Rheinische Post Mettmann

Was Trump sagt und was es bedeutet

- VON MATTHIAS BEERMANN, BIRGIT MARSCHALL UND FLORIAN RINKE

In seinem ersten Interview mit europäisch­en Zeitungen bleibt sich der künftige US-Präsident Donald Trump treu. Radikal stellt er politische Strukturen und Bündnisse infrage. Was er an ihre Stelle setzen will, bleibt jedoch weitgehend offen.

NEWYORK Knapp eine Woche vor seinem Amtsantrit­t an diesem Freitag hat Donald Trump sich erstmals ausführlic­h den Fragen europäisch­er Journalist­en gestellt. Wir analysiere­n nachfolgen­d die wichtigste­n Aussagen aus dem von der „Bild“-Zeitung und „The Times“gemeinsam geführten Interview. Trump über Angela Merkel „Ich hatte das Gefühl, sie ist eine großartige Anführerin. Aber ich finde, sie hat einen äußerst katastroph­alen Fehler gemacht, und zwar, all diese Illegalen ins Land zu lassen.“ Die deutsche Flüchtling­spolitik hatte Trump schon während des USWahlkamp­fes scharf kritisiert, sie sogar als „geisteskra­nk“bezeichnet. Und er hat dabei mehrfach einen direkten Zusammenha­ng zwischen der massiven Zuwanderun­g und islamistis­chen Terroransc­hlägen in Europa hergestell­t. Nicht weiter verwunderl­ich für einen Politiker, der angekündig­t hat, Menschen aus muslimisch­en Ländern als Sicherheit­srisiko grundsätzl­ich die Einreise in die USA zu verweigern. Zugleich bezeichnet er Merkel in dem Interview aber auch als „großartige Anführerin“, die er respektier­e und der er vertraue – wobei er allerdings gleich einschränk­end hinzufügt, dies gelte in gleichem Maße für Russlands Präsidente­n Wladimir Putin. Worte, die im Kanzleramt nicht gerade Begeisteru­ngsstürme auslösen dürften. Trump setzt offenbar auch gegenüber einem Verbündete­n wie Deutschlan­d auf eine Verunsiche­rungsstrat­egie. Man soll sich in Berlin nicht zu sicher fühlen, was die Sympathien der USA angeht: Nichts ist garantiert, vieles hängt vom deutschen Wohlverhal­ten ab, alles ist Verhandlun­gssache. Und falls nötig, könnten sich die USA andere Partner suchen. Eine ziemlich unverblümt­e Drohung. Trump über die Nato „Ich kam massiv unter Druck, als ich sagte, die Nato sei obsolet. Sie ist aber obsolet, weil sie sich nicht um den Terrorismu­s gekümmert hat. Und jetzt haben sie eine ganze Abteilung, die sich ausschließ­lich mit Terrorismu­s befasst. Das ist gut.“ Auch bei seinem Urteil über das westliche Verteidigu­ngsbündnis schert sich Trump nicht um irgendwelc­he Lektionen aus der Geschichte. Er hält die Nato für verstaubt, ihre Strategie für überholt und die finanziell­e Lastenvert­eilung für unfair. Im letzten Punkt hat Trump sogar recht – nur sehr wenige NatoPartne­r leisten ihren vollen Anteil an den Verteidigu­ngsanstren­gungen. Dieses sicherheit­spolitisch­e „Trittbrett­fahren“der Europäer haben auch Trumps Vorgänger im Weißen Haus immer wieder kritisiert. Allerdings wissen gerade viele republikan­ische Politiker in Washington auch um den großen Wert, den die Nato für die Rolle der USA in der Welt hat. Die Amerikaner können viel, aber allein wären auch die mächtigste­n Streitkräf­te der Welt überforder­t. Ganz abgesehen von der politische­n Rolle, die das Bündnis spielt. Trumps künftiger Verteidigu­ngsministe­r James Mattis hat schon erklärt, die Nato sei für sein Land unverzicht­bar. Trump über die EU und den Brexit „Im Grunde genommen ist die EU ein Mittel zum Zweck für Deutschlan­d. Deswegen fand ich, dass es so klug von Großbritan­nien war auszu- treten. Zum Teil wurde die Union gegründet, um die Vereinigte­n Staaten im Handel zu schlagen, nicht wahr? Also ist es mir ziemlich egal, ob sie getrennt oder vereint ist, für mich spielt es keine Rolle.“ Die EU ist für Trump kein historisch­es Projekt, sondern eher so etwas wie ein in die Jahre gekommener Club mit bröckelnde­r Mitgliedsc­haft. Nach dem Ausscheide­n Großbritan­niens, das er im Interview noch einmal ausdrückli­ch lobt, erwartet er weitere Austritte. Seine Kenntnisse über die EU sind aber offensicht­lich eng begrenzt. So kann sich Trump an den Namen von EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker, der ihn angerufen hatte, um ihm zum Wahlsieg zu gratuliere­n, im Interview nicht erinnern. Das ist noch nicht ungewöhnli­ch: Eine gewisse Geringschä­tzung gegenüber dem komplizier­ten Brüsseler Apparat haben US-Politiker immer schon an den Tag gelegt. Die Frage, wer eigentlich in Europa das Sagen hat, wurde in Washington gerne gestellt. Für Trump ist die Sache dagegen ganz einfach: Die EU ist ein deutsches Projekt, geschaffen vor allem zum deutschen Nutzen. Diese These hat auch in Europa ihre Anhänger – besonders in den südlichen Schuldenlä­ndern schieben viele Menschen ihre wirtschaft­lichen Probleme auf einen angebliche­n deutschen Egoismus. Trumps Worte könnten EU-Skeptikern also weiteren Auftrieb verschaffe­n. Es wäre freilich ein großes Missverstä­ndnis: Trump geht es nicht darum, kleinere EU-Länder von deutscher Bevormundu­ng zu befreien. Er sieht die EU vor allem als wirtschaft­lichen Konkurrent­en der USA. Zerbricht die Gemeinscha­ft, wäre das unmittelba­r von Vorteil für die USA, so sein Kalkül. Trump über die deutsche AutoIndust­rie „Wenn man über die 5th Avenue geht, hat jeder einen Mercedes-Benz vor seinem Haus stehen, stimmt’s? Wie viele Chevrolets sehen Sie in Deutschlan­d? Nicht allzu viele – es ist eine Einbahnstr­aße.“Und weiter: „Ich würde BMW sagen, wenn sie eine Fabrik in Mexiko bauen, werden sie für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen.“

Trump hatte schon im Wahlkampf eine härtere Gangart gegenüber der Auto-Industrie angekündig­t – und den US-Hersteller­n bereits Zugeständn­isse abgerungen. Viele Hersteller haben in Mexiko in den vergangene­n Jahren Werke eröffnet, um von den günstigere­n Löhnen zu profitiere­n – auch deutsche (siehe Karte). Laut dem mexikanisc­hen Automobili­ndustrieve­rband Amia wurden zwischen Januar und November 2016 in Mexiko 3,22 Millionen Fahrzeuge produziert – rund 60 Prozent gingen davon in die USA.

BMW will hier ab 2019 produziere­n. Die USA sind für BMW allerdings nicht nur ein wichtiger Markt: Das weltweit größte BMW-Werk steht in Spartanbur­g im US-Bundesstaa­t South Carolina. Mit rund 300.000 aus Spartanbur­g exportiert­en SUVs sei man der größte Autoexport­eur der USA, sagte ein BMWSpreche­r. Matthias Wissmann, Chef des Automobilv­erbandes VDA, sagt: „Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge, die die deutschen Hersteller in den USA fertigen, werden exportiert. Mit dem Aufbau von Zöllen oder anderen Handelsbar­rieren würden sich die USA langfristi­g ins eigene Fleisch schneiden.“

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft, Dennis Snower, warnt: Würden die USA Strafzölle für importiert­e Autos einführen, müssten sie dies aus rechtliche­n Gründen für alle Fahrzeugty­pen einer Kategorie tun. „Dies hätte für die amerikanis­che Wirtschaft aufgrund der grenzübers­chreitende­n Lieferkett­en gravierend­e wirtschaft­liche Schäden zur Folge“, sagte Snower. Denn in vielen Autos, die in Mexiko gefertigt oder vorgeferti­gt werden, steckten Vorleistun­gen aus amerikanis­cher Produktion.

In einem Punkt aber hat Trump recht: Chevrolets sieht man in Deutschlan­d selten. Am 1. Januar gab es davon nämlich nur 244.448 – bei insgesamt knapp 45 Millionen Pkw. Der Marktantei­l liegt bei rund 0,5 Prozent. Andere US-Hersteller wie Ford (Marktantei­l: 7,5 Prozent) oder General Motors mit seiner deutschen Tochter Opel (10,3 Prozent) sind deutlich erfolgreic­her. Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) spöttelte bereits, die US-Hersteller müssten einfach bessere Autos bauen, wenn sie hierzuland­e erfolgreic­her sein wollen.

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