Rheinische Post Mettmann

Alptraum Familientr­effen

- VON ALIKI NASSOUFIS

In „Einfach das Ende der Welt“kehrt ein Sohn nach langer Zeit heim.

(dpa) Man kennt das Szenario: Die Familie kommt nach langer Zeit wieder zusammen, doch rund läuft es nicht. Stattdesse­n brechen alte Konflikte und Streiterei­en auf. Eine ähnliche Geschichte greift nun Xavier Dolan mit „Einfach das Ende der Welt“auf, einem beklemmend­en Drama, für das er in Cannes den Großen Preis der Jury gewann.

Zwölf Jahre lang war Louis nicht zu Hause. Kein Wunder, dass seine Mutter in Aufregung ist, als er sich für einen Besuch anmeldet. Auch seine Schwester, sein Bruder und dessen Ehefrau sind dabei, als Louis mit dem Taxi vorfährt. Die Zuschauer wissen früh, dass Louis eine traurige Nachricht hat – der junge Mann wird bald sterben. Er zögert aber, es seiner Familie mitzuteile­n, und so legt sich eine gedrückte Stimmung über den Film, selbst in den Momenten der freudigen Begrüßung.

Es ist allerdings nicht nur dieses Wissen, das „Einfach das Ende der Welt“zu einem melancholi­schen Drama macht. Auch sonst tut es weh, dieser dysfunktio­nalen Familie zuzuschaue­n. Wie der Bruder Louis argwöhnisc­h aus dem Wohnzimmer­hintergrun­d beäugt. Wie die Mutter sich bemüht, Sticheleie­n ihrer Kinder wegzuläche­ln, damit dieser Tag so schön wird, wie sie es sich erhofft hat.

Einmal mehr fokussiert der kanadische Regisseur Xavier Dolan auf die Abgründe innerhalb einer Familie. Und wie schon in seinem Debüt „I Milled My Mother“und dem gefeierten „Mommy“berührt dabei besonders die Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Sohn. Trotzdem gelingt es Dolan nicht, die Intensität seiner früheren Werke herzustell­en. Dafür gibt es dieses Mal zu viele Einzelkonf­likte. Möglicherw­eise liegt das auch an der Theatervor­lage, immer wirkt der Film wie eine überzeichn­ete Inszenieru­ng auf einer Bühne. Wirklich nah kommt man den Familienmi­tgliedern daher nicht.

Getragen wird diese kammerspie­lartige Tour de Force allerdings von den Hauptdarst­ellern: Léa Seydoux gibt die jüngere, verlorene Schwester, Nathalie Baye die einsame Mutter. Eine ungeheure, körperlich fast schon beängstige­nde Präsenz strahlt auch Vincent Cassel als älterer Bruder aus. Einfach das Ende der Welt, Kanada, Frankreich 2016 – Regie: Xavier Dolan, mit Nathalie Baye, Vincent Cassel, Marion Cotillard, 99 Min.

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FOTO: DPA Catherine (Marion Cotillard, v.l.), Antoine (Vincent Cassel), Louis (Gaspard Ulliel), Suzanne (Lea Seydoux) und Mutter Martine (Nathalie Baye).

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