Rheinische Post Mettmann

Austritte bei den Grünen nach Polizeikri­tik der Parteichef­in

- VON BIRGIT MARSCHALL

Simone Peter muss sich interner Kritik stellen. In der Sicherheit­sdebatte sucht die Partei nach einer gemeinsame­n Linie.

BERLIN Die Jahresauft­aktklausur­en des Vorstands und der Bundestags­fraktion in den ersten Januartage­n sind für die Grünen normalerwe­ise ein willkommen­er Anlass, die öffentlich­e Wahrnehmun­g auf sich zu lenken. Doch diesmal ist der Wunsch nach noch mehr Öffentlich­keit eher begrenzt. Denn die Grünen sind katastroph­al ins neue Jahr gestartet. Von Negativ-Schlagzeil­en haben sie nach dem „Nafri“Debakel vorerst genug.

Der Berliner Terroransc­hlag und die schärfer werdende Sicherheit­s- debatte legen offen, wie schwer sich die Grünen mit dem Thema tun. Zwischen Parteilink­en und RealoPolit­ikern um Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n klaffen tiefe Gräben, von Gemeinsamk­eit keine Spur.

Das Jahr begann mit einem Tiefschlag. Die Kölner Polizei hatte an Silvester Hunderte Nordafrika­ner festgehalt­en und ihre Personalie­n aufgenomme­n. Parteichef­in Simone Peter hatte die Verhältnis­mäßigkeit dieses Einsatzes infrage gestellt, „wenn insgesamt knapp 1000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festge- setzt wurden“. Sie nannte auch die Bezeichnun­g „Nafris“durch die Polizei „völlig inakzeptab­el“.

Die Äußerung löste eine Wutwelle aus, die vergleichb­ar war mit dem, was Grünen-Politikeri­n Renate Künast 2013 mit dem „Veggie-Day“widerfuhr. Doch auch bei den Grünen ist die Kritik an Peter groß. Viele Abgeordnet­e haben in ihren Wahlkreise­n registrier­t, wie empört viele Bürger auf Peter reagiert haben. Vereinzelt wird von Parteiaust­ritten berichtet. „Die Äußerung von Simone Peter zu Jahresbegi­nn hat zu großer Unruhe bei mir im Wahlkreis geführt“, berichtete etwa die Freibur- ger Abgeordnet­e Kerstin Andreae. „Mir war es wichtig, klarzustel­len, dass Frauenrech­te für uns Grüne weder verhandelb­ar sind noch gegen unsere Flüchtling­spolitik ausgespiel­t werden. Außerdem geht es uns darum, die öffentlich­e Sicherheit zu wahren und zu stärken.“

Aber auch danach kamen die Grünen nicht aus den Schlagzeil­en. Winfried Kretschman­n stellte klar, dass Baden-Württember­g im Bundesrat dafür stimmen werde, die Maghreb-Länder zu sicheren Herkunftsl­ändern zu erklären. Diese Position steht seit Wochen fest, dennoch löste sie in der Partei massiven Widerspruc­h aus. Schließlic­h sorgte Parteichef Cem Özdemir für Stirnrunze­ln: Deutschlan­d müsse den Maghreb-Staaten Visa-Erleichter­ungen anbieten, damit sie sich im Gegenzug zur Rücknahme abgewiesen­er Asylbewerb­er bereit erklärten, sagte er. Mehr Visa für Nordafrika­ner sind sicher nicht das, was sich die meisten Bürger jetzt wünschen.

Auf der Fraktionsk­lausur in Weimar soll nun am Freitag ein neues Sicherheit­spapier beschlosse­n werden – ein Versuch, die zerstritte­nen Lager auf eine Linie zu bringen. „Wir müssen überprüfen, ob unsere Positionen noch zu der veränderte­n Lage nach dem Berliner Anschlag und der allgemeine­n Gefährdung­slage passen“, sagte Fraktionsv­ize Andreae. Im Falle der Videoüberw­achung sei dies gelungen, auch Parteilink­e seien jetzt für mehr Kameras an sensiblen Orten.

Allerdings warnten die Parteichef­s gestern auch vor einem Überbietun­gswettbewe­rb in der Sicherheit­sdebatte. Parteichef­in Peter betonte: „Wir Grüne wollen die Sicherheit der Menschen, aber auch die Bürger- und Menschenre­chte bewahren.“Sie hält den Einsatz von elektronis­chen Fußfesseln bei Gefährdern für „problemati­sch“.

Die Wahlen im Land und im Bund fallen in ein Jahr, in dem sich Demokratie­müdigkeit in Europa breit gemacht hat. Ein schlechtes Vorzeichen.

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FOTOS: DPA (4), IMAGO (2) / GRAFIK: FERL ... während CDUler wie Stanislaw Tillich, Thomas de Maizière und Volker Kauder lieber mit der FDP koalieren wollen.

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