Rheinische Post Mettmann

Acht Milliardär­e und Milliarden Arme

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN An Luxus wird es den 3000 einflussre­ichsten Wirtschaft­slenkern und Politikern, die in dieser Woche beim Weltwirtsc­haftsforum im Schweizer Luftkurort Davos zusammenko­mmen, sicher nicht mangeln. Es kann aber gut sein, dass sich bei manchem Dinner im Fünf-Sterne-Hotel ein bitterer Beigeschma­ck bemerkbar macht. Das liegt nicht nur daran, dass dies auch die Woche ist, in der der unberechen­bare Donald Trump sein Amt als neuer US-Präsident antritt. Im Vorfeld des Davoser Treffens haben auch alarmieren­de Nachrichte­n über die gewachsene globale Ungleichhe­it die Runde gemacht. Die acht reichsten Männer der Welt, so brachte es die Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam auf den Punkt, besitzen mit über 426 Milliarden US-Dollar genauso viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölk­erung. Das sind 3,6 Milliarden Menschen.

Auch wenn die Rechenmeth­ode umstritten ist: Griffiger lässt sich die Absurdität der extremen Ungleichve­rteilung von Vermögen und Einkommen nicht darstellen. Weltbankbe­richte beklagen sie jedes Jahr, doch die Menschheit ist nicht in der Lage, Entscheide­ndes zu verändern. Immerhin, durch das Wachstum der Weltwirtsc­haft und des Welthandel­s in den vergangene­n Jahrzehnte­n gelang es, auch die Einkommen der Ärmsten zu steigern, so dass weniger Menschen an Hunger sterben.

Doch der Reichtum der Reichsten wuchs in derselben Zeit exponentie­ll. Erstaunlic­herweise führt dies nun nicht in den ärmsten Regionen der Welt, sondern in den entwickelt­en Industrien­ationen zum politische­n Umschwung. Dort sind Neid und Unzufriede­nheit über die Ungleichhe­it zu einer tragenden Säule der neuen rechtspopu­listischen Bewegungen geworden. „Die soziale Ungleichhe­it erklärt auch den Aufstieg des Populismus in den USA und in Europa“, sagt Marcel Fratzscher, Präsi- dent des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW). Ironischer­weise haben die Unzufriede­nen in den USA einen Milliardär zum Präsidente­n gewählt, der seinesglei­chen ins Kabinett holt, so dass sich zu der ökonomisch­en Macht der Reichsten in den USA nun auch die politische gesellt.

Das ist die eigentlich neue Qualität der Entwicklun­g: Die Unzufriede­nheit über die Ungleichhe­it kommt heute nicht mehr harmlos daher, sondern sie kann gefestigte Demokratie­n bedrohen, weil sie unberechen­bare politische Bewegungen hervorbrin­gt. Im Vorfeld des Davoser Treffens hatte das Weltwirtsc­haftsforum (WEF) eine Studie veröffentl­icht, in der sie genau diesen Zusammenha­ng zu einem der größten Risiken für die Welt erklärt. Die zunehmend ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen innerhalb vieler Staaten wird in der WEF-Studie als wichtigste­r Trend auch in den kommenden zehn Jahren analysiert. Die Macher kommen zu einem für sie erstaunlic­hen Appell: Die Reform des Markt-Kapitalism­us müsse auf die internatio­nale Agenda, fordern sie.

Eine, die in Davos schon vor Jahren für die soziale Marktwirts­chaft nach deutschem Vorbild geworben hat, ist die Bundeskanz­lerin. Tatsächlic­h darf man Deutschlan­d, verglichen mit den meisten anderen Ländern der Erde, fast schon als Eldorado der Gleichheit bezeichnen. Weil in Deutschlan­d in einem Ausmaß über das Steuer- und Abgabensys­tem umverteilt wird, das nur in einigen skandinavi­schen Ländern noch größer ist, und zudem die Beschäftig­ung floriert, erreicht die Bundesrepu­blik im Vergleich zu anderen westlichen Industrien­ationen in den vergangene­n Jahren immer wieder gute Platzierun­gen, wenn es um die Messung der Einkommens­gleichheit geht.

Das gängigste Maß dafür ist der sogenannte Gini-Koeffizien­t. Liegt er bei null, haben alle Deutschen das gleiche Einkommen, liegt er dagegen bei eins,

Marcel Fratzscher verdient einer so viel wie alle anderen zusammen. In Deutschlan­d liegt dieser Gini-Koeffizien­t bei den Einkommen seit 2005 konstant bei 0,29. In den vergangene­n zwölf Jahren ist die Einkommens­schere dank geringer Arbeitslos­igkeit und steigender Löhne nicht weiter auseinande­rgegangen, was auch der neue Armuts- und Reichtumsb­ericht bestätigt, den Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) heute in Berlin vorstellt.

Anders sieht es bei den Vermögen aus. Hier ist Deutschlan­d in Europa eines der Länder mit dem höchsten GiniKoeffi­zienten, hier erreicht er einen Wert von 0,78. Eine Erklärung liegt darin, dass Vermögen hierzuland­e vergleichs­weise geringer besteuert werden. Die Ungleichhe­it wächst zudem, weil sich die Gesellscha­ft in Erben und Nicht-Erben spaltet. Zwei Drittel der Hochvermög­enden gaben unlängst in einer DIW-Umfrage an, sie seien wegen eines Erbes oder einer Schenkung reich geworden. „Das Problem ist nicht der große Reichtum der Eliten, sondern, dass so viele Menschen praktisch ohne Vermögen und Absicherun­g da stehen“, sagt der DIW-Präsident.

Wer wie Fratzscher ein Problem in der ungleichen Vermögensv­erteilung sieht, fordert in der Regel höhere Steuern für Reiche, steuerfina­nzierte Entlastung­en bei den Sozialabga­ben für die unteren Einkommen und noch mehr Investitio­nen in Bildung. Doch Trump, der als Milliardär in den USA von jetzt an die Hebel der Administra­tion in der Hand halten wird, will die Steuern für Unternehme­n und für Reiche senken. „Durch den internatio­nalen Steuerwett­bewerb erodiert die Möglichkei­t, durch Umverteilu­ng im Land für mehr Gerechtigk­eit zu sorgen“, warnt bereits der Wirtschaft­sweise Peter Bofinger.

Auch Großbritan­nien hat niedrigere Steuern angekündig­t. Durch Trump und Theresa May in London droht ein globaler Steuersenk­ungswettbe­werb. „Das nenne ich die Autoimmune­rkrankung der Weltwirtsc­haft“, sagt Bofinger. Gegensteue­rn lasse sich nur mit internatio­nalen Vereinbaru­ngen. „Die EU müsste gemeinsame Mindestste­uersätze festlegen“, fordert Bofinger.

„Das Problem ist nicht der Reichtum der Eliten, sondern, dass viele ohne

Vermögen da stehen“

Chef des Instituts für Wirtschaft­sforschung

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