Erdogan-Klub führt Liga in Türkei an
Familienmitglieder und Vertraute haben das Sagen bei Istanbul Basaksehir.
ISTANBUL (dpa/RP) Bereits seit Monaten bietet die Tabelle der Süper Lig, der türkischen ersten Liga, ein ungewohntes Bild: An der Spitze steht nämlich keiner der Istanbuler Vereine Besiktas, Fenerbahce oder Galatasaray, die normalerweise den Titel unter sich ausmachen, sondern weiterhin Medipol Basaksehir. Ein kleiner Lokalrivale mit großen Ansprüchen.
Nach 15 Spieltagen liegt die Mannschaft von Trainer Abdullah Avci mit 35 Punkten vor Meister Besiktas (32) und Pokalsieger Galatasaray (30) und ist weiterhin ungeschlagen. Dabei überzeugt das Team mit erfrischendem Offensivfußball und hat die meisten Tore (30) in der Süper Lig geschossen.
Während die drei Großen der Liga regelmäßig auf der Jagd nach ausländischen Spielern mit großen Namen sind, setzt Basaksehir auf günstige Transfers, die ins System passen. Und bedient sich dabei gerne an der Resterampe der namhaften Nachbarn. Kapitän Emre Belözoglu hatte bei Fenerbahce keinen neuen Vertrag bekommen. Und Abwehrchef Yalcin Ayhan hatte eigent- lich schon bei Besiktas angeheuert, wurde dort aber nach Protesten der Fans nach wenigen Tagen weggeschickt.
Trotz des Erfolgs polarisiert der Verein, der erst 2014 als Nachfolger von Istanbul Büyüksehir Belediyespor gegründet wurde und kaum Anhänger hat. Aufgrund seiner Nähe zur islamisch-konservativen Regierungspartei AKP und zum Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gilt er bei Beobachtern als Paradebeispiel für die zunehmende Politisierung des türkischen Fußballs.
Vereinspräsident Göksel Gümüsdag ist mit einer Nichte der Ehefrau Erdogans verheiratet, bei der Hochzeit war der Staatspräsident Trauzeuge. Für den Bau des 2014 fertiggestellten Fatih-Terim-Stadions bekam das Unternehmen Kalyon den Zuschlag, dessen Eigentümer als enger Vertrauter Erdogans gilt. Gleiches gilt für den Inhaber des Krankenhausbetreibers Medipol, der als Hauptsponsor und Namensgeber des Vereins fungiert. Zum Eröffnungsspiel des neuen Stadions lief Erdogan persönlich auf. Die Rü- ckennummer zwölf, die er dabei trug, wird seitdem an keinen Spieler mehr vergeben.
Wie sich diese Nähe zwischen Politik und Verein außerdem auswirken kann, zeigte sich kürzlich bei einem Thema, das mit Fußball nichts zu tun hat. Da die türkische Lira immer mehr an Wert verliert, rief Erdogan zuletzt das Volk dazu auf, vorhandene Devisen in Lira umzuwandeln, um die Landeswährung wieder zu stabilisieren.
Wenige Tage danach gab Basaksehir bekannt, alle Spieler und Mitarbeiter nicht mehr in Dollar, sondern nur noch in Lira zu bezahlen. Vereinspräsident Gümüsdag, gleichzeitig Chef der türkischen Klubvereinigung, rief die anderen Klubs zum Mitmachen auf: „Für jeden, der in der Türkei mit Türken Geschäfte macht, muss von nun an die Lira die einzige Währung sein.“
Und auch die wenigen Anhänger wurden ermuntert: Wer bis zum vergangen Heimspiel am Samstag gegen Trabzonspor nachweislich mindestens 50 Dollar in türkische Lira umgetauscht hatte, bekam freien Eintritt.