Rheinische Post Langenfeld

Film-Botschaft aus Teheran

„Drei Gesichter“: Jafar Panahi hat wieder einen Film über das Leben in Iran gedreht.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Vor acht Jahren hat das Regime in Teheran Jafar Panahi mit einem 20-jährigen Berufsverb­ot belegt. Seitdem hat der umtriebige Regisseur auf klandestin­e Weise vier Filme gedreht, die im Ausland gezeigt und gefeiert wurden. Wie Panahi das immer wieder gelingt, bleibt ein sorgfältig gehütetes Geheimnis. Fest steht jedoch, dass er die eigene Ausgrenzun­g zum Stilmittel gemacht hat. Die ersten beiden Werke „This Is Not a Film“und „Closed Curtain“setzten sich im beengten Raum mit der eigenen Situation eines Künstlers unter Hausarrest auseinande­r.

Mit „Taxi Teheran“, der 2016 mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeich­net wurde, öffnete Panahi den Horizont, montierte die Kamera auf das Armaturenb­rett eines Taxis und nahm mit den Fahrgästen auch deren Lebensgesc­hichten im repressive­n Gottesstaa­t auf. Abermals ist in seinem neuen Film „Drei Gesichter“das Auto ein zentraler Handlungso­rt und die Mobilität ein augenzwink­ernder Protest gegen den verordnete­n Stillstand, den es zu unterwande­rn gilt.

Am Anfang steht ein Smartphone-Video, das im senkrechte­n Selfie-Format über die Leinwand flimmert. Die junge Marziyeh (Marziyeh Rezaei), die hier ihr Bekenntnis ablegt, ist verzweifel­t. Ihr sehnlichst­er Wunsch ist es, Schauspiel­erin zu werden. Aber die Eltern in der dörflichen Provinz sind dagegen und haben sie in eine Heirat hineingezw­ungen. Das Video endet in einer Höhle, wo das Mädchen seinen Selbstmord ankündigt, sich eine Schlinge um den Hals legt und die Smartphone-Kamera mit einem Ruck zu Boden fällt. Die Videobotsc­haft ist an die Schauspiel­erin Behnaz Jafari gerichtet, die schockiert ihre Dreharbeit­en abgebroche­n hat und nun zusammen mit Jafar Panahi in die entlegene, türkischsp­rachige Bergregion aufbricht, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Es bestehen Zweifel an der Authentizi­tät des Selbstmord­videos, das auf ungeklärte Weise an die Schauspiel­erin weitergele­itet wurde. Im Dorf wird die Filmpromin­enz aus dem fernen Teheran herzlich empfangen, aber über den Verbleib des Mädchens scheint selbst deren Mutter nichts zu wissen. Am Rand des Ortes lebt Shahrzad, die in vorrevolut­ionären Zeiten ein bekannter Star war, sich aber vom Filmgeschä­ft zurückgezo­gen hat. Nur Behnaz bekommt Einlass in ihr Haus, während Jafar und mit ihm auch die Kamera draußen bleiben müssen.

Gezielt spielt Panahi in „Drei Gesichter“mit Erwartungs­haltungen und Erzählkonv­entionen. Einen sorgfältig aufgebaute­n Spannungsb­ogen lässt er innerhalb weniger Filmsekund­en in sich zusammensi­nken, um als mäandernde­r Gast durch die dörflichen Strukturen zu wandern. Halbmythis­chen Szenen werden immer wieder mit einem humorvolle­n Blick in die Realität zurückgeho­lt, genauso wie in das Bild der vermeintli­ch zurückgebl­iebenen Bergbevölk­erung stets Risse hinein getrieben werden.

Auch wenn man von den drei Gesichtern des Titels eigentlich nur zwei zu sehen bekommt, verbinden sich die drei Frauenschi­cksale dahinter zu einem Gesamtbild, in dem die diskrimini­erende Struktur der iranischen Gesellscha­ft differenzi­ert herausgear­beitet wird.

Drei Gesichter, Iran 2018 – Regie: Jafar Panahi, mit Behnaz Jafari, Jafar Panahi, Marziyeh Rezaei, 100 Min., FSK ab 12

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FOTO: DPA Jafar Panahi in einer Szene des Films „Drei Gesichter“.

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