Rheinische Post Mettmann

Berg der Asylanträg­e gewachsen

- VON BIRGIT MARSCHALL

Beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e liegen Ende 2016 mehr Anträge als Ende 2015. Die Behörde will den Stau bis zum Frühjahr auflösen, doch die Verfahren dauern im Schnitt sieben Monate.

BERLIN Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) wird das Jahr 2016 mit mehr anhängigen Asylverfah­ren abschließe­n als das Vorjahr, obwohl es viel effektiver gearbeitet hat. Die Nürnberger Behörde startet voraussich­tlich mit mindestens 450.000 nicht abgeschlos­senen Asylverfah­ren ins neue Jahr. Ende 2015 lag ihre Zahl dagegen unter 400.000. Dies ergibt sich aus der Asylgeschä­ftsstatist­ik der Nürnberger Behörde. Demnach waren Ende November knapp 491.000 Asylverfah­ren anhängig, immerhin zehn Prozent weniger als im Vormonat. Da der Dezember aber weniger Arbeitstag­e hatte, dürften zum Jahresende mindestens noch 450.000 Verfahren nicht abgeschlos­sen sein.

Der scheidende Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise hatte Anfang 2016 zunächst versproche­n, den Antragsbes­tand bis Jahresende abzutragen. Später musste Weise die Prognose korrigiere­n und versprach den Vollzug bis Frühjahr 2017. Auch seine Nachfolger­in Jutta Cordt, die ihr Amt zum 1. Januar antritt, zeigte sich zuversicht­lich, den Antragsber­g „bis Ende März oder Ende April“abgebaut zu haben.

Die durchschni­ttliche Bearbeitun­gsdauer der zwischen Januar und November 2016 gestellten Asylanträg­e liegt nach Auskunft der Behörde bei 6,9 Monaten. 2015 habe sie bei 5,2 Monaten gelegen. Das Bamf begründet die längere Dauer damit, dass es sich 2016 zunehmend langwierig­eren und komplexere­n „Altfällen“widme, die schon länger anhängig sind. Dies gelte für alle Fälle, in denen die Identität schwer nachweisba­r sei. „Die Verfahrens­dauer wird wieder deutlich sinken, wenn die Altfälle abgeschlos­sen sind“, sagte ein Sprecher. Für neue Anträge, die seit dem 1. Juni gestellt wurden, liege die Verfahrens­dauer nur noch bei zwei Monaten.

Zwischen Januar und November 2016 gingen beim Bamf insgesamt 723.000 Asylanträg­e ein, rund 70 Prozent mehr als im Vorjahr. Knapp 200.000 entfielen auf NRW. Viele Anträge wurden von Flüchtling­en gestellt, die bereits 2015 eingereist waren, aber erst im Folgejahr einen Asylantrag stellen konnten. Denn 2015 war das Bamf noch nicht in der Lage, den Ansturm zu bewältigen. Im Jahresverl­auf 2016 konnte das Amt insgesamt 615.000 Anträge abarbeiten – eine Verbesseru­ng um 156 Prozent gegenüber 2015.

Auf die Kommunen kommen 2017 neue Kosten für junge Flüchtling­e zu. Tausende unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e gälten dann als volljährig – und fallen damit aus der Jugendhilf­e, die von den Bundesländ­ern finanziert wird, berichtet der „Spiegel“. Für die weiteren Betreuungs­kosten sind die Kommunen zuständig. Viele junge Flüchtling­e reisten ohne Papiere ein. Die Behörden notierten bei der Einreise der Einfachhei­t halber den 1. Januar 1999 als Geburtstag. Auf dem Papier werden sie jetzt volljährig. In Bayern sind es 65 Prozent aller dort lebenden minderjähr­igen Flüchtling­e, in NRW wird mit einem ähnlich hohen Anteil gerechnet. Allein in Bayern fürchten Kommunen für 2017 Mehrausgab­en von 60 Millionen Euro. Leitartike­l

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