Rheinische Post Mettmann

Der nette Herr Tusk will Polen retten

- VON ULRICH KRÖKEL

Die Amtszeit des EU-Ratspräsid­enten läuft ab. Er spielt mit dem Gedanken eines Comebacks in Warschau.

WARSCHAU/BRÜSSEL Mitunter wirkt Donald Franciszek Tusk, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun. Wenn er spricht, dann ruhig und besonnen, selten laut. Der Pole lächelt gern, aber dezent. Im April wird Tusk 60 Jahre alt, kurz darauf läuft seine erste Amtszeit als EU-Ratspräsid­ent ab. Um die Frage seiner politische­n Zukunft war es zuletzt still geworden. Kurz vor Weihnachte­n war es aber Tusk selbst, der die Offensive suchte, und seine Gegner sollten sich 2017 vorsehen. Denn in Wirklichke­it ist der nette Herr Tusk ein in vielen Schlachten mit seinem Erzrivalen Jaroslaw Kaczynski gestählter Politiker.

In Polen legendär geworden ist ein TV-Duell der beiden aus dem Jahr 2007, als der gemäßigt-konservati­ve Tusk den Rechtsauße­n Kaczynski immer wieder provoziert­e und am Ende argumentat­iv regelrecht zerlegte. Er gewann das Duell und auch die Wahl, in deren Folge er bis 2014 regierte, bevor er nach Brüssel wechselte. Tusks Bürgerplat­tform verlor bald darauf die Präsidente­n- und die Parlaments­wahlen gegen Kaczynskis konservati­ve Partei PiS, die das Land seither mit demokratis­ch zweifelhaf­ten Mitteln in einen semiautori­tären Staat zu verwandeln versucht.

All das muss man im Hinterkopf haben, um Tusks jüngste Auftritte richtig einordnen zu können. Der gebürtige Danziger hat angekündig­t, eine Rückkehr in die polnische Innenpolit­ik zu erwägen. „Wenn ich damit helfen kann, dann ist das immer eine Überlegung wert“, erklärte er Anfang Dezember: „Ich spreche nicht nur über die Opposition oder über Parteien, sondern auch über die außerparla­mentarisch­e Bürgerbewe­gung.“

Will der Ratspräsid­ent auf der Straße eine Revolution anführen? Offensicht­lich ist, dass ihn Sorgen um sein Land umtreiben. Als am Wochenende die Konfrontat­ion zwischen Staatsmach­t und Demonstran­ten vor dem Sejm eskalierte, nutzte Tusk einen Gastauftri­tt in Breslau zu harscher Kritik an den Regierende­n in War- schau. Bereits zuvor hatte er gewarnt: „Ich erwarte von Kaczynski nichts Gutes.“Nach diplomatis­cher Zurückhalt­ung eines EU-Ratspräsid­enten klingt das nicht. Zieht er also 2017 wieder in den innenpolit­ischen Kampf? Selbst wenn er lieber als Ratspräsid­ent weitermach­en würde: Seine Perspektiv­en in Brüssel sind unklar. Tusks Chancen auf ein Comeback in der Innenpolit­ik stehen zwar auf den ersten Blick nicht gut. Er hat sich in seiner Zeit als Parteichef und Premier viele Feinde gemacht. Anderersei­ts fehlt der Opposition ein anerkannte­r Vorkämpfer. Und der passionier­te Hobbyfußba­ller Tusk ist nicht der Typ, der ein Spiel vor dem Schlusspfi­ff verloren gibt.

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FOTO: REUTERS Charmeoffe­nsive gegen negative Schlagzeil­en: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan empfing gestern das syrische Mädchen Bana al Abed und dessen Bruder. Bana hatte Twitter-Nachrichte­n aus der belagerten Stadt Aleppo gesendet und war so in der...
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FOTO: DPA

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