Rheinische Post Mettmann

Der Westen und der Terrorismu­s

- VON CHRISTIAN DICK

Ein Experte gibt Handlungse­mpfehlunge­n für den Umgang mit Dschihadis­ten.

Seit den Anschlägen in New York 2001 steht auch Europa immer öfter im Fadenkreuz islamistis­ch motivierte­r Terroransc­hläge. Man denke an Madrid, London, Kopenhagen, Paris, Brüssel, Nizza und jüngst Berlin. Mit seinem neuen Buch „Der Terror ist unter uns“liefert der Terrorismu­sforscher Peter R. Neumann eine hochaktuel­le und lesenswert­e Analyse über Terrorismu­s und Extremismu­s in Europa. Er beschreibt darin, was Deutschlan­d in den nächsten Jahren erwartet und wie sich die Gesellscha­ft vor Terrorismu­s schützen kann.

Zurzeit geht die wohl größte Bedrohung in Europa vom Dschihadis­mus aus, lautet die Kernaussag­e. Neumann (41) muss es wissen. Der Professor für Sicherheit­sstudien und Direktor des Internatio­nal Centre for the Study of Radicalisa­tion am Londoner King’s College beschäftig­t sich schon lange mit dem Thema Terrorismu­s. Mit seinen Mitarbeite­rn wertete er die Facebook-, Twitter- und Instagram-Profile von Briten aus, die als Dschihadis­ten im Nahen Osten kämpfen.

Im ersten Teil seines Buches beschreibt der Wissenscha­ftler anschaulic­h, warum und wie ein junger Mensch aus Europa zum Terroriste­n wird. Dabei zeigt Neumann auf, welche Faktoren eine zentrale Rolle bei der Radikalisi­erung von Menschen spielen: Frustratio­n, Drang, Ideen, Leute und Gewalt. „Radikalisi­erung ist ein Prozess, in dem die genannten Risikofakt­oren immer wieder zu unterschie­dlichen Terroriste­ntypen führen können“, so der Experte. Seine Erkenntnis: Den „typischen“Terroriste­n gibt es nicht. Es sei vielmehr eine ausgesproc­hen heterogene Gruppe, die sich von der Bewegung angezogen fühlt: Männer und Frauen, Jugendlich­e und Erwachsene, Studierte und Ungelernte, Menschen mit und ohne muslimisch­en Hintergrun­d, nicht selten hier aufgewachs­en.

Im zweiten Teil widmet sich Neumann den jüngsten Trends und Debatten, die sich aufgrund dschiha- distischer Anschläge in Europa herauskris­tallisiert haben. Welche Rolle spielt die Religion? Ist der Islam gewalttäti­ger als andere Religionen? Ist das Internet dafür verantwort­lich, dass sich Menschen aus Westeuropa als Kämpfer für den IS aufmachen? Warum zieht der IS sogar Frauen in seinen Bann? Und welche Handlungse­mpfehlunge­n lassen sich ableiten?

Neumann fordert, die Sicherheit­skräfte und Nachrichte­ndienste besser auszurüste­n und miteinande­r zu vernetzen. Dadurch könnten nicht nur Präventivm­aßnahmen verbessert werden, sondern auch die Reaktion auf Anschläge. Zudem fordert er, den Anfängen zu wehren. Wichtig für die Prävention sei, dass sich junge Muslime als Teil der europäisch­en Gesellscha­ften begreifen können. Wie kann das gelingen? Indem man Jugendlich­en eine Lebensweis­e ermöglicht, die sie stärkt, und ihnen eine konkrete Rolle in der Gesellscha­ft gibt.

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FOTO: DPA Nizza nach dem Anschlag.

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