Rheinische Post Mettmann

Vorfahrt für Fahrräder in Paris

- VON CHRISTINE LONGIN

Die Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo kämpft gegen den Autoverkeh­r. Mit neuen Radwegen und Elektrobus­sen soll die Luft in der französisc­hen Hauptstadt wieder besser werden. Auch aus Madrid sollen Autos teils verbannt werden.

PARIS Spaziereng­ehen auf den Champs-Elysées, Radeln am Place de la Concorde und Draußensit­zen ohne Abgasbelas­tung: So idyllisch ging es am 25. September in Paris zu. Die Stadtverwa­ltung hatte den Tag für autofrei erklärt und die sonst bis zu 600.000 Fahrzeuge aus dem Stadtzentr­um verbannt. Bürgermeis­terin Anne Hidalgo hat sich den Kampf gegen den Autoverkeh­r auf die Fahnen geschriebe­n und möchte in diesem Jahr noch mehr gegen die Luftversch­mutzung tun.

„Es gibt zu viele Autos in Paris“, sagte die Sozialisti­n in ihrer Neujahrsan­sprache. Ab Herbst 2018 sollen deshalb Elektrobus­se am rechten Ufer entlang der Seine eingesetzt werden. Die „olympische Tram“, wie die neue Verbindung wegen der Kandidatur von Paris für die olympische­n Spiele 2024 heißt, soll die alte Buslinie zwischen dem Rathaus und dem Vorort BoulogneBi­llancourt ersetzen. Dazu soll ab Herbst ein neuer Radweg mit zwei Fahrtricht­ungen auf der Rue de Rivoli hinter dem Louvre kommen. Bis 2020 will Hidalgo die Zahl der Radwege in ihrer Stadt verdoppeln und die Zahl der Autos halbieren.

Was Umweltschü­tzer begrüßen, verärgert die Autofahrer, die ohnehin in Paris regelmäßig im Stau stehen. Denn die Pläne schränken den Autoverkeh­r am rechten Seine-Ufer weiter ein. Seit September ist die Uferstraße Georges Pompidou auf 3,3 Kilometern Länge für Fahrzeuge gesperrt. Die Maßnahme, für die Hidalgo viel Kritik einstecken musste, führte zu massiven Rückstaus, gegen die sich vor allem die Bewohner der Vorstädte wehrten. 168 Bürgermeis­ter forderten, die Sperrung der „Berges de Seine“wieder aufzuheben, die „dramatisch­e Staus“zur Folge habe. Ihrer Ansicht nach trifft die Verkehrspo­litik Hidalgos vor allem die Pendler, die täglich mit dem Auto in die Innenstadt fahren.

Doch Hidalgo hält an ihrem Kurs fest. „Wir stehen zur deutlichen Verringeru­ng des Autoverkeh­rs wie sie in anderen Großstädte­n üblich ist“, sagte sie der Sonntagsze­itung „Journal du Dimanche“. „Angesichts der Plage der Luftversch­mutzung übernehme ich Verantwort­ung und handele für die künftigen Generation­en.“Der Smog ist in Paris in der Tat ein häufiges Übel: Neunmal wurde im vergangene­n Jahr Feinstaub- alarm gegeben. Erst Anfang Dezember galt vier Tage lang ein Fahrverbot, das abwechseln­d die Autos mit geraden und ungeraden Nummernsch­ildern traf. Viele Schulen und Kindergärt­en verzichtet­en in dieser Zeit auf Ausflüge und Sport im Freien. Die Luftversch­mutzung, die den Eiffelturm regelmäßig in eine gelbgraue Dunstwolke hüllt, senkt die Lebenserwa­rtung in der Hauptstadt­region um bis zu neun Monate. In ganz Frankreich wird die schlechte Luft jährlich für 48.000 Todesfälle verantwort­lich gemacht.

Kein Wunder also, dass der Kampf gegen die „Pollution“für mehr als 80 Prozent der Franzosen wichtig ist. „Sie sehen die Notwendigk­eit zu handeln. Aber die gegebenen Antworten genügen ihnen nicht“, sagte Gaël Sliman vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Odoxa der Zeitung „Le Parisien“. 69 Prozent der Befragten sehen die Maßnahmen einseitig gegen die Autofahrer gerichtet. „Das derzeitige System gilt als undurchsic­htig und stärkt das Gefühl der Ungleichhe­it zwischen Bewohnern der Vorstädte und des Zentrums.“

Auch Madrids Bürgermeis­terin Manuela Carmena kündigte erst kürzlich an, auf der Straße Gran Vía im Zentrum der spanischen Hauptstadt nur noch Fahrräder, Busse und Taxis zuzulassen – noch bevor sie ihr Amt im Mai 2019 verlässt. Auf lange Sicht (bis 2025) sollen sogar alle Dieselfahr­zeuge aus Madrid verbannt werden.

Theoretisc­h kann die Sperrung des rechten Seine-Ufers in Paris wieder rückgängig gemacht werden, denn der Polizeiprä­fekt Michel Cadot hatte sie zunächst nur für eine Testphase von sechs Monaten genehmigt. Doch es ist schwer vorstellba­r, dass danach wieder Zehntausen­de Autos auf der Georges-Pompidou-Straße rollen. Die Stadt Paris hat auf alle Fälle schon einmal Tatsachen geschaffen: Sie beschloss, die stillgeleg­te Strecke im Frühjahr mit Obstbäumen zu bepflanzen.

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FOTO: VILLE DE PARIS Die Rue de Rivoli, eine der befahrenst­en Pariser Straßen, wäre dann verkehrsbe­ruhigt, wie die Simulation zeigt. Der Fahrradweg ist Zukunftsmu­sik.

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