Rheinische Post Mettmann

MICHAEL PROTHMANN „Das Sterben des Großhandel­s hat begonnen“

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Der Start des Online-Shops für Geschäftsk­unden von Amazon wird den Markt radikal verändern, glaubt der Chef der Digitalber­atung iConsultan­ts.

Vor wenigen Tagen hat Amazon den Start eines Portals für Geschäftsk­unden bekannt gegeben. Werden künftig auch der Friseur-Salon und die Döner-Bude bei Amazon bestellen? PROTHMANN Vielfach tun sie das ja schon – nur, ohne die Vorteile von Geschäftsk­unden nutzen zu können, also zum Beispiel Mengenraba­tte oder dem Kauf auf Rechnung. Ein Großteil der Geschäftsk­unden kauft aber weiterhin beim Großhandel. Warum sollte sich das ändern? PROTHMANN Früher sind die Leute auch in den Buchladen gegangen. Heute kaufen sie bei Amazon, weil es bequemer ist. Und wenn Geschäfts- kunden ihre Einkäufe künftig vom Sofa aus erledigen können, werden auch sie das machen – speziell kleinere Firmen. Im Zweifel finden sie bei Amazon mehr und günstigere Produkte. Was heißt das für den Großhandel? PROTHMANN Amazon Business wird den Markt radikal verändern. Viele Großhändle­r haben die Veränderun­g durch die Digitalisi­erung verschlafe­n und müssen sich neu erfinden, dem Kunden deutlich mehr bieten. Ich bin davon überzeugt: Das Sterben des Großhandel­s hat jetzt begonnen – denn speziell für viele Hersteller ist Amazon Business ein Segen. Was stört die Hersteller denn am Großhandel? PROTHMANN Die Strukturen sind einfach sehr verkrustet. Aktuell läuft in Deutschlan­d noch alles über den Großhandel, der eine riesige Macht aufgebaut hat. Die Hersteller haben im B2B-Bereich, also dem Geschäft mit Geschäftsk­unden, keine Macht über den Kunden. Wer etwas kaufen will, muss über den Großhandel gehen. Der hält die Hand auf und kassiert die Margen – und der Hersteller geht leer aus. Viele große Hersteller wollen deshalb lieber direkt mit den Kunden Geschäfte machen, scheuen bislang aber den Konflikt mit dem Großhandel, weil ihr Geschäft ex- trem abhängig von diesem ist. Mit Amazon erweitert sich die Handelslan­dschaft – und damit der Handlungss­pielraum für die Händler. Ist Amazon nicht einfach nur eine Art digitaler Großhändle­r? PROTHMANN Nein, das kann man nicht vergleiche­n. Amazon hat eine andere Philosophi­e als die klassische­n Großhändle­r. Man sieht die Hersteller eher als Partner. Über Amazon können sie ihre Waren selbst einstellen und vermarkten und bekommen zudem noch Zugriff auf die Kundendate­n. Amazon übernimmt dann, wie beim Geschäft mit den normalen Endkunden, die Ab- wicklung und den Service. Die letzte Meile zum Kunden will Amazon weiterhin kontrollie­ren. In der Vergangenh­eit fühlten sich einige Händler ausgenutzt, weil Amazon genau beobachtet haben soll, wie erfolgreic­h sie Produkte über die Seite an Konsumente­n verkaufen – und die Artikel dann einfach selbst ins Sortimenta­ufgenommen­habensoll,wenn es sich lohnt. Die Händler hatten anfangs das Risiko und guckten am Ende in die Röhre. Das klingt nicht nach toller Partnersch­aft. PROTHMANN Natürlich ist es ein Risiko, das gesamte Know-how Amazon zu überlassen – allerdings nur für Händler und Hersteller ohne echtes Alleinstel­lungsmerkm­al. Für alle anderen überwiegen die Chancen. Das größte Risiko sehe ich für den Großhandel. Wenn der sich nicht wandelt, auch bezüglich Service und Transparen­z, wird er digital nicht mithalten können.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE FLORIAN RINKE.

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