­t sechs bis 14 Uhr. Wir Aushilfskr­äfte mussten pünktlich um sechs Uhr am Eingang in voller Arbeitskle­idung die Stechuhr bedienen.

Das hieß sehr frühzeitig mit dem Fahrrad von Hause aus zur Zeche. In der Weißkaue die Straßenkle­idung ausziehen, am Haken nach oben ziehen, durch die Waschkaue in die Schwarzkau­e, um dort die Arbeitskle­idung vom Haken zu holen. Untertage durften wir natürlich nicht arbeiten. Wir wurden zum Beispiel zur Innenreini­gung des Gaskessels und zur Arbeit auf der Kokerei, etwa zum Auskleiden der Koksbatter­ien mit Schamottst­einen eingesetzt. Die Arbeit auf dem Dach der Kokerei war natürlich sehr schmutzig. Wenn die Koksbatter­ien gefüllt wurden, gab es häufig große Rußwolken, die uns von oben bis unten schwarz machten.

Nach Schichtend­e versuchten wir, uns mit den Kumpeln von Untertage in der Waschkaue zu säubern. Da gab es natürlich nur eine Stück Kernseife. Traditione­ll stellten wir uns hintereina­nder in einen Kreis, um dem Vordermann den Rücken zu waschen. Nur für die Augenparti­e gab es eine Spezialcre­me.

Dabei erinnere ich mich an einen Kumpel, der vor dem Spiegel stand und sagte: „Ich steh hier und versuche mich das Schwatte aus den Augen zu kriegen, und meine Olle steht jetzt zu Hause vorm Spiegel und versucht, sich das Schwatte inne Augen zu kriegen. Datt versteh, wer will; aber schön isset doch.

Meine Mitschüler vom Leibniz-Gymnasium in Altenessen werden im Frühjahr 2019 den 50. Jahrestag unseres Abiturs feiern. Natürlich im Hotel Mitten im Pott in Bottrop. Besitzer ist die Familie Lippens. Willi Lippens war damals unser Held bei Rot-Weiß Essen.

Ulrich Seibring, Krefeld

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