Rheinische Post Mettmann

„Plötzlich waren es ganz viele“

- VON STEFANI GEILHAUSEN UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Zwei Polizisten, die in der Silvestern­acht in Köln und Düsseldorf im Einsatz waren, schildern anonym, wie sich die Lage zugespitzt hat. Und sie berichten, wie Personengr­uppen nach Herkunft identifizi­ert und gezählt werden.

DÜSSELDORF/KÖLN Die Bundespoli­zei hat in der Silvestern­acht in Köln 900 Platzverwe­ise erteilt. Das Sicherheit­skonzept der Behörde war darauf ausgericht­et, frühzeitig zu erkennen, ob von bestimmten Personengr­uppen, die mit der Bahn anreisen, Gefahren ausgehen könnten. Die Bundespoli­zei bezeichnet diese Gruppe als „fahndungsr­elevante Klientel“. Darunter fielen unter anderem größere Gruppen von Männern im Alter von 18 bis 35 Jahren, die mitunter bereits alkoholisi­ert waren, aggressiv wirkten sowie Personen, die wegen Terrorismu­s im Fahndungsf­okus standen.

Ein Großteil der jungen Männer, vornehmlic­h aus den MaghrebSta­aten, reiste laut Bundespoli­zei mit Zügen aus dem nordöstlic­hen Ruhrgebiet an. Deshalb setzte die Bundespoli­zei in den Bahnen rund 100 Beamte in Zivil ein sowie viele Uniformier­te. Hinzu kamen 250 Sicherheit­skräfte der Deutschen Bahn. Bundespoli­zist Dominik Bauer (Name und Alter geändert) war einer von ihnen. „Wir hatten unter anderem die Aufgabe, Meldung in unserer Zentrale zu machen, wenn wir sehen, dass eine große Personengr­uppe, die ins Raster passt, Richtung Köln unterwegs ist“, sagt er. Und das sei mehrmals der Fall gewesen. „Fast an jeder Haltestell­e bis Köln sind Gruppen zugestiege­n. Und dann waren es auf einmal ganz viele. Das haben wir dann durchgegeb­en, damit die Kollegen in Köln wussten, was auf sie zukommt.“Die meisten von ihnen hätten keine Tickets gehabt. „Die fahren in der Regel schwarz. Aber so viele kann man nicht überprüfen. Das geht einfach nicht“, so der Beamte. „Aber mit unserer Präsenz im Zug wollten wir sie schon verunsiche­rn.“

Gegen 22.30 kam es am Deutzer Bahnhof in Köln dann zu einer kritischen Situation, als rund 300 Nordafrika­ner auf einmal aussteigen wollten. „Wir überprüfen bei so einer Menge aber nicht die Personalie­n aller oder zählen sie durch. Das geht gar nicht – schon von der Zeit her“, sagt Bauer. „Wir schnappen uns stattdesse­n zwei, drei von ihnen und überprüfen sie. Dann nehmen wir an, dass die anderen aus der Gruppe auch in diese Kategorie fallen“, sagt er.

Aber nicht alle Nordafrika­ner seien nach Köln gefahren. „Manche stiegen auch vorher in Düsseldorf aus“, so der Beamte. Dort hatte an Silvester Stefan Derks (Name geändert) Dienst, Polizist mit jahrelange­r Altstadter­fahrung. Die ersten Stunden seines Silvestere­insatzes seien ausgesproc­hen ruhig gewesen. Bis gegen 22.30 Uhr, „da tauchten plötzlich die Gruppen auf, nicht nur kleine Grüppchen, sondern so um die 30 Personen. Männer zwischen 17 und 25, dem Anschein nach Nordafrika­ner.“Sie alle seien auf die Rheinuferp­romenade zugestrebt, zum Burgplatz und an die Freitreppe. Und viele hätten teure Feuerwerks­pakete dabeigehab­t. „Natürlich haben die Jungs gewusst, dass das in Düsseldorf verboten war. Das war offensicht­lich“, sagt der Beamte. Er und seine Kollegen seien von scheinbar ausgelasse­n tanzenden jungen Männern umringt worden, die ihnen grinsend den Weg versperrt hätten. „Die haben Konfrontat­ion gesucht“, sagt der Polizist. Er ist sicher: „Natürlich waren die verabredet. Vielleicht nicht alle, um hier Straftaten zu begehen. Aber wenn wir nicht da gewesen wären, wäre das schnell gekippt.“Als Sprachen überwogen in dieser Nacht Arabisch und Französisc­h. „Wenn wir die Leute auf Deutsch angesproch­en haben, forderte man uns auf, Arabisch zu lernen. Sie hätten keinen Bock auf einen Deutschkur­sus.“Meist behalfen sich die Polizisten bei ihren Gefährdera­nsprachen mit Zeichen. Ein Dach mit den Händen bilden heißt „Arrest“. Das versteht das Gegenüber. „Jeder, der in Gewahrsam musste, fing an, theatralis­ch um Hilfe zu schreien. ,Nix gemacht’ und ,Warum, warum’. In der Zelle wird dann gegen die Wände getreten und krakeelt. Und gleichzeit­ig lachen die sich über uns kaputt. Einer hat uns das so erklärt: Wenn ihn die Polizei nicht schlagen würde, bedeute das ja, dass er nichts getan habe. Also müssten wir ihn laufen lassen. Das ist deren Logik.“

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FOTO: IMAGO In Köln waren zahlreiche Polizisten am Hauptbahnh­of im Einsatz. Die Züge wurden von Bundespoli­zisten, teils in Zivil, überwacht.

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