Rheinische Post Mettmann

„Ältere werden unsere besten Kunden“

-

Der Rewe-Chef über den Kampf um Tengelmann, seine Liebe zu Vanille-Joghurt und den Rewe-Markt von morgen.

Herr Caparros, Sie wollen Ende 2018 aufhören. Dann sind Sie 62. War’s das dann mit Ihrer Karriere? CAPARROS Als Vorstandsc­hef mit Sicherheit. Ich habe dann genug verdient und will nicht mehr operativ arbeiten und mich mit Aufsichtsr­äten herumschla­gen müssen. Nein, danke. Aber was machen Sie dann? CAPARROS Das wird sich finden. Ich habe viel Fantasie. War es eine kluge Entscheidu­ng, dass Rewe Ihren Nachfolger so früh bekanntgeg­eben hat? Manche behaupten, Sie seien jetzt eine lahme Ente. CAPARROS Das ist Unsinn. Ich habe das so gewollt, ich habe den Termin bestimmt. Glauben Sie mir, ich habe alles im Griff. Auch Ihr eigenes Einkaufsve­rhalten? CAPARROS Ich bin ein Impulskäuf­er. Wenn alle in Deutschlan­d so einkaufen würden wie ich, hätte der Einzelhand­el kein Problem (lacht). Wie oft sind Sie im Rewe-Markt? CAPARROS Ein- bis zweimal pro Woche. Und dann kaufen Sie welches Lieblingsp­rodukt? CAPARROS Vanille-Joghurt. Haben Sie auch ein Lieblingsp­rodukt bei Kaiser’s? CAPARROS Ich habe mal einen Testkauf in einer Kaiser’s-Filiale gemacht, da bin ich aber zu schnell von den Mitarbeite­rn an der Fleischthe­ke erkannt worden. Spaß beiseite. Der Fall Kaiser’s hat endlos lange für Schlagzeil­en ge- sorgt. Wenn Sie den Verlauf vorher kennen würden, würden Sie genau so handeln? CAPARROS Ich würde das immer wieder so machen... Aber zuletzt ist Ihnen die Rolle des Buhmanns zugedacht worden, der mit seiner Beschwerde gegen den Edeka-Kaiser’s-Deal 15.000 Jobs gefährdet. CAPARROS Der Druck war schon enorm groß am Schluss. Und es war wirklich ein schmutzig geführter Kampf, wirklich nicht schön. Rewe sollte von Anfang an isoliert werden. Aber ich habe mir nichts vorzuwerfe­n. Was ist daran schlimm, wenn man verhindern will, dass der Hauptkonku­rrent zu viel Marktmacht bekommt – im Einklang mit dem Bundeskart­ellamt und der Monopolkom­mission? Kaiser’s Tengelmann war vielleicht die letzte große Akquisitio­nsmöglichk­eit im deutschen Lebensmitt­elhandel. Sie haben sich immer als Alternativ­käufer bezeichnet, der alle Arbeitsplä­tze erhalten könnte. Aber Sie hätten doch genau so wenig wie Edeka den Segen des Kartellamt­es bekommen. CAPARROS Aber wir hätten deutlich mehr Niederlass­ungen übernehmen können als Edeka. Wir hätten mindestens zwei Drittel der Kaiser’s-Filialen behalten können. Unabhängig von dem Kampf von Kaiser’s – was halten Sie vom Instrument der Ministerer­laubnis? CAPARROS Im Fall Kaiser’s war sie ein königliche­s Geschenk von Sigmar Gabriel. Um es klar zu sagen: Ich bin gegen die Ministerer­laubnis, zumal auf der Basis des Arbeitspla­tz-Argumentes. Am Ende ist es der Markt, der über den Erhalt von Arbeitsplä­tzen entscheide­n muss, nicht der Wirtschaft­sminister. Was haben Sie denn aus der ganzen Geschichte gelernt? CAPARROS Dass ich in der Wirtschaft besser aufgehoben bin als in der Politik. So lange Sie noch in der Wirtschaft aufgehoben sind: Was ist das größte Projekt, das Sie bei Rewe noch voranbring­en wollen? Die Digitalisi­erung? CAPARROS Digitalisi­erung ist eines der beherrsche­nden Themen im Handel. Das digitale Geschäft muss und wird wachsen. Bis 2020 wollen wir unseren Online-Umsatz auf etwa 800 Millionen Euro steigern. Wenn wir da nicht investiere­n, werden wir irgendwann von Amazon abgehängt. Aber was ganz wichtig ist: Wir müssen die Verzahnung des stationäre­n Handels mit dem Online-Geschäft hinbekomme­n. Bereitet Ihnen Amazon große Sorgen? CAPARROS Stimmt. Ich bekomme schon Bauch- schmerzen bei dem Gedanken, dass Amazon von den Menschen als bester Einzelhänd­ler wahrgenomm­en wird. Was heißt das für den Lebensmitt­elhandel, wenn Amazon einsteigt? CAPARROS Wir müssten uns warm anziehen gegen Amazon Fresh. Aber: Was Amazon noch lernen muss, ist der Handel über alle Kanäle. Der reine OnlineVerk­auf funktionie­rt nicht im Lebensmitt­elhandel. Wenn man nur auf digital macht, verliert man die Lebensmitt­el-Stammkunds­chaft. Wie behält man die? CAPARROS Wir müssen ein anderes Kundenprof­il entwickeln. Die Verbrauche­r werden in den Märkten in Zukunft immer mehr unsere Gäste sein, nicht mehr Kunden. Wir müssen Ihnen ein Einkaufser­lebnis bieten. Umgekehrt werden sich aber auch manche Märkte verändern. Manche Produkte werden nur noch online gekauft. Da muss man sich dann an manchen Standorten fragen: Was bieten wir in diesen Märkten nicht mehr an? Brauchen wir dann womöglich weniger Fläche? Brauchen wir vielleicht auch weniger Personal in einzelnen Märkten? Was ist mit den künftigen Senioren als Zielgruppe? CAPARROS Kein Zweifel: Die älteren Menschen werden unsere besten Kunden ... ... die man doch auch zunehmend zu Hause beliefern muss. CAPARROS Das stimmt. Aber die Belieferun­g zu Hause ist gleichzeit­ig der schwierigs­te Teil des Geschäfts – auch wegen der Belieferun­g mit Frische-Produkten. Wir werden da teilweise zum reinen Logistiker, und der Fahrer, der die Waren ausliefert, ist der Botschafte­r unseres Unternehme­ns. Die Marktführe­r im Lebensmitt­elHandel sind Edeka und Rewe, beides Genossensc­haften. Was machen die besser als andere Handelsfor­men? CAPARROS Genossensc­haften sind bodenständ­iger. Edeka und wir haben viele selbststän­dige Händler, die eine langfristi­gere Bindung an ihr Geschäft haben als angestellt­e Manager. Wie viel Gewinn macht der dann? CAPARROS Ein selbststän­diger Händler bei REWE verdient im Durchschni­tt 220.000 Euro vor Steuern. MICHAEL BRÖCKER UND GEORG WINTERS FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

 ?? FOTO: ACTION ?? Rewe-Chef Alain Caparros
FOTO: ACTION Rewe-Chef Alain Caparros

Newspapers in German

Newspapers from Germany