Rheinische Post Langenfeld

Die Rasur mit dem Messer – ein Erlebnis

- VON RALF GERAEDTS

KREIS METTMANN Mehrfach vor dieser Rasur-Premiere hatte ich Bilder von Kindergebu­rtstags-Wettbewerb­en vor Augen: Da wurden pralle Luftballon­s eingeseift und mussten möglichst ohne Totalschad­en „rasiert“werden. Andere Kinder waren da immer geschickte­r als ich. Und als dann der erste Rasur-Versuch mit Vaters Rasierscha­um am eigenen Kinn mehrere Pflaster nach sich zog, war bald ein Elektro-Rasierer angeschaff­t. 2003 kam dann ein Barttrimme­r ins Haus, der zugleich für das immer übersichtl­icher werdende Haupthaar eingesetzt werden konnte. Und jetzt also mein erstes Mal – beim Barbier.

Ammo Rizgar stellt klar: Ein Barbier kümmere sich nur um Bärte; er aber sei „Hairstylis­t“. Der Endzwanzig­er hat Anfang 2018 einen eigenen Salon in Haan eröffnet – „Die Schöne und das Biest“an der Kaiserstra­ße 24. Mit gutem Auge, ruhiger Hand und zwölfjähri­ger Berufserfa­hrung wolle er aus Kundinnen die Schönheit herausarbe­iten, bei seinen Kunden indes das Biest. Gut – mir geht’s dann doch einzig um das völlig neue Rasier-Erlebnis. Der schwarze Frisierstu­hl wird vor dem Spiegel zurechtges­tellt, die Nackenstüt­ze so eingestell­t, dass der Haar-Handwerker jede Partie gut erreichen kann. Als erstes ist die Frage zur Bartlänge zu klären. Zwei Millimeter – die Rasur soll sich ja lohnen. Rizgar greift zum akkugetrie­benen Bartschnei­der und trimmt die grauen Haare akkurat. Ganz nebenbei stellt er die Frage, ob ich schon mal heiße Ohren gehabt habe. Bisher nicht, sage ich und denke an das Gefühl nach der Rückkehr vom Spaziergan­g durch frostige Kälte. Oder, wenn die Eltern mich früher nach einem Schabernac­k ertappt hatten. Der Hairstylis­t meint aber das schonende Absengen von Flaum. Aber das wird mir erst klar, als ich im Spiegel neben meinem Kopf ein großes Wattestäbc­hen mit einer leicht züngelnden Äthanol-Flamme sehe. Es wird kurz ein wenig wärmer, es riecht nach verbrannte­m Haar. Der Friseur tupft die Ohrmuschel ab.

Inzwischen hat Ammo Rizgar ein Handtuch um meinen Hals und die Schultern gelegt. Papiertüch­er ergänzen den neuen Kragen. Das Auftragen des warmen Rasierscha­ums ist sehr angenehm. Dann greift Rizgar zum Rasiermess­er, dessen Klinge nach jeder Rasur gewechselt wird. Jetzt werden die Konturen auf den Wangen und unterm Kinn sorgfältig ausgearbei­tet. Ein heißes Handtuch sorgt für Entspannun­g. Eine leichte Massage tut ein Übriges. Schließlic­h kommt die Rasiercrem­e zum Einsatz. Ein kurzes Brennen, dann beruhigt die Feuchtigke­it die Haut.

Aus dem Spiegel schaut mir ein ganz anderes Gesicht entgegen als morgens im heimischen Badezimmer. So konturensc­harf war der seit gut 15 Jahren sprießende Bart noch nie. Und die Haut ist so glatt wie zuletzt wohl in der Grundschul­zeit. Fazit dieser knappen halben Stunde: Bart und Gesichtsha­ut fühlen sich einfach gut an. Meine erste Rasur mit dem Messer war ein Erlebnis. Ein schönes.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Ammo Rizgar bring den eingeseift­en Bart von RP-Redakteur Ralf Geraedts unter Einsatz des scharfen Rasiermess­ers in Form.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Ammo Rizgar bring den eingeseift­en Bart von RP-Redakteur Ralf Geraedts unter Einsatz des scharfen Rasiermess­ers in Form.

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