ANDREAS GOLDBERGER „Tourneesieger bleibst du fürs Leben“
Der zweimalige Sieger der Vierschanzentournee über den Skisprung-Wettbewerb, der am Freitag in Oberstdorf beginnt.
Mir wird ja immer wieder die Frage gestellt, was eigentlich den ganz speziellen Reiz der Vierschanzentournee ausmacht. Die Antwort ist einfach: Die Tournee ist für die Skispringer letzten Endes das, was Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele für andere Sportarten sind. Vier Wettbewerbe an vier verschiedenen Orten in so kurzer Zeit, das ist einfach etwas ganz Besonderes.
Wenn ich heute mit jungen Springern spreche, selbst mit Norwegern oder Finnen, sagen die immer, sie wollen unbedingt einmal bei der Vierschanzentournee dabei sein. Wobei die Finnen die Tournee einfach nur Skisprungwoche nennen. Und eines ist klar: Skispringer bist du eine gewisse Zeit, aber Tourneesieger bleibst du ein Leben lang. Für mich war es das Größte, die Tournee überhaupt einmal gewinnen zu können.
Um die Tournee gewinnen zu können, brauchst du vor allem eines: eine konstant gute Form. Denn nur mit Glück allein stehst du am Ende nicht oben. Die Tournee zu gewinnen, ist deswegen auch viel schwieriger als ein Sieg bei Olympia. Wenn du bei Olympischen Spielen einen guten Tag hast, kannst du mit ein bisschen Glück Gold gewinnen.
Aber einen Zufallssieger wird es bei der Tournee nie geben, eben weil du bei vier Wettkämpfen acht gute Sprünge haben musst. Insofern schätze ich die Tournee sportlich gesehen auch höher ein als eine Weltmeisterschaft oder den Olympiasieg. Nehmen wir einen Simon Ammann, der hat alles gewonnen, nur die Vierschanzentournee nicht. Und er würde bestimmt einiges dafür geben.
Ich verfolge die Tournee auch heute natürlich noch mit großem Interesse, als Experte beim österreichischen Fernsehen mache ich ja auch noch Kamerasprünge. Und selbst wenn sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan hat, was das Reglement angeht, und wenn auch an den Schanzen so einiges umgebaut wurde, bleibt der Mythos Vierschanzentournee für mich ungebrochen. Ein Mythos, der eben vor allem von den Zuschauern im Stadion lebt, und der Stimmung, die sie erzeugen. Ein Unterschied zu früher ist in meinem Fall allerdings: Bei allem Mitfiebern ist mir inzwischen egal, wer gewinnt, solange nur der Beste gewinnt.
Du kannst als Skispringer übrigens der beste Entertainer sein, wenn du keinen Erfolg hast, bringt dir das gar nichts. Aber wenn du na- türlich ein Typ bist, der Emotionen zeigt, der die Menschen an der Schanze mitreißen kann, dann ist das schon ein Vorteil. Denn die Typen, die nur gut springen, aber anschließend beim Interview nur „Ja“und „Nein“sagen und nie mal vor Ärger ihre Ski in die Ecke pfeffern, die will ja auch keiner sehen. Gucken Sie sich beim Skifahren den Marcel Hirscher und den Felix Neu- reuther an, was die abliefern, wie die sich konkurrieren und wie die sich als Typen geben, das ist als Zuschauer einfach eine Riesenfreude.
Natürlich sind die Athleten heute generell professioneller als damals, heute gibt es erstens mehr zu verdienen, zweitens stehst du viel mehr in der Öffentlichkeit und kannst dir keine Dinger mehr erlauben, wie sie früher vielleicht noch möglich wa- ren. Diesmal finde ich es dann auch extrem schwierig, einen klaren Favoriten auf den Tourneesieg zu benennen. Es gibt viele gute Springer. Von den Norwegern schätze ich Daniel Tande sehr stark ein. Die zwei Polen Kamil Stoch und Maciej Kot sind ebenfalls sehr stark. Bei den Österreichern traue ich Stefan Kraft und Michael Hayböck am meisten zu. Und wer dann von den drei slowenischen Prevc-Brüdern am Ende der stärkste sein wird, weiß ich noch nicht. Die sind einfach alle drei sehr gut.
Bei den Deutschen gehe ich schon davon aus, dass Severin Freund am Ende der Konstanteste sein wird. Natürlich hat er nach seiner langen Verletzungspause noch gewisse Schwankungen in seinen Leistungen, aber vielleicht funktioniert es ja genau dann, wenn die Öffentlichkeit mal nicht ganz so hohe Erwartungen hat. Ich schätze ihn in jedem Fall sehr stark ein. Markus Eisenbichler könnte zumindest für eine Überraschung sorgen.
Für die Vierschanzentournee ist es in jedem Fall ganz wichtig, dass Österreicher und Deutsche gut springen. Sicher ist mir lieber, wenn am Ende ein Österreicher der Beste ist, aber wenn die Deutschen schlecht sind, ist es für den ganzen Skisprungsport schlecht, weil der deutsche Markt einfach zu wichtig ist.