Rheinische Post Mettmann

Weihnachts­märkte als Terrorziel

- VON MATTHIAS BEERMANN

Viele Menschen und christlich­e Symbolik – das bestimmt die Wahl der Täter.

DÜSSELDORF Ihr Anschlag hätte aller Wahrschein­lichkeit nach ein Blutbad ausgelöst: Im Dezember 2000 wollten vier algerische Islamisten eine aus einem Dampfkocht­opf gebastelte Bombe auf dem Straßburge­r Weihnachts­markt zünden. Ziel des geplanten Anschlags seien christlich­e Symbole wie das Straßburge­r Münster und der Weihnachts­markt gewesen, stellte das Frankfurte­r Oberlandes­gericht fest, dass die Täter drei Jahre später zu hohen Haftstrafe­n verurteilt­e. Gut besuchte Weihnachts­märkte mit ihrem religiösen Hintergrun­d und vielen potenziell­en Opfern gelten spätestens seit damals als bevorzugte Ziele für muslimisch­en Terror.

Die Algerier waren Ende 2000 nach Hinweisen eines ausländisc­hen Geheimdien­stes in Frankfurt festgenomm­en worden. Bei der Durchsuchu­ng ihrer Wohnung waren Zünder und große Mengen an Chemikalie­n gefunden worden, die zur Herstellun­g von sechs Kilogramm Sprengstof­f ausgereich­t hätten. Außerdem hatten die Männer in Pakistan einen Dampfkocht­opf aus Aluminium bestellt, der bei seiner Explosion in kleinste Teile zersplitte­rt wäre. Experten schätzten damals, dass es wohl Dutzende Tote gegeben hätte. Die Bombe wollten die Täter über Funk zünden.

Der gerade noch vereitelte Anschlag hat dazu geführt, dass der Straßburge­r Weihnachts­markt mit seinen jährlich rund zwei Millionen Besuchern heute als der am besten gesicherte der Welt gilt. Angesichts der derzeit höchsten Terrorwarn­stufe in Frankreich und der Erfahrunge­n mit dem Anschlag auf eine Strandprom­enade in Nizza am 14. Juli durch einen Attentäter am Steuer eines Sattelschl­eppers wurden die Vorkehrung­en zuletzt sogar noch einmal verstärkt. Rund 160 Polizisten bewaffnete Soldaten werden bis 24. Dezember durch die Innenstadt patrouilli­eren. Zusätzlich sind noch einmal fast genauso viele private Sicherheit­sleute im Einsatz. Die Stadt hat zudem im Gleisbett der Straßenbah­n Pflasterst­eine entfernen lassen. Die so entstanden­en Gräben sollen verhindern, dass ein Fahrzeug ungehinder­t in eine Menschenme­nge fahren kann. Die Zugänge zur Altstadt sind mit Betonblöck­en versperrt.

Im Dezember 2014 hatte ein Mann seinen Lieferwage­n in den Weihnachts­markt im westfranzö­sischen Nantes gelenkt, einen Besucher getötet und mehrere verletzt. Es gab keinen islamistis­chen Hintergrun­d, der Täter war betrunken und hatte psychische Probleme. Aber seither gilt dieser Typ des Anschlags als Alptraum der Behörden.

Ende November hatte die französisc­he Polizei in Straßburg und Marseille sieben Terrorverd­ächtige festgenomm­en, die nach Einschätzu­ng der Fahnder kurz vor der Verübung eines Anschlags standen. Wo und wie genau die aus aus Frankreich, Marokko und Afghanista­n stammenden Männer im Alter zwischen 29 und 37 Jahren zuschlagen wollten, präzisiert­en die Behörden aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht. Aber der Weihnachts­markt in Straßburg galt erneut als eines ihrer bevorzugte­n Ziele.

Am Tag nach der Festnahme der mutmaßlich­en Dschihadis­ten gab die US-Regierung eine Reisewarnu­ng für Europa heraus. Es bestehe „in ganz Europa eine erhöhte Gefahr von Terroransc­hlägen“, erklärte das US-Außenminis­terium. USBürger sollten besondere Vorsicht walten lassen; besonders in der Weihnachts­zeit sei die Gefahr von Anschlägen durch Extremiste­ngruppen oder Einzeltäte­r groß. Im Fadenkreuz der Terroriste­n stünden wohl insbesonde­re die gut besuchten Weihnachts­märkte, erläuterte das State Department.

Das Profil der möglichen Täter wie auch ihre Vorgehensw­eise lässt sich dabei nur sehr schwer ausrechnen. Das zeigt auch der bis jetzt rätselhaft­e Fall eines Zwölfjähri­gen, der Ende November zunächst vergeblich versucht haben soll, mit einer selbstgeba­uten Bombe einen Anschlag auf den Weihnachts­markt in Ludwigshaf­en zu verüben, bevor er es wenige Tage später noch einmal versuchte – ebenfalls ohne Erfolg. Der deutsch-irakische Junge soll Kontakt zu radikalen Islamisten gehabt haben. Die dürften ihm ihr bevorzugte­s Anschlagzi­el genannt haben – einen Weihnachts­markt.

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