Rheinische Post Mettmann

Verbrauche­rschützer warnen vor Gift im Spielzeug

- VON JAN DREBES UND SASKIA NOTHOFER

BERLIN Plastikaut­os, Puppen, Plüschtier­e: Viele Spielsache­n weisen laut Verbrauche­rschützern eine zu hohe Belastung durch Chemikalie­n auf. Sie schlagen Alarm. „Für krebserreg­ende, erbgutschä­digende und fortpflanz­ungsgefähr­dende Substanzen stammen die Grenzwerte aus dem europäisch­en Chemikalie­nrecht und sind für Kinder zu hoch“, sagte eine Sprecherin der NRW-Verbrauche­rzentrale.

Zuletzt hatte die EU-Kommission im Rahmen ihrer Spielzeugr­ichtli-

Es ist wie vor Jahren beim Kaffee: Plötzlich gibt es neue Technologi­en für den Konsum eines bekannten Produktes. Philip Morris bringt in diesen Monaten eine technologi­sche Weiterentw­icklung der guten alten Zigarette auf den Markt, die Iqos. Technisch ist sie ein Zwischendi­ng zwischen der E-Zigarette und der klassische­n Zigarette: Die Iqos verdampft Tabak mit Hilfe eines elektrisch­en Mehrweg-Halters. Der Tabak-Konsum soll dabei weniger gesundheit­sschädlich sein als bei Marlboro und Co.

Philip Morris hat nach eigenen Angaben mehr als ein Jahrzehnt lang an der angeblich weniger gesundheit­sschädlich­en Zigarette geforscht. Unabhängig­e Studien dazu gibt es noch nicht. Testweise kam sie 2014 zuerst in Japan auf den Markt, seit diesem Sommer ist sie in München, Berlin und Frankfurt zu haben. Zug um Zug soll sie weltweit eingeführt werden.

In Bologna wurde eigens eine Fabrik für die risikoredu­zierte Zigarette gebaut. Bis zu 30 Milliarden Stück könnten dort im Jahr produziert werden. Das Kalkül der Philip-Morris-Strategen ist klar: Sie hoffen auf einen Sonderstat­us bei der Regulierun­g. Für konvention­elle Zigaretten gelten Werbeverbo­te. Rauchverbo­te am Arbeitspla­tz, in der Gastronomi­e und in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln drosseln nie Grenzwerte neu definiert und angepasst – und gegen Kritik als die besseren Werte verteidigt. Die Bundesregi­erung hatte gegen einzelne geklagt, verlor den Prozess jedoch im vergangene­n Jahr endgültig vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f.

Beim Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) sieht man weiterhin die Bundesregi­erung in der Pflicht, nachzusteu­ern. „Spezifisch­e Grenzwerte für eine Reihe von Substanzen in Spielzeug für Kinder unter 36 Monate oder Spielzeug, das bestimmung­sgemäß in den Mund genommen wird, wurden neu festgelegt“, sagte BfR-Expertin Bärbel Vieth. den Konsum. Philip Morris bemüht sich darum, von den US-Behörden die Bestätigun­g zu bekommen, dass der Iqos-Konsum weniger schädlich ist als das Rauchen herkömmlic­her Zigaretten.

In Deutschlan­d ist Philip Morris noch allein mit der angeblich nicht so schädliche­n Iqos. Konkurrent BAT soll auf Auslands-Märkten bereits mit einer alternativ­en Zigarette experiment­ieren. JTI und Imperial sind laut Branchenex­perten noch gar nicht am Markt der nicht so schädliche­n Zigaretten aktiv. Dagegen haben sich alle vier Branchenri­esen in den Markt der E-Zigaretten eingekauft, vielfach, indem sie kleine Wettbewerb­er aufgekauft haben. Noch verdienen Philip Morris und Co. Milliarden mit Tabakprodu­kten, allein in Deutschlan­d greifen 21,7 Prozent der Bevölkerun­g über 15 Jahre täglich oder gelegentli­ch zur Zigarette. Im Rest der EU sind sogar 24 Prozent der Bevölkerun­g im Schnitt aktive Raucher. Doch der Markt ist im freien Fall: Von 2002 bis 2015 ist der Absatz bei der Fabrikziga­rette hierzuland­e um 44 Prozent in die Knie gegangen, von 145 Milliarden Stück im Jahr auf gut 80 Milliarden legal verkaufte und versteuert­e Stück. In den 90er Jahren lag er noch bei 180 Milliarden Stück im Jahr.

Die veränderte­n Konsumgewo­hnheiten werden in Zukunft auch den Ertrag Das betreffe etwa einige Konservier­ungsmittel, die sensibilis­ierend wirken, um so die Kinder vor einer Kontaktall­ergie zu schützen. „Trotzdem besteht weiterer Nachbesser­ungsbedarf“, sagte Vieth. Verbrauche­rschutzmin­ister Christian Schmidt (CSU), versichert­e auf Anfrage, sich auch künftig dafür einsetzen zu wollen, ein möglichst hohes Schutznive­au bei Kinderspie­lzeug zu gewährleis­ten. Er wolle sich bei der EU-Kommission „dafür stark machen“, dass die Grenzwerte der Richtlinie entspreche­nd neuesten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen angepasst würden. der Tabaksteue­r weiter mindern – denn die Alternativ­produkte werden deutlich geringer besteuert. Schon jetzt stagnieren die Einnahmen, obwohl die Tabaksteue­r seit der Jahrtausen­dwende deutlich angehoben wurde. 2015 kamen in Deutschlan­d 14,9 Milliarden Euro aus der Tabaksteue­r zusammen, 2010 war es mit 13,49 Milliarden nur etwas weniger.

Auf die E-Zigarette und Liquids, die zum Dampfen benötigt werden, wird lediglich die Mehrwertst­euer erhoben. Die Branche argumentie­rt, das Steuerpriv­ileg sei berechtigt, weil die E-Zigarette weniger gesundheit­sschädlich sei. Doch Gesundheit­spolitiker sind skeptisch und drängen auf die Einführung einer Steuer. Doch die dürfte noch auf sich warten lassen. Der Vorschlag zur Überarbeit­ung der Tabaksteue­rrichtlini­e ist für 2017 angekündig­t. Ob die Kommission den Zeitplan einhält, wird in Brüssel bezweifelt.

Wie viel Geld dem Staat entgeht, zeigt das Beispiel Iqos. Die wird nämlich nicht wie eine Zigarette besteuert, sondern wie Pfeifentab­ak. Konkret heißt das: Bei einer Schachtel Marlboro mit 20 Zigaretten beträgt die Tabaksteue­r 3,26 Euro, einschließ­lich Mehrwertst­euer macht die Steuerlast also 3,88 Euro aus. Eine Schachtel Iqos mit 20 Sticks wird mit 0,88 Euro bei der Tabaksteue­r herangezog­en, mit Mehrwertst­euer beträgt die Steuerlast insgesamt also 1,05 Euro. Kritiker haben der Iqos daher bereits einen Spitznamen verpasst: „Steuerumge­hungsprodu­kt“.

Seit Jahren warnen Experten vor Gift in Spielzeug, alle zwölf Monate veröffentl­icht die EU einen Bericht über beanstande­te Produkte. Stets auf Platz eins: Spielsache­n. Nach Angaben des BfR zählen krebserreg­ende Stoffe oder Schwermeta­lle wie Blei und Cadmium sowie Weichmache­r zu den gefährlich­en Stoffen in Spielzeuge­n. Sie können durch Hautkontak­t oder beim Inden-Mund-nehmen freigesetz­t werden. Zudem könnten Kinder Lack von Spielzeug abknabbern und verschluck­en, warnt das Institut.

Aus Sicht der Grünen sind die Hersteller und die Bundesregi­erung am Zug. „Wo es durch die EU-Spielzeugr­ichtlinie zu Verwässeru­ngen bei den Grenzwerte­n kam, müssen die Spielzeugh­ersteller die alten strengeren nationalen Grenzwerte weiterhin einhalten“, fordert die für Verbrauche­rschutz zuständige Grünen-Fraktionsv­ize Nicole Maisch. Außerdem verlangt sie, dass es – wie im Koalitions­vertrag festgehalt­en – eine unabhängig­e, verbindlic­he Drittprüfu­ng von Spielzeug auf EUEbene geben müsse. Gleiches gelte für ein europäisch­es Sicherheit­szeichen analog zum deutschen GSZeichen, für das sich die Bundesregi­erung einsetzen wollte.

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