Lebensmittel mit dem ungewissen Etwas
In fast allen industriell produzierten Lebensmitteln finden sich Zusatzstoffe. Sie sind von der Europäischen Union genehmigt und auf den Etiketten der Produkte ausgewiesen – ungefährlich sind sie Forschern zufolge dennoch nicht.
Cremig, sahneweich und ein Gaumenstreichler – ohne Emulgatoren könnten sich Öle und Wasser nicht miteinander vermischen, und ohne sie gäbe es weder Eiscreme noch Kaugummi, Desserts und Fertigsoßen. Zwei von ihnen heißen E 433 und E 466. Sie sind schon lange auf dem Markt und gelten als unbedenklich. Doch laut US-Forschern könnten sie das Krebswachstum im Darm beschleunigen.
Schon Anfang 2015 ermittelten Forscher der Georgia State University im Mäuseversuch, dass E 433 und E 466 die Darmflora verändern und chronische Darmentzündungen provozieren. Dadurch könnten sie, so die damalige Schlussfolgerung, zur Entstehung von Erkrankungen wie Colitis, Morbus Crohn und dem metabolischen Syndrom beitragen. Doch da Entzündungsprozesse generell das Wachstum und die Mobilität von Tumorzellen anregen können, machten sich die US-Forscher daran, die beiden Emulgatoren
Neue Forschungen mit Mäusen haben ergeben, dass bestimmte Zusatzstoffe das Krebswachstum fördern
auch in ihrer Wirkung auf Darmkrebs zu untersuchen.
Dazu mischte man Labormäusen, die bereits einen Tumor im Darm hatten, die beiden Emulgatoren ins Futter. Dabei wählte man eine Dosierung, die – angepasst an das höhere Körpergewicht – den Mengen entsprechen, die ein Mensch von diesen Stoffen in seiner Alltagskost verzehrt. Darüber hinaus legte man – zum Vergleich – noch zwei Kontrollgruppen an: In der einen bekamen krebskranke Mäuse normales Futter ohne Zusatzstoffe; und in einer anderen kam wiederum angereichertes Futter zum Einsatz, nur dass diesmal die Tiere gesund waren, also nicht unter Krebs litten.
Nach zwölf Wochen zeigte sich, dass die Geschwüre in den Emulgator-Mäusen deutlich mehr zugelegt hatten als in der Kontrollgruppe. Was Studienleiterin Emilie Viennois als deutlichen Hinweis darauf wertet, „dass E 433 und E 466 das Krebswachstum im Darm anregen“und zwar über eine Veränderung der Darmflora. Denn die Zusatzstoffe werden durch Bakterien am Ende des Darms verdaut, und deren Zusammensetzung erfährt dabei offenbar eine solche Veränderung, dass sie das Wachstum von Tumoren begünstigen.
Tröstlich immerhin: Die gesunden Nager der dritten Gruppe wur- den zwar durch die Emulgator-Kost etwas dicker, aber sie entwickelten keinen Darmtumor. Die beiden Zusatzstoffe befeuern also das Krebswachstum, lösen es aber nicht aus. Außerdem betont Anna Kipp vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam, dass man die gefundenen Zusammenhänge von Emulgator-Verzehr und Darmkrebs nicht zwangsläufig auf den Menschen übertragen dürfe. Denn Maus und Menschen hätten in ihrer Darmflora, so die Toxikologin, „relevante Unterschiede“. Was ja nicht verwundern darf, bei einem Nager einerseits und einem Allesfresser andererseits.
Nichtsdestoweniger rät auch Kipp zu weiteren Untersuchungen. Denn die Europäischen Behörden für Lebensmittelsicherheit hätten zwar die beiden Emulgatoren als unbedenklich eingestuft, doch dies nur aufgrund „klassischer Toxizitätsstudien“. Die werden zwar durchaus akribisch durchgeführt, so dass die Verbraucher danach sicher sein können, dass der untersuchte Stoff ungiftig ist und bei ihnen keinen Krebs auslöst. Doch wie er sich auf die Darmflora und auf bereits bestehende Geschwüre auswirkt, wird in der Regel nicht untersucht.
Gegen eine allzu große Sorglosigkeit spricht auch, dass immer wieder zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe in die Kritik geraten. Wie etwas das Konservierungsmittel E 385, von dem in der EU jährlich 35.000 Tonnen in die Lebensmittel wandern. Es handelt sich dabei um eine Essigsäure, die Metalle an sich bindet und dadurch beispielsweise verhindert, dass sich eine Mahlzeit in der Konservendose unappetitlich verfärbt. Ein Krebsrisiko geht von diesem Stoff wohl nicht aus, doch seine Affinität zu Metallen kann im menschlichen Körper zu Mineralienmangel führen.
Der Süßstoff Aspartam stand lange unter Krebsverdacht, doch die meisten Wissenschaftler stufen mittlerweile Mengen von bis zu 40 Milligramm pro Tag und Kilogramm Körpergewicht als ungefährlich ein. Und weil ein 70 Kilogramm schwerer Mensch wohl kaum 2,8 Gramm des Süßstoffs verzehren dürfte, kann man das Krebsrisiko durch Aspartam als vernachlässigbar bezeichnen. Dafür gibt es Hinweise darauf, dass Süßstoffe generell das Risiko für Diabetes und Übergewicht steigern. Als Erklärung wird diskutiert, dass dem Gehirn durch die synthetische Süße nur vorgegaukelt wird, dass es Zucker bekommt – und weil der dann ja ausbleibt, verstärkt es das Verlangen nach süßen und damit potenziell kalorienreichen Speisen.
Vor kurzem haben israelische Forscher zudem entdeckt, dass Saccharin, Sucralose oder Aspartam die Darmflora so verändern kön- nen, dass der Zucker- und Fettstoffwechsel beeinträchtigt wird. Was, wie Studienleiter Jotham Suez vom Weizmann-Institut in Rechovot betont, umso schwerer wiegt, „weil Süßstoffe ja von Millionen Menschen gerade deshalb eingenommen werden, um Übergewicht und Diabetes zu bekämpfen“.
Der Geschmacksverstärker Glutamat (E 622 bis E 625) steht ebenfalls im Verdacht, den Appetit anzuregen. Die Vermutung hingegen, dass Phosphatzusätze (sie besetzen allein neun E-Nummern) bei Kindern hyperaktives Verhalten auslösen, ist weitgehend vom Tisch. Dafür werden sie jetzt in der Medizin als Auslöser von Nierenschäden diskutiert. Ganz zu schweigen davon, dass mittlerweile auch die tonnenweise zugesetzten Vitamine von vielen Ernährungswissenschaftlern nicht mehr unter der Rubrik „Schadet schon nicht“, sondern als tägliche Medikamentierung mit entsprechendem Risiko verbucht werden. Wer heute eine „Currywurst Pommes“mit einer Limo verzehrt, hat damit schon den gesamten Vitamin-C-Bedarf für den Tag gedeckt. Selbst das morgendliche Salamibrot enthält mittlerweile mehr Vitamin C als ein Apfel.