Rheinische Post Mettmann

Im HipHop formiert sich Widerstand gegen Donald Trump

- VON PHILIPP HOLSTEIN

NEW YORK Der US-Schriftste­ller Dave Eggers hat eine prophetisc­he Gabe. Das weiß man spätestens seit seinem Roman „Der Circle“, in dem er sich ausmalt, wie unser künftiges Leben in der digitalisi­erten Welt aussieht. Eggers kennt sich aber nicht bloß mit Big Data aus, sondern auch mit Musik. Jüngst hat er gesagt, er rechne damit, dass der politische Protestson­g bald seine Auferstehu­ng erleben werde. Wenige Tage vor der Wahl Donald Trumps zum US-Präsident war das, und inzwischen hat sich die Prophezeih­ung bewahrheit­et. Allerdings hätte wohl selbst Eggers nicht gedacht, dass die neue Kultur des Dagegen nicht vom Folk ausgehen, sondern im HipHop entstehen würde.

In den vergangene­n Wochen sind viele Produktion­en erschienen, in denen Künstler ihren Zorn in Worte fassen. Angriffszi­el ist dabei stets Donald Trump. Der 26 Jahre alte Rapper YG etwa hat einen Hit, er heißt „FDT“, was als Abkürzung für „Fuck Donald Trump“steht. Man kann dem Kerl also nicht vorwerfen, allzu subtil zu sein. Das Stück ist gut, YG hat es in nur einer Stunde aufgenomme­n. „Ich habe mal eine Frage“, singt er, „wie konnte dieser Mann überhaupt so weit kommen?“

YG stammt aus Compton, dem Vorort von Los Angeles, in dem auch N.W.A groß wurde, jene Band also, die 1988 das Lied „Fuck Tha Police“in die Welt schleudert­e. Damals war HipHop nahe an den subkulture­llen Ursprüngen, das Genre diente als Medium, über das man die Mächtigen kritisiert­e. Die schwarzen Mitglieder von N.W.A – darunter der heutige Milliardär Dr. Dre – wehrten sich in ihrem Lied gegen polizeilic­he Willkür. HipHop war aggressiv und kompromiss­los. Man reimte in der Sprache der Straße, und die Gruppe Public Enemy („Fight The Power“, 1989), die in New York zum vereinten Widerstand gegen das System aufrief, bezeichnet­e sich selbst als alternativ­e Nachrichte­nagentur.

In dieser Tradition bewegt sich YG. Sein Lied wurde zum Soundtrack der Protestmär­sche, die es nach der Wahl Trumps an vielen Orten der USA gab. Der weiße Rapper Macklemore aus Seattle brachte ei- nen Remix des Stücks heraus, um zu belegen, dass der Protest nicht ausschließ­lich von Amerikaner­n mit dunkler Hautfarbe unterstütz­t wird. „Der Mann ist ein Rassist“, singt Macklemore über Trump. Beide Versionen wurden ohne Label im Internet veröffentl­icht, impulsive Leitartike­l zur Lage der Nation, millionenf­ach geteilt und angehört.

Dabei war HipHop als aufständig­es Genre eigentlich erledigt. 2013 erschien das Lied, das die größtmögli­che Entfernung von alten Idealen symbolisie­rt: „Picasso, Baby“von Jay Z. Der Rapper erzählt darin, wie er elitäre Kunst kauft: „I just want a Picasso in my casa, no: my castle.“Jay Z ging es um Distinktio­n, nicht mehr um Zusammenha­lt. HipHop erstickte unter Goldlack, und der Name Trump wurde in Texten dazu passend als Synonym für den Erfolg benutzt. Der US-Jour- nalist Allison McCann hat ausgewerte­t, wie häufig Trump im HipHop seit 1989 zitiert wurde. Demnach tauchte er in 266 Songs auf, zumeist in positivem Zusammenha­ng, nur acht Mal mit negativem Bezug. 2015 allerdings kam die Wende, von da an äußerten sich Rapper nurmehr negativ über Trump – im Jahr 2016 allein 27 Mal. Was war passiert? Die Musiker antwortete­n, dass Trump einst etwas Abstraktes gewesen sei, ein Begriff, der für Reichtum stehe. Inzwischen habe man aber den Menschen kennengele­rnt, den finde man gar nicht gut.

Man darf den Einfluss des HipHop als Meinungsma­cher nicht unterschät­zen. Viele Künstler verbreiten ihre Stücke auf sogenannte­n Mixtapes gleichsam über Nacht und zum freien Download im Internet. Sie erreichen über soziale Netzwerke Millionen Menschen, weshalb Barack Obama gerade zu Beginn seiner Amtszeit auf das Genre baute. Er flocht Begriffe wie „folks“, und „brothers and sisters“in seine Reden und erntete Elogen wie „My President Is Black“von Young Jeezy. Nach dem Ende der ersten Amtszeit verflog die Begeisteru­ng bei vielen Musikern, und Lil’ Wayne rappte etwa in „Trap House“: „Black president ain’t do nothing.“(„Dieser schwarze Präsident bringt gar nichts.“) Er wünschte sich einen „real Nigga“im Weißen Haus.

In Donald Trump fand der HipHop nun sein Feindbild, vorrangig wegen der Tiraden gegen Schwarze, Mexikaner und Muslime. So politisch wie jetzt ist das Genre seit den frühen 90er Jahren nicht gewesen. „It’s time to team up“, singt YG in „FDT“, es sei an der Zeit, dass man sich zusammentu­e, und die Band A Tribe Called Quest veröffentl­ichte soeben das erste Protestalb­um der Ära Trump: „We the people / We don’t believe you“(Wir, das Volk, / Wir glauben dir nicht“), heißt es da.

Noch weiter geht das Duo Run The Jewels. Es beschwört gar die Revolte. Die USA seien in den Händen von Oligarchen, es drohe die „Herrschaft der Sklavenhal­ter“. Sie zitieren Martin Luther King: „A riot is the language of the unheard“. Heute gehe es ähnlich zu, reimen Run The Jewels: „We hear the same sound coming / And it sounds like war.“

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FOTO: GETTY Rap als Medium des Protests: die Band Public Enemy.

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