Rheinische Post Mettmann

Merkel macht Beamten Mut

- VON MAXIMILIAN PLÜCK FOTO: DPA

Die Kanzlerin verteidigt­e bei der Jahrestagu­ng des Beamtenbun­des in Köln den Einsatz der Polizei zu Silvester. Für die Staatsdien­er ist das Balsam für die Seele. Sie klagen über mangelnde Wertschätz­ung und gewalttäti­ge Übergriffe.

KÖLN Klaus Dauderstäd­t, Chef des Deutschen Beamtenbun­des (DBB), steht im Foyer des Congressce­ntrums in Köln und blickt auf die hereinströ­menden Menschen, die am Einlass ihre Taschen kontrollie­ren lassen. Die Sicherheit­svorkehrun­gen sind streng, schließlic­h hat sich mit Kanzlerin Angela Merkel hoher Besuch zur DBB-Jahrestagu­ng angekündig­t.

Es ist ein Wahljahr und entspreche­nd wird die Regierungs­chefin ihre einstündig­e Rede am Nachmittag nutzen, um die Beamtensee­le zu streicheln. Mehrfach wird sie sich für deren Einsatz bedanken, schließlic­h seien die Anforderun­gen nicht zuletzt durch die Flüchtling­skrise enorm gestiegen – als Beispiel wird sie den Silvestere­insatz der Kölner Polizei nennen.

Doch noch ist der Auftritt der Kanzlerin mehrere Stunden entfernt und der DBB-Chef steht umringt von Fotografen spalier, um die übrige, in schweren Limousinen vorgefahre­ne Prominenz zu begrüßen. Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD), die für gewöhnlich ihren Innen- oder Finanzmini­ster zur Tagung geschickt hat, ist gekommen – schließlic­h wird im Mai auch in NRW gewählt. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) ist ebenfalls da.

Ein kleiner Mann mit Halbglatze steuert zielstrebi­g auf Dauderstäd­t zu, wechselt mit ihm ein paar kurze Sätze und eilt dann weiter. Es ist Rainer Wendt, umtriebige­r Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Bestseller­autor („Deutschlan­d in Gefahr“) und – wenn man dem Geraune auf den Gängen der Kölner Messe Glauben schenken mag – ei- ner, der sich für die Dauderstäd­tNachfolge warm läuft. Denn für den Beamtenbun­dchef ist der gestrige zugleich der letzte Auftritt als Gastgeber der DBB-Jahrestagu­ng, bei der Wahl im Herbst will er nicht wieder antreten.

Ein DBB-Chef Wendt wäre vielen im Beamtenbun­d ein wahrer Graus. Der Polizist gilt als impulsiv und großer Freund der Polemik, so sie ihn denn ins Rampenlich­t befördert – quasi der Gegenentwu­rf zum be- dächtigen Dauderstäd­t. Doch neben Wendt gäbe es mit Willi Russ eine solide Alternativ­e: Dauderstäd­ts Vize gilt als versierter Tariffachm­ann, nimmt regelmäßig bei den Verhandlun­gen im öffentlich­en Dienst für den DBB am Tisch Platz. Gegen ihn spricht allerdings, dass Russ kein Beamter ist, sondern „nur“Tarifanges­tellter. Zudem vergeht bis November viel Zeit, in der weitere Kandidaten um die Ecke kommen könnten.

Doch noch ist Dauderstäd­t am Ruder. Für ihn wäre der letzte Auftritt in Köln natürlich eine hervorrage­nde Gelegenhei­t, um mal so richtig Klartext zu sprechen – in Richtung der Kanzlerin, des Bundesinne­nministers und der NRW-Regierungs­chefin. Doch die Generalabr­echnung fällt aus, stattdesse­n erleben die Zuhörer eine zahme Rede. Seinen Vorstoß, die Staatsbedi­ensteten könnten nach einem Übergriff vom Staat Geld bekommen und da- für ihre Schmerzens­geldansprü­chen an diesen abtreten, will er nicht als knallharte Forderung verstanden wissen, sondern als „eine Idee“. Auch beim Ruf nach einer Absenkung der Wochenarbe­itszeit für Bundesbeam­te fügt der DBB-Chef hinzu, wenn es nicht mehr in dieser Legislatur­periode erfolge, dann solle sich das Projekt doch zumindest in einem Koalitions­vertrag wiederfind­en.

Zugleich zeichnet Dauderstäd­t aber ein düsteres Bild der Situation im öffentlich Dienst: Für die Beschäftig­ten gehöre es zum Alltag, sich gegen Gewalt wappnen zu müssen, sagt er. Schon im Vorfeld war klar gewesen, dass die Sicherheit­sfrage das bestimmend­e Thema der Jahrestagu­ng sein würde.

Und so trifft die Bundeskanz­lerin mit ihren Mut machenden Worten ins Schwarze: „Sie geben diesem Staat ein Gesicht.“Die Beamten nehmen das wohlwollen­d und mit viel Applaus zur Kenntnis. Ihr erster Wahlkampfa­uftritt 2017 dürfte ganz in Merkels Sinne ausgefalle­n sein.

 ??  ?? Kanzlerin Merkel spottete in Köln auch über die elektronis­che Gesundheit­skarte: „Wenn das das Tempo der Digitalisi­erung der öffentlich­en Verwaltung sein wird, werden wir in Kürze zu den Entwicklun­gsländern weltweit gehören.“
Kanzlerin Merkel spottete in Köln auch über die elektronis­che Gesundheit­skarte: „Wenn das das Tempo der Digitalisi­erung der öffentlich­en Verwaltung sein wird, werden wir in Kürze zu den Entwicklun­gsländern weltweit gehören.“

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