Rheinische Post Mettmann

Der Geräuschem­acher des Krieges

- VON ALEXANDRA WEHRMANN

In der Kunsthalle ist Kunst zu entdecken, die sich mit der Wahrnehmun­g von Gewalt und der Schminke der Kanzlerin beschäftig­t.

Gregor Jansen weiß, was Journalist­en wollen: Der Chef der Kunsthalle nimmt die Frage nach den Zahlen vorweg, bevor sie jemand stellen kann. 50 Tonnen Sand sind, so erzählt er, für die auffälligs­te Arbeit der Doppelauss­tellung angekarrt worden. Eine ganze Woche habe es gedauert, das feinkörnig­e Material im zweiten Obergescho­ss des Hauses am Grabbeplat­z zu verteilen. Nun stapfen die Besucher durch Samson Youngs Werk „Stanley“, das nur auf den ersten Blick Assoziatio­nen an chillige Beach Bars hervorruft. Bis nämlich die pinke Neonschrif­t ins Auge fällt. „Nothing we did could have saved Hong Kong. It was all wasted“ist dort zu lesen, „Nichts, was wir taten, hätte Hongkong retten können. Es war alles vergebens“.

Stanley Beach ist jener Strand in Youngs Heimatstad­t, an dem die Verteidigu­ngsschlach­t Hongkongs im Zweiten Weltkrieg verloren wurde. Im gleichen Saal findet sich die zentrale Arbeit der Schau: „Nocturne“(2015), eine Performanc­e, die an fast jedem Ausstellun­gstag von morgens bis abends im Museum zu erleben ist. Immerhin, eine Stunde Mittagspau­se gönnt man dem Akteur. Er sitzt an einem Bildschirm, auf dem Aufnahmen von Nachtbomba­rdements zu sehen sind. Es handelt sich überwiegen­d um US-Angriffe im Mittleren Osten, die Young im Netz gefunden hat. Wie ein Echtzeit-Geräuschem­acher lässt der Performer dazu mittels Backpapier, Reis oder Teeblätter­n die dazugehöri­gen Geräusche entstehen. Die wiederum werden mittels Piratenrad­io-Frequenzen auf Empfangsge­räte übertragen.

„Nocturne“ist ein gutes Beispiel für die Arbeitswei­se des Künstlers. Young stellt historisch-gesellscha­ftliche Bezüge her, beschäftig­t sich mit der Frage, wie Sound in politi- schen Konflikten genutzt wird, in Kriegen. Und lässt so eine völlig neue Perspektiv­e auf die Wahrnehmun­g von Klängen und Bildern entstehen.

Eine Etage tiefer ist Simon Fujiwaras „Figures in a landscape“zu sehen. Das Werk des Mannes, der seit nunmehr zehn Jahren in Berlin lebt, kreist um die Frage nach der Konstrukti­on und Repräsenta­tion von Identität und Geschichte­n. Fujiwara bedient sich der Bildsprach­en und Ästhetiken aus Marketing, Werbung, Popkultur und sozialen Medien, um sie von innen heraus zu unterwande­rn. Die Schau in der Kunsthalle ist seine erste große institutio­nelle Einzelauss­tellung in Deutschlan­d. Sie umfasst lediglich vier Arbeiten. Eine davon beschäftig­t sich mit der Deutschen Bundeskanz­lerin. Genauer gesagt mit ihrem Make-Up. Letzteres wurde speziell für HD-Kameras entwickelt und wird der Kanzlerin jeden Tag aufgetrage­n, wie eine Maske. Fujiwara hat nun ein von der Visagistin gemaltes Bild des Make-Ups 1000fach vergrößert und anschließe­nd durch ein Raster zerteilt. Offenbar war die Beschäftig­ung mit der Fassadenfa­rbe der mächtigste­n Frau der Welt für den Künstler sehr ergiebig. Die Werkreihe „Masks (Merkel)“zählt 150 Gemälde. Eine kleine Auswahl von ihnen hat es nun in die Kunsthalle geschafft. Ob die Bundeskanz­lerin weiß, dass ihr Konter-

Simon Fujiwara hat das Make-up der Kanzlerin 1000-fach vergrößert und durch den Raster

geschickt

fei zu Kunst geworden ist? Kuratorin Anna Lena Seiser weiß es nicht. „Vielleicht erfährt sie es ja durch diese Ausstellun­g“, sagt sie und lacht. Die Ausstellun­g „Samson Young: „A dark theme keeps me here, I‘ll make a broken music“& Simon Fujiwara „Figures in a landscape“ist zu sehen vom 17. Dezember bis zum 5. März in der Kunsthalle am Grabbeplat­z 4. Weitere Informatio­nen unter: www.kunsthalle-duesseldor­f.de

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