Rheinische Post Mettmann

Abschied von der Zwei-Staaten-Lösung

- VON CHRISTOPH ZÖPEL

Aref Hajjaj plädiert für einen gemeinsame­n Staat von Israelis und Palästinen­sern und löst damit eine Kontrovers­e aus.

Informatio­nen zum gewaltträc­htigen Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern gibt es in Deutschlan­d vielfältig, beeinfluss­t von der Hypothek des Holocaust, von Anschlägen palästinen­sischer Terrorrist­en, von Kriegen Israels. Politische Bewertunge­n neigen resignativ zur Aussichtsl­osigkeit einer Konfliktlö­sung. Zu einem abwägenden Verständni­s können Darstellun­gen des Konflikts durch Israelis und Palästinen­ser führen. Israelisch­e Publikatio­nen sind dabei deutlich in der Mehrzahl. Umso nützlicher ist deshalb das Buch „Land ohne Hoffnung?“des bekannten Palästinen­sers Aref Hajjaj, fokussiert auf arabischen Nationalis­mus und politische­n Islam. Die historisch­e Analyse des Autors betrifft Europa zentral: „Die Wurzeln des Nahostkonf­likts sind nicht im Nahen Osten, sondern einzig in Europa zu suchen.“Das kontrastie­rt europäisch­e politische Resignatio­n bezüglich der „Unlösbarke­it des israelisch-palästinen­sischen Konflikts“. Nach Hajjaj lässt sich diese These objektiv nicht verifizier­en. Sein Fazit: „Der Konflikt ist lösbar.“

Die Sicht Hajjajs ist von seiner Biografie mitbestimm­t. 1948 aus Palästina vertrieben, studierte er in Deutschlan­d und war als Dolmetsche­r im Auswärtige­n Amt tätig. So sind ihm die Geschichte deutschen politische­n Denkens wie die Nahostpoli­tik vertieft bekannt. Er nutzt sie, um arabisches politische­s Denken seit dem Ende des 19. Jahrhunder­ts darzustell­en. Es wurzelt in negativen Beweggründ­en, im Empörungsp­otenzial über Rückständi­gkeit und Zersplitte­rung der arabisch-islamische­n Länder und im Hass auf äußere Feinde, die europäisch­en Kolonialmä­chte.

Die politische­n Antworten verbanden religiös-islamische mit nationalen Zielen. Der arabische Nationalis­mus fand dabei seinen Bezugspunk­t im deutschen Nationalis­mus, exemplaris­ch formuliert durch den Philosophe­n Johann Gottlieb Fichte. Auch bei ihm war der Nationalis­mus geprägt durch Widerstand gegen den äußeren Feind, Frankreich, postuliert wegen staatliche­r Zersplitte­rung. Beide Nationalis­men sind auf die Gemeinsamk­eit von Sprache, Ursprung, Ge- schichte, Kultur und Bildung ausgericht­et.

Negative Beweggründ­e ließen auch den Zionismus entstehen, in Europa, wegen Diskrimini­erung und Pogromen gegen die Juden. Und auch der Zionismus war eine religiöse wie nationalis­tische Antwort auf diese Zustände. Arabischer Nationalis­mus wie Zionismus wurden Realität mit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 wie in der Politik arabischer Staaten, allen voran des bevölkerun­gsreichste­n, Ägypten. Dabei manifestie­rte sich arabischer Nationalis­mus einzel- staatlich wie panarabisc­h. Der israelisch-palästinen­sische Konflikt war für beides ausschlagg­ebend. Einerseits begründete die Unterstütz­ung für die Palästinen­ser den Panarabism­us des ägyptische­n Präsidente­n Gamal Abdel Nasser. Anderersei­ts entstand eine palästinen­sische Nation in der Diaspora, durch Gründung der Fatah 1958 in Kuwait, später der PLO 1964 durch Ägypten.

Konzeption­ell wie völkerrech­tlich gewann die nationale Dimension des arabischen wie des zionistisc­hen Denkens gegenüber der religiösen an Gewicht; eine Zwei-Staa- ten-Lösung war die internatio­nal formuliert­e Folge. In Oslo 1993 wurde den Palästinen­sern ein Staat versproche­n, seine Verwirklic­hung steht in Konflikt mit der Vorstellun­g vom angestammt­en israelisch­en Land. Das Ausbleiben wirklicher palästinen­sischer Staatlichk­eit erklärt den Aufstieg der Hamas, die die panislamis­tische, also religiöse Dimension des politische­n arabischen Denkens instrument­alisiert.

In dieser Situation bezogen auf die heutige Zeit hält der Palästinen­ser Hajjaj die Zwei-Staaten-Lösung zwar für die „grundsätzl­ich optimale“, aber für eine gescheiter­te. Und so sieht er langfristi­g „keine Alternativ­e zur Option eines gemeinsame­n demokratis­chen Staates für Israelis und Palästinen­ser“. Wie sie gelingt, bleibt offen.

Darstellun­gen des Konflikts durch Palästinen­ser sind unterschie­dlich. Deshalb sei auf ein anderes Buch verwiesen, das bereits im Jahr 2011 erschien, „Der Gesandte“von Abdallah Frangi, durch Jahrzehnte bekannt als Repräsenta­nt der PLO in Deutschlan­d. Er hält an einem eigenen palästinen­sischen Staat fest. Frangi ist geprägt von dem Leid, das der Konflikt Palästinen­sern durch Israel wie durch interne Auseinande­rsetzungen zugefügt hat. Zu Hajjaj meint er, dass der, in Deutschlan­d lebend, nicht bei diesem Leiden dabei war.

 ?? FOTO: DPA ?? Der historisch­e Handschlag 1993 zwischen dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Jitzchak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat nach der Unterzeich­nung des Oslo-Abkommens in Washington unter Vermittlun­g von US-Präsident Bill Clinton.
FOTO: DPA Der historisch­e Handschlag 1993 zwischen dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Jitzchak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat nach der Unterzeich­nung des Oslo-Abkommens in Washington unter Vermittlun­g von US-Präsident Bill Clinton.

Newspapers in German

Newspapers from Germany