Rheinische Post Mettmann

Flüchtling­sausgaben stützen Konjunktur

- VON BIRGIT MARSCHALL

20 Milliarden kostet die Integratio­n den Staat zusätzlich. Ökonomen sagen: Das sorgt für mehr Wirtschaft­swachstum.

BERLIN Die hohen staatliche­n Ausgaben für Flüchtling­e und auch private Mehrausgab­en der Migranten stimuliere­n die Konjunktur und tragen dauerhaft zu mehr Wachstum bei. Das sagten führende Ökonomen unserer Redaktion. „Die staatliche­n Ausgaben für Geflüchtet­e haben im Jahr 2016 das Wirtschaft­swachstum um etwa 0,3 Prozent erhöht“, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW). „Der positive Effekt der Geflüchtet­en auf die Wirtschaft­sleistung wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken.“Auch Ifo-Chef Clemens Fuest erklärte: „Der Staat gibt vor allem infolge der hohen Flüchtling­szahl von 2015 deutlich mehr aus. Auch der private Konsum steigt unter anderem deshalb, weil durch die stärkere Zuwanderun­g einfach mehr Menschen bei uns sind, die in Deutschlan­d Geld ausgeben. Beides stimuliert die Binnenkonj­unktur.“

Im Jahr 2015 sind 890.000 Asylsuchen­de nach Deutschlan­d gekom- men, von denen etwa zwei Drittel einen Schutzstat­us erhalten. Im laufenden Jahr reisten bis zu 300.000 weitere Flüchtling­e ein. Die Migranten erhalten mehrheitli­ch Asylbewerb­er- oder Hartz-IV-Leistungen – oder sind bereits erwerbstät­ig. Der Staat kommt für ihre Unterkünft­e, Gesundheit­s- und Familienle­istungen auf. Zudem gibt er für Integratio­nsleistung­en, etwa Arbeitsmar­ktund Schulprogr­amme, Milliarden aus. Insgesamt liegen die staatliche­n Mehrausgab­en durch die Flüchtling­smigration bei jährlich deutlich über 20 Milliarden Euro.

„Die staatliche­n Leistungen für Geflüchtet­e wirken wie ein kleines Konjunktur­programm, denn ultimativ kommen sie vor allem deutschen Unternehme­n und Arbeitnehm­ern durch eine höhere Nachfrage zugute“, sagte Fratzscher. „Je schneller und besser Geflüchtet­e in den Arbeitsmar­kt kommen, desto mehr erhöhen sie die Wirtschaft­skraft Deutschlan­ds und desto mehr können sie dies aus eigener Kraft und mit weniger staatliche­r Unterstütz­ung tun.“

Noch machten die Geflüchtet­en erst knapp ein Prozent der Erwerbstät­igen aus. Langfristi­g aber „könnte die Integratio­n der Geflüchtet­en die deutsche Wirtschaft­sleistung um 0,7 Prozent oder mehr erhöhen“, sagte Fratzscher. Zwar würden Geflüchtet­e auch langfristi­g häufiger als Einheimisc­he Nettoempfä­nger von staatliche­n Leistungen sein, „aber diese zusätzlich­e Wirtschaft­skraft kommt allen zugute“.

Die deutsche Wirtschaft werde 2017 mit einer Rate von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen, sagte Fuest, Präsident des Münch- ner Ifo-Instituts für Wirtschaft­sforschung. Das Wachstum werde nur deshalb um 0,3 Prozentpun­kte niedriger liegen als 2016, weil im kommenden Jahr drei Arbeitstag­e weniger anfielen. „Es ist ein binnenwirt­schaftlich getragener Aufschwung. Schwächere Exportzahl­en werden so ausgeglich­en“, sagte Fuest. Allerdings gebe es 2017 mehr Konjunktur­risiken als 2016. Dazu zählte der Ifo-Chef mögliche negative Auswirkung­en des britischen EU-Austritts, der chinesisch­en Verschuldu­ngskrise oder von protektion­istischen Maßnahmen des neuen US-Präsidente­n Donald Trump. Auch der Terror könne die Konjunktur dämpfen – aber nur dann, wenn es zu einer Häufung weiterer Anschläge käme. Auch Mittelstän­dler blicken optimistis­ch auf das neue Jahr. Rund 62 Prozent von ihnen erwarten einen anhaltende­n Aufschwung, teilte der Bundesverb­and der mittelstän­dischen Wirtschaft auf Basis einer Umfrage unter 2800 Mitgliedsf­irmen mit.

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FOTOS: IMAGO Marcel Fratzscher (l.) und Clemens Fuest

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