Rheinische Post Mettmann

Geduldspro­be im Sattel

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Maurice Tebbel (22) ist einer der talentiert­esten Reiter Deutschlan­ds. Doch der Weg ins Olympiatea­m ist weit. Wohl zu weit. Denn die Dichte an erfahrenen Reitern mit guten Pferden ist hoch. Ein Nationenwe­chsel wäre eine Lösung.

EMSBÜREN Mutter und Sohn wechseln kurz Blicke, dann grinsen beide. Die Frage an Maurice Tebbel hatte gelautet: Ist es als 22-Jähriger manchmal hart, die Freunde auf Partys zu wissen, während man selbst auf einem Turnier reitet? „Es gibt schon genug Feten, keine Sorge“, ruft Mutter Erika auf dem Weg in die Küche, während Maurice vom Wohnzimmer aus ergänzt: „Es stimmt. Die Reiter-Feten sind nicht die schlechtes­ten. Und außerdem habe ich mittlerwei­le mehr Reiterfreu­nde als Freunde hier im Dorf.“

Es ist ein Dienstagmo­rgen bei den Tebbels. Im schmucken Einfamilie­nhaus am Rand von Emsbüren, einer Kleinstadt in Niedersach­sen, kurz hinter der Grenze zu NRW. Nebenan liegen die Plätze vom SV Concordia, bei dem Maurice bis vor anderthalb Jahren noch Fußball gespielt hat. „Ich war Stürmer“, sagt er. Maurice hat im Haus Pantoffeln über die Reitstiefe­l gezogen. Letztere sind für ihn Sport- und Arbeitssch­uhe zugleich. Denn in beiden Lebensbere­ichen dreht sich für Tebbel junior alles ums Pferd. Daheim in der Hengststat­ion von Vater René und als einer der besten deutschen Nachwuchs-Springreit­er.

Die Hengststat­ion ist ein Betrieb mit zwei Höfen und mehr als 100 Pferden. Ausbildung, Verkauf, Zucht, das ist das täglich Brot der Familie – die Basis. Der Reitsport ist das Extra. Eins, in dem Maurice – wie auch Schwester Justine – seit Jahren großes Talent nachweist. Deswegen fördert der Vater, selbst erfolgreic­her Springreit­er, beide. „Aber er macht mir keinen Druck. Wenn er nicht an mich glauben würde, hätte er die Pferde, die ich reite, ja schon verkaufen können“, sagt Maurice Tebbel.

Doch das tut René Tebbel nicht. Er stellt dem Filius immer wieder gute Pferde. Und das ohne Sponsoren. So ist Maurice mit der Hannoveran­er Stute Camilla und Westfalen-Hengst Chacco’s Son unterwegs. Er war Junioren-Europameis­ter 2012, er ist im B-Kader der Reiterlich­en Vereinigun­g (FN), machte im Vorjahr bei seiner Premiere beim CHIO in Aachen mit drei zweiten Plätzen auf sich aufmerksam und war zuletzt beim Weltcup in London zweitbeste­r Deutscher. Ende Oktober hatte er auch das Fünf-SterneTurn­ier in Lyon reiten wollen, aber nachdem er im Tränkeeime­r seines Pferdes eine Paste gefunden hatte, verzichtet­e er, um kein ungewollte­s Dopingverg­ehen zu riskieren.

Nicht reiten zu können, wie in Lyon, das ist für ihn das Schlimmste. „In meinem Alter ist man ehrgeizig, vielleicht manchmal zu ehrgeizig“, sagt er. Der sportliche Alltag verlangt von ihm dabei das Gegenteil von Ehrgeiz ab: Geduld. Insofern ist seine Geschichte auch eine über die Situation junger Reiter im Land. „Jeder junge Reiter träumt davon, einmal bei Olympia oder bei einem Championat reiten zu dürfen. Aber es gibt so viele gute Reiter. Und die werden ja auch nicht weniger“, sagt Maurice. Fußballer hören mit Mitte 30 auf, Ludger Beerbaum ritt mit 52 Jahren noch zu Team-Bronze bei Olympia.

Im deutschen B-Kader sind 18 Namen aufgeführt. Der A-Kader umfasst acht Namen, Reiter wie die erfahrenen Marcus Ehning (42), Christian Ahlmann (42), Meredith Michaels-Beerbaum (47), Daniel Deußer (35) oder Marco Kutscher (41). Drei aus dieser Gruppe reiten in der Regel für Deutschlan­d – nur noch drei, seit- Karten für den Concours Hippique Internatio­nal Officiel (CHIO) in Aachen gibt es im Internet unter www.westticket.de dem der Weltverban­d FEI gegen den Widerstand der FN die Regularien im Teamspring­en ab Olympia 2020 um einen Reiter und damit um das bis dato übliche Streicherg­ebnis reduziert hatte. „Es gibt hierzuland­e immer drei routiniert­e Reiter, die werden immer ein gutes Pferd haben und deswegen immer vorne mit dabei sein. An denen vorbeizuko­mmen, ist in den nächsten Jahren fast schon unmöglich für einen jungen Reiter wie mich“, sagt Maurice Tebbel. Er sagt es nicht verbittert. Er sagt einfach, wie es ist.

Vater René war mal verbittert. 2007 war er als erster Springreit­er dreimal in Folge Deutscher Meister geworden, aber trotzdem nicht fürs Team bei der EM nominiert worden. Damals drohte er mit einem Nationenwe­chsel. Den vollzog er schließlic­h auch – 2013 wurde René Tebbel Nationaltr­ainer der Ukraine, ab 2015 ritt er dann auch selbst für die Osteuropäe­r. 2016 wurde er bei Olympia in Rio 19. im Einzel. Denkt Maurice Tebbel nicht manchmal an das Beispiel seines Vaters? „Ein Wechsel steht momentan nicht zur Debatte. Man kann ja auch nicht wieder nach Deutschlan­d zurückwech­seln und ein Championat reiten“, sagt er.

Und das bleibt eben sein großer Traum.

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FOTO: IMAGO Maurice Tebbel auf Hengst Chacco’s Son

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