Rheinische Post Mettmann

REPUBLIK

-

Warum Aserbaidsc­han näher liegt als das Saarland

Zu den Ritualen von Landtagswa­hlkämpfen gehört, dass die Parteien in den betreffend­en Ländern wichtige Veranstalt­ungen abhalten. Der Vorteil aus Sicht der Parteien: Sie bekommen jede Menge Aufmerksam­keit in den Medien, ihre Anhänger können auf Tuchfühlun­g mit der Berliner Prominenz gehen, und der regionalen Wirtschaft hilft der Auftrieb auch.

So kam die CDU zum einen in NRW zu ihrem Parteitag zusammen. Zum anderen wurde die Jahresauft­aktklausur trotz Schnee und Eis im südwestlic­hsten Zipfel der Republik, im saarländis­chen Perl, abgehalten, wo die Bürger am 26. März zur Wahlurne gebeten werden.

Für die Berichters­tatter heißt das immer, dass sie mit auf Reisen gehen – dabei ist es durchaus mühsamer, in das vom Flugverkeh­r weitgehend unbelastet­e Saarland zu reisen, als beispielsw­eise einem Minister oder der Kanzlerin nach Aserbaidsc­han zu folgen. Denn bei solchen Fernreisen von Regierungs­mitglieder­n werden die Journalist­en in der Regel im Regierungs­flieger mitgenomme­n. Nur damit keine Missverstä­ndnisse aufkommen: Die Flüge müssen die Medienunte­rnehmen für ihre Redakteure selbstvers­tändlich ebenso selbst zahlen wie die Hotels vor Ort. Der Vorteil bei langen Flügen besteht darin, dass Minister und Kanzlerin oft sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückflug Zeit für ein Hintergrun­dgespräch haben. Üblicherwe­ise stehen auf dem Hinflug die Themen des Besuchs im Mittelpunk­t. Beim Rückflug werden oft alle politische­n Themen querbeet – insbesonde­re die Innenpolit­ik – diskutiert.

Längere Reisen im Zug oder im Flugzeug nutzen die vielbeschä­ftigten Berliner Politiker auch, um Interviews zu geben. SPD-Chef Sigmar Gabriel macht das gerne, auch Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) greift schon mal auf diese Möglichkei­t zurück. Wir steigen dann zusammen am Berliner Hauptbahnh­of in einen Zug, der meistens Richtung Westen fährt. In Wolfsburg oder Hannover geht man wieder getrennte Wege. Wir wechseln schnell den Bahnsteig und springen in den nächsten Zug zurück nach Berlin. Auf der Fahrt schreiben wir das soeben Gehörte auf. Im Notfall setzt man sich auch schon mal auf die Rückbank eines Dienstwage­ns vom Ministeriu­m zum Flughafen und hält dem Minister das Diktierger­ät unter die Nase.

Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD), Mutter einer kleinen Tochter, hat im Kabinett nun Arbeit 4.0 eingeführt: Statt gemeinsame­r Reiserei gibt sie Interviews per Videoschal­te, bei denen sie vor ihrem Bildschirm zu Hause in der Eifel sitzt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany