WERNER M. DORNSCHEIDT „Der neue Eingang wird eine Sensation“
Der Messechef über die Bilanz für 2016, das internationale Geschäft und den Neubau der Halle 1 und des Südeingangs.
Herr Dornscheidt, am Samstag startet die Boot. Müsste die Wassersportmesse nicht eigentlich in Kiel sein? DORNSCHEIDT Wir hatten da eine Veranstaltung. Aber der Messeplatz Düsseldorf mit seinem hervorragenden Einzugsgebiet ist für die Aussteller und Kunden die bessere Wahl, mal ganz abgesehen von den technischen Möglichkeiten in den Hallen. Wir sind gut erreichbar und haben in der Stadt kurze Wege, Düsseldorf hat also viele Vorteile. Gilt das auch für die ProWein? Solch eine Messe stellt man sich ja eher in Frankreich oder Italien vor. DORNSCHEIDT Es gibt die VinExpo in Bordeaux, aber die haben wir mit nunmehr 6500 Ausstellern überholt. Die ProWein ist eine Erfolgsgeschichte, mit der wir jetzt in die Welt gehen. Es gibt Ableger in China, Singapur und Hongkong. Messen wie Boot und ProWein sind für Düsseldorf eher ungewöhnlich. Sind ähnliche Innovationen bei den Investitionsgütermessen denkbar? DORNSCHEIDT Warum nicht? Denken Sie an Energy-Storage, also die Speicherung von Energie. Da geht es um Zukunftstechnologien, denen wir eine Plattform geben und die wir auch international platzieren. Dazu gehört ein Kongress, so wie Wissentransfer bei Messen ohnehin ein Megatrend ist. Nachhaltigkeit ist für uns kein leeres Schlagwort. Das gilt auch für die Initiative „Save Food“im Rahmen der Verpackungsmesse. Sie versucht die Lebensmittelverschwendung zu verringern und die Logistik von Lebensmitteln zum Markt hin zu verbessern, hier engagieren sich mittlerweile rund 700 Unternehmen und Initiativen. Bedroht die Digitalisierung nicht auch das Messewesen? DORNSCHEIDT Davon gehe ich nicht aus. Die großen Maschinen, die vor einer K oder Drupa aufgebaut werden und während der Messe in Betrieb sind, wollen die Entscheider sehen. Das sind millionenschwere Anschaffungen, Maßanfertigungen, für die es sich lohnt, im Vorfeld der Bestellung nach Düsseldorf zu kommen. Die Messe als Branchentreff und Ort des Know-How-Transfers machen das Angebot komplett. Immer wieder wird betont, wie wichtig das internationale Geschäft ist. Der Anteil des Auslandsumsatzes hat sich jedoch auf 15 Prozent halbiert. Können Sie damit zufrieden sein? DORNSCHEIDT Die Verringerung hat mit dem Verkauf der Messe Brünn zu tun. Wir wollen die 30 Prozent wieder erreichen, denn ein stabiles Auslandsgeschäft hilft, die Schwankungen auszugleichen, die sich durch die Messezyklen ergeben. Wir wollen unsere Vertriebsaktivitäten in Zukunftsmärkten wie Indien, Algerien und dem Iran ausbauen. Das ist das Rezept: schnell in Regionen mit hohem Wirtschaftswachstum aktiv sein, dort Messen aufbauen – vor allem mit unseren starken Themen – und dann die Aussteller nach Düsseldorf und in andere Regionen, in denen wir zu diesen Themen Messen veranstalten, holen. Ist dies das Modell der globalen Messe-Portfolios, die Sie in Ihrer neuen Strategie nennen? DORNSCHEIDT Es gehört dazu. Wir hatten früher Abteilungen für Inund Auslandsgeschäft. Das ist vorbei. Jetzt geht es darum, eine Themenwelt international zu vermarkten. Ein Portfolio entsteht, wenn eine Düsseldorfer Messe als Dachmarke für fünf Veranstaltungen in aller Welt fungiert. Derzeit ist dies bei der Medica der Fall, bei Kunststoff- und Verpackungsmesse sowie der Metallurgie. Alle haben auf dem Globus zwischen zehn und 15 Ableger. Unsere Manager sind hochmotiviert, diesen Erfolg auszubauen oder neue Erfolge zu kreieren. Wer auf mehr als fünf Auslandsveranstaltungen kommt, steigt zum Global Portfolio-Director auf. Wie viele Menschen kamen im vorigen Jahr aufs Messegelände? DORNSCHEIDT 2016 war ein starkes Messejahr unter anderem mit Drupa, K und Medica. Wir hatten mehr als 32.000 Aussteller und 1,6 Millio- nen Besucher, zudem 600.000 Besucher bei den 2800 Veranstaltungen im Kongresszentrum. Ich bin froh, dass die Hotelpreise sich im Rahmen halten, denn alles andere schadet dem Image. Die Preise sind zu Messezeiten zwar immer noch hoch, aber die Besucher werden in aller Regel nicht abgezockt. 560 Euro für die Nacht im Drei-Sterne-Hotel an der Autobahnabfahrt in Düsseldorf müssen es nicht sein. Wir bitten die Hotels, dann ihre Zusammenarbeit mit der IncomingAgentur zu überprüfen – im vorliegenden Fall hat das Hotel selbst lediglich 160 Euro genommen. Was toll ist, ist die Entwicklung der Stadt insgesamt und der gastronomischen Angebote. Düsseldorf bekommt von unseren Besuchern immer bessere Noten. Die Messe untersucht, welche Effekte ihre Veranstaltungen in der Region auslösen. Wie sieht dies aktuell aus? DORNSCHEIDT Wir werden immer internationaler, das ist für den Standort sehr gut. Fast 70 Prozent der Aus- steller und Besucher kommen bei Großmessen mittlerweile aus dem Ausland. Hinzu kommt, dass diese Besucher vor zehn Jahren im Schnitt zwei, aber jetzt drei Nächte hier verbringen. Die Messe löst inzwischen bis zu 2,4 Milliarden Euro im Jahr an Umsätzen in der Region aus, bei Hotellerie und Gastronomie, Standbauern, Taxen etc. Die Messe hat 430 Millionen Euro Umsatz gemacht, nach Steuern steht ein Gewinn von 65 Millionen Euro für 2016. Gibt es jetzt wieder Streit um die Ausschüttung an die Stadt? DORNSCHEIDT Die Zahlen sind noch nicht final bilanziert. Über die Ausschüttung sprechen wir mit unseren Gesellschaftern. Bislang haben wir immer eine Lösung gefunden. Für 2017 etwa gehen wir von 6,5 Millionen Euro an Dividende aus. Hat die Messe überhaupt Schulden? DORNSCHEIDT Das ist glücklicherweise nicht der Fall. Denn so gelingt es uns, die hohen Investitionen in unser Gelände ohne Subventionen zu stemmen. Wir haben bis jetzt elf von 19 Hallen modernisiert. Bis 2030 wollen wir 636 Millionen Euro investieren. Rechnet man die Hallen 8a und 8b sowie die Großhalle 6 hinzu, kommen wir auf fast eine Milliarde Euro an Investitionskosten zwischen 2002 und 2030. Hinzu kommen in den nächsten Jahren 160 Millionen Euro für IT und Instandhaltungsmaßnahmen. All das finanziert die Messe aus ihrem Geschäft heraus. Im Frühsommer startet der Bau der neuen Halle 1 und des neuen Südeingangs. Wie teuer wird das? DORNSCHEIDT Wir kalkulieren mit 140 Millionen Euro. Vor allem städtebaulich wird der Eingang Süd eine Sensation. Der Parkplatz vor dem Südeingang am Rhein wird mit einem Dreiecks-Bauwerk überspannt, das beleuchtet und sogar aus dem Flugzeug zu sehen sein wird.
U.-J. RUHNAU FÜHRTE DAS GESPRÄCH