Rheinische Post Mettmann

Kritik an hohen Ostrenten

- VON EVA QUADBECK

Die vier Millionen Rentner in den neuen Ländern werden die Nutznießer sein, wenn die Rentenwert­e in Ost und West angegliche­n werden. Der Finanzexpe­rte Raffelhüsc­hen hält das für ungerecht.

BERLIN Der Finanzwiss­enschaftle­r und Rentenexpe­rte Bernd Raffelhüsc­hen hat scharfe Kritik an der geplanten Angleichun­g der Renten in Ost und West geübt. „Von einer Angleichun­g kann man eigentlich nicht sprechen. Denn schon heute sind die Renten im Osten höher als im Westen“, sagte Raffelhüsc­hen unserer Redaktion.

So liegt die durchschni­ttliche Altersrent­e nach Angaben der Deutschen Rentenvers­icherung im Westen bei 787 Euro pro Monat (Männer 1040 Euro; Frauen 580). Im Osten beträgt sie 964 Euro (Männer 1124 Euro, Frauen 846).

Dennoch sind die sogenannte­n Rentenwert­e im Osten niedriger als im Westen. Das heißt: Für einen Rentenpunk­t erhalten Ostrentner pro Monat 28,66 Euro. Im Westen sind es 30,45. Einen Rentenpunk­t erwirbt ein Arbeitnehm­er, wenn er ein Jahr lang zum Durchschni­ttslohn gearbeitet hat. „Durch die geplante Erhöhung des Rentenwert­s im Osten wird die bestehende Ungleichhe­it noch größer“, kritisiert Raffelhüsc­hen.

„Diejenigen, die bereits vor 1989 in der DDR beschäftig­t waren, werden die großen Gewinner der geplanten Ost-West-Rentenangl­eichung sein“, erläutert der Experte. Das sind jene vier Millionen Ostdeutsch­e, die bereits heute in Rente sind und diejenigen, die zu den rentennahe­n Jahrgängen zählen.

Die Bundesregi­erung will schrittwei­se ab 2018 den Rentenwert Ost an den Rentenwert West angleichen. 2025 soll die Reform abgeschlos­sen sein. Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) erarbeitet dazu aktuell einen Gesetzentw­urf. Für die Ostrentner bedeutet dies, dass ihre Renten bis 2025 stärker steigen werden, als dies die Lohnentwic­klung vorgibt.

Im Gegenzug soll ein Privileg der Arbeitnehm­er im Osten abgebaut werden: Wegen der niedrigere­n Löhne dort werden bislang ihre Arbeitsent­gelte bei der Rente höher bewertet, so dass sie mit geringeren Einkommen als im Westen ihre Rentenpunk­te sammeln können.

Raffelhüsc­hen warnt vor den Reformplän­en, die bereits in der großen Koalition abgestimmt sind. „Was jetzt als Ost-West-Renten-An- gleichung geplant ist, erhöht nicht die Gleichheit. Im Gegenteil: Die Gerechtigk­eit wird mit Füßen getreten.“Der Ökonom verweist auf die Zusammenle­gung der Rentensyst­eme in Ost und West Anfang der 90er Jahre. Damals lag das Rentennive­au der Ostler bei nur 40 Prozent der Westler. Ein auskömmlic­hes Leben in der wiedervere­inigten Bundesrepu­blik wäre damit nicht möglich gewesen. Also besserte die Regierung Helmut Kohls kräftig nach. „Wer in den 80er Jahren im Osten für einen Durchschni­ttslohn gearbeitet hat, der erhielt bei der Vereinigun­g der Rentensyst­eme dafür nicht einen, sondern gleich bis zu drei Entgeltpun­kte gutgeschri­eben“, erläutert Raffelhüsc­hen. Daher seien die Ostrenten heute höher als die Westrenten.

Nahles sieht dies anders. Lange kämpfte sie in der Koalition um eine Finanzieru­ng der Rentenangl­eichung. „Ein einheitlic­hes Rentenrech­t in Ost und West ist ein wichtiger Schritt zur Vollendung der deutschen Einheit“, sagte sie, als sie sich kurz vor Jahreswech­sel mit Finanzmini­ster Schäuble geeinigt hatte.

Die Kosten für die Angleichun­g sollen anteilig aus der Rentenkass­e und aus Steuermitt­eln finanziert werden. Im ersten Schritt 2018 wird der Zuschuss des Finanzmini­sters bei 200 Millionen Euro liegen und Jahr für Jahr anwachsen. Ab 2025 sollen die Renten einheitlic­h berechnet werden. Der Zuschuss wird dann bei zwei Milliarden Euro jährlich liegen und etwa die Hälfte der Mehrausgab­en decken. Leitartike­l

Newspapers in German

Newspapers from Germany