Rheinische Post Mettmann

Bunt und fröhlich: Memphis im Doppelpack

- VON ANNETTE BOSETTI

Karl Lagerfeld liebte den Design-Stil von Memphis. Das Kai 10 beleuchtet das Thema, indem es künstleris­che Positionen dazu stellt.

David Bowie war Fan von Memphis. Als kürzlich rund 100 Designstüc­ke aus der Sammlung des Popstars bei „Sotheby’s“unter den Hammer kamen, war die Kunstwelt überrascht über den sensatione­llen Erlös von mehr als 1,4 Millionen Dollar. Offensicht­lich war das kunterbunt­e, fröhliche Design bei vielen gar nicht mehr präsent gewesen, nur etwas für Insider. Und die schlugen zu. Auch Modeschöpf­er Karl Lagerfeld war vernarrt in die schrägen, bunten Möbel und etwas verrückten Objekte der italienisc­hen Designgrup­pe. Sein Penthouse in Monaco hielt er einst komplett möbliert in

„Memphis hat die Rolle als postmodern­es Spiel mit Material, Form und

Funktion“

Julia Höner

Kuratorin

diesem Stil, bis er die Lust daran verlor und schon 1991 alles in die Auktion gab.

So überlebt Memphis fast nur in den Designmuse­en der Welt, oder es wird wie ein Schatz gehütet bei Sammlern wie dem Ehepaar Berger aus Düsseldorf. Die jüngere Generation weiß mit dem Begriff und dem Formenvoka­bular von Memphis nicht mehr viel anzufangen. Einige kennen immerhin den charakteri­stischen Wasserkess­el mit Vögelchen oder die Pfeffermüh­le mit Flügeln – beides Klassiker von Alessi, die im weitesten Sinne dem entspringe­n, was von Mailand aus zu Beginn der Achtzigerj­ahre als Memphis-Style seinen Siegeszug antrat.

Einige Schlüsselw­erke kann man nun im Kai 10 anschauen, wo Kura- torin Julia Höner dem Phänomen zweigleisi­g nachspürt, indem sie einmal Originalob­jekte zeigt und zum anderen „ein bisschen etwas Grundsätzl­iches von Memphis“in Kunstwerke­n, Malerei, Plastik und Fotografie entdeckt und nach Düsseldorf geholt hat. Der postmodern­e Zeitgeist war dabei entscheide­nd, eine monströse Farbigkeit bis hinein ins Psychedeli­sche, die glatte Oberfläche­nbearbeitu­ng und eine oft naive Konstrukti­on, die an typisches Kinderzimm­er-Inventar denken lässt.

Bunt und fröhlich fällt die Ausstellun­g aus, weniger hintergrün­dig als vordergrün­dig den Augensinn beschäftig­end. Im großen Raum zur Rheinseite hin ist auf einem Podium Prachtmobi­liar aufgebaut: Ettore Sottsas schon legendäres Regal „Carlton“, seltene Lampen in kuriosen Formen, ein Schminktis­ch und der das Altmeister­liche karikieren­de Sessel „Poltrona di Proust“. Alessandro Mendini erfand das pointillis­tisch bemalte Möbelstück in Verehrung für den Schriftste­ller Marcel Proust; es war sein Meisterstü­ck.

Viele Leihgaben sind weit gereist; einige kommen auch aus Düsseldorf, aus dem Museum Kunstpalas­t und der Sammlung von Familie Berger, wie die zur Skyline arrangiert­en weißen Vasen von Matteo Thun.

Der Übergang von der Designabte­ilung zur Galerie ist fließend: Warum gerade der ein oder andere Künstler in diesem Kontext erscheint, entspringt einer ausgeklüge­lten Programmat­ik. „Die Ausstellun­g beleuchtet die Rolle von Memphis als referenzge­bundenes, postmodern­es Spiel mit Material, Form und Funktion“, sagt Kuratorin Höner. Spuren dieser Haltung fänden sich nicht zufällig in der bildenden Kunst jener Zeit. Die Ausstellun­g „Less is a bore“ist also auch eine Stilgeschi­chte, die in ausgewählt­en Positionen von einer Zeit berichtet, die wir heute überwunden haben.

Kantige Objekte von Graham Little flankieren das möbelbepac­kte Podest; mit einer illusionis­tisch gemalten Haut hat der Brite seine Arbeiten überzogen. Ähnlich sinnfrei hat Eva Berendes, die Jüngste in der Künstlersc­har, Skulpturen ausge- stattet, die ihr Vorbild im öffentlich­en Raum suchen, jedoch heiter umgedeutet werden. Als Maler zeigt der wenig bekannte Valkenburg­er Raymond Barion ungewöhnli­che Perspektiv­en in leuchtende­n Acryltönen. Merkwürdig­e Maschinen und Architektu­r verschmelz­en in einer hohen Absurdität auf der Leinwand. Ähnlich präzise gemalt sind die Tafeln wie bei Konrad Klapheck.

Tobias Rehberger hat seine Entwürfe wie Möbel ausgestalt­et, und ein ganzes Wohnmodul so weit entfremdet, dass es seine Funktional­ität vollends verliert. Nur für die Show – das passt zu Memphis. Über allem schwebt Kunst von Barbara Kasten, geometrisc­h betonte Polaroid-Fotografie und eine Videoarbei­t, die Plexiglas mit grell leuchtende­n Farbkanten zum Tanzen bringt. Kasten baut aus abstrakten Formen ein Setting zusammen, das sie einfärbt und fotografie­rt. Malerei und Fotografie blasen sich auf zum Raum, dass die Farbe nur so kracht. Ein waschechte­r Memphis-Gruß.

 ?? FOTOS: HORST KOLBERG, ACHIM KUKULIES ?? Zu den Exponaten der neuen Ausstellun­g im Kai 10 gehören unter anderem Alessandro Mendinis „Poltrona di Proust“(l.) sowie „Crossover“von Barbara Kasten – beides im Memphis-Stil.
FOTOS: HORST KOLBERG, ACHIM KUKULIES Zu den Exponaten der neuen Ausstellun­g im Kai 10 gehören unter anderem Alessandro Mendinis „Poltrona di Proust“(l.) sowie „Crossover“von Barbara Kasten – beides im Memphis-Stil.
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