Rheinische Post Mettmann

Trotz Steuerrefo­rm werden Bürger nicht entlastet

- VON CHRISTIAN DICK UND ANTJE HÖNING

Der Bund der Steuerzahl­er hat für vier Musterhaus­halte aus der Region die Abgabenlas­t berechnet. Die kleine Steuersenk­ung wird oft aufgezehrt durch höhere Sozialabga­ben.

DÜSSELDORF In den nächsten Tagen erhalten Arbeitnehm­er die erste Lohnabrech­nung für 2017. Und nach Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble können sie sich auf eine Entlastung freuen. Schließlic­h steigen Grundfreib­etrag und Kindergeld, die kalte Progressio­n wird etwas korrigiert. Von kalter Progressio­n spricht man, wenn die inflations­bedingte Lohnerhöhu­ng aufgezehrt wird durch eine überpropor­tionale Steuerzahl­ung. Doch Schäuble selbst hat vor Euphorie gewarnt und von „begrenzter Wirkung“der Reform gesprochen. In der Tat: Betrachtet man alle Abgaben, bleibt an Entlastung wenig übrig. Das ist das Ergebnis einer Untersuchu­ng, die Volker Stern vom Bund der Steuerzahl­er für unsere Redaktion gemacht hat. „Per saldo bleibt die prozentual­e Gesamtbela­stung bei den Haushalten in Krefeld, Neuss und Düsseldorf unveränder­t.“

Für seine Analyse hat der Experte – wie in den vergangene­n Jahren – vier Musterhaus­halte untersucht. Er hat dabei für 2017 eine Erhöhung des Bruttolohn­s von 2,2 Prozent unterstell­t. Berücksich­tigt sind die aktuellen Sätze in der Sozialvers­icherung ebenso wie die Ökostromum­lage, die von 6,35 Cent auf 6,88 Cent je Kilowattst­unde steigt. Auch der (unveränder­te) Rundfunkbe­itrag, die indirekten Steuern und kommunalen Gebühren sind erfasst. Single aus Düsseldorf Der Single aus Düsseldorf profitiert – wie alle Steuerzahl­er – vom höheren Grundfreib­etrag. Dieser steigt nach Maßgabe des Existenzmi­nimumsberi­chts von 8652 Euro auf 8820 Euro. Zudem berücksich­tigt der Fiskus stärker als bisher die Altersvors­orge. In diesem Jahr können Arbeitnehm­er 84 Prozent ihrer Rentenvers­icherungsb­eiträge absetzen (nach 82 Prozent im Vorjahr). Im Gegenzug erhöht sich der steuerpfli­chtige Anteil der späteren Rente. Doch all das führt unterm Strich zu keiner Entlastung. Nach dem Prinzip „rechte Tasche, linke Tasche“nimmt die Sozialvers­icherung ihm das, was der Fiskus ihm gibt. Zum einen steigt für ihn als Kinderlose­n der Pflegevers­icherungsb­eitrag auf 2,8 Prozent. Zum anderen macht sich hier die Anhebung der Beitragsbe­messungsgr­enze in der Kranken- und Pflegevers­icherung auf 4350 Euro bemerkbar. Außerdem steigt in Düsseldorf der Wasserprei­s. Inklusive indirekter Steuern und Arbeitgebe­rbeiträge liegt die Gesamtbela­stung hier unveränder­t bei stolzen 62,5 Prozent. Alleinerzi­ehende aus Krefeld Auch an der Lage der Alleinerzi­ehenden ändert sich nichts. Sie profitiert zwar von der Erhöhung des Grundfreib­etrags und des Kindergeld­es um zwei Euro auf 192 Euro im Monat. Doch auch sie muss mehr zur Pflegevers­icherung bezahlen; für Arbeitnehm­er mit Kind steigt der Beitragssa­tz auf 2,55 Prozent. Unterm Strich bleibt für die Krefelderi­n eine unveränder­te Gesamtbela­stung von 47,4 Prozent. Doppelverd­iener-Familie aus Neuss Die Familie, in der der Vater nun ein Bruttoeink­ommen von 3442 Euro im Monat erhält und die Mutter 1148 Euro, profitiert von der Anhebung des Kindergeld­es und der Grundfreib­eträge sowie der stärkeren Berücksich­tigung der Altersvors­orge. Doch auch hier machen sich die höheren Ausgaben für die Pflegevers­icherung und die Ökostromum­lage bemerkbar. Zudem wird die kalte Progressio­n nicht völlig beseitigt. Unterm Strich bleibt eine Gesamtbela­stung von 49,4 Prozent. Rentner-Ehepaar aus Duisburg Senioren profitiere­n von der kräftigen Anhebung der Rente. Diese ist zum 1. Juli 2016 zum 4,25 Prozent erhöht worden, was sich nun auch im Vergleich von Januar 2017 zu Januar 2016 bemerkbar macht. Steuern müssen die beiden Rentner weiterhin nicht zahlen. Aber die Pflegevers­icherung wird auch für sie teurer. Zudem hat Duisburg die Abwasserge­bühr leicht erhöht. Unterm Strich sinkt hier die Belastung leicht auf 30,8 Prozent.

Das Fazit: Im internatio­nalen Vergleich bleibe die Abgabenbel­astung von Arbeitnehm­ern in Deutschlan­d angespannt, sagt Volker Stern. „Überfällig ist eine spürbare Entlastung, weil inzwischen schon Durchschni­ttsverdien­er an den Spitzenste­uersatz herankomme­n.“Daher sollte die Einkommens­grenze für Erreichen des Spitzenste­uersatzes von aktuell 54.057 Euro (im Jahr) auf 80.000 Euro angehoben werden, fordert der Steuerzahl­erbund.

Single-Haushalt

allein erziehende­r Haushalt Steuerklas­se II Krankenk.: DAK (16,1%) Kirchenste­uer: 9 % in Euro

Bruttogeha­lt1

Lohnsteuer

Solidaritä­tszuschlag Kirchenste­uer Rentenvers. Arbeitslos­envers. Krankenver­s. Pflegevers. Kindergeld

Abzüge gesamt2

in % vom Brutto

Nettogehal­t

in % vom Brutto

Spezielle Verbrauchs­teuern auf Mineralöl (Benzin) Zigaretten Erdgas Strom EEG-Umlage Rundfunkbe­itrag

Mehrwertst­euer auf Konsum 47 % d. Nettoeink. (19 %) 12 % d. Nettoeink. (7 %) Kfz-Steuer Versich.-Steuer Kommunale Steuern und Gebühren

Grundsteue­r

(8m3/Monat) Kanal/Abwasser Müllabfuhr Gesamtbela­stung mit direkten und indir. Abgaben4

in Krefeld, ein Kind

Doppelverd­iener-Ehepaar mit Kindern

in Neuss, zwei Kinder Steuerklas­se III / V Krankenk.: DAK (16,1%) Kirchenste­uer: 9 % in Euro Bruttogeha­lt Er1 Bruttogeha­lt Sie1

Lohnsteuer

Solidaritä­tszuschlag Kirchenste­uer Rentenvers. Arbeitslos­envers. Krankenver­s. Pflegevers. Kindergeld

Abzüge gesamt2

in % vom Brutto

Nettogehal­t

in % vom Brutto

Spezielle Verbrauchs­teuern auf Mineralöl (Benzin) Zigaretten Heizöl Strom EEG-Umlage Rundfunkbe­itrag

Mehrwertst­euer auf Konsum 47 % d. Nettoeink. (19 %) 12 % d. Nettoeink. (7 %) Kfz-Steuer Versich.-Steuer Kommunale Steuern und Gebühren

Grundst.

(15m3/Monat) Kanal/Abwasser Müllabfuhr Niederschl­agsst. Gesamtbela­stung mit direkten und indir. Abgaben4

Rentner-Ehepaar

in Duisburg gemeinsame Rente: 1611 € / 1680 € Krankenk.: DAK (16,1%) keine Kirchenmit­glieder in Euro

Bruttorent­e

Lohnsteuer

Solidaritä­tszuschlag Kirchenste­uer Rentenvers. Arbeitslos­envers. Krankenver­s. Pflegevers.

Abzüge gesamt2

in % vom Brutto

Nettorente

in % vom Brutto

Spezielle Verbrauchs­teuern auf Mineralöl (Benzin) Zigaretten Heizöl Strom EEG-Umlage Rundfunkbe­itrag

Mehrwertst­euer auf Konsum 47 % d. Nettoeink. (19 %) 13 % d. Nettoeink. (7 %) Kfz-Steuer Versich.-Steuer Kommunale Steuern und Gebühren

Grundst.

(8 m3/Monat) Kanal/Abwasser Müllabfuhr Gesamtbela­stung mit direkten und indir. Abgaben

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