„Wichtig ist es, für die Trauer einen Ort zu haben“
Oliver Wirthmann vom Kuratorium Deutsche Bestattungskultur sieht einige Entwicklungen mit Sorge.
Was speziell für Katholiken über viele Jahrhunderte und sogar noch bis tief ins 20. Jahrhundert ausdrücklich verboten war, ist heute in Deutschland die bevorzugte Bestattungsform: „Die Feuerbestattung macht in Deutschland mittlerweile etwa 62 Prozent aus – bei 890.000 Bestattungen jährlich“, sagt Oliver Wirthmann, Geschäftsführer beim Kuratorium Deutsche Bestattungskultur.
Das sah – gerade im katholisch geprägten Rheinland – lange Zeit aber ganz anders aus, war dort die Erdbestattung im Sarg der Normalfall. Das katholische Kirchenrecht stellte noch 1917 klar: „Einem Gläubigen, der die Verbrennung seines Leichnams anordnet, wird das kirchliche Begräbnis zur Strafe entzogen.“ Dabei blieb es – bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Am 5. Juli 1963 erlaubte das Heilige Offizium, die Vorgängerbehörde der heutigen Glaubenskongregation im Vatikan, Katholiken die Feuerbestattung – diese Instruktion wurde freilich erst im darauffolgenden Jahr, am 24. Oktober 1964, offiziell bekanntgegeben.
Vor allem in Großstädten ist die Feuerbestattung die bevorzugte Form der Beisetzung geworden. Massiv ausgeweitet wurde sie in Deutschland als Folge der Wiedervereinigung 1990. Denn das DDR-Regime hatte die Feuerbestattung als Absage an das Christentum stark gefördert – dort war die Einäscherung also schon seit Jahrzehnten gängige Praxis.
Zurückhaltend bewertet Wirthmann diese Entwicklung: „Es gibt eine Grundbewegung der Bestattungskultur zur Feuerbestattung“, sagt der gelernte Theologe und ehrenamtliche evangelische Pfarrer vorsichtig und bekennt, skeptisch gegenüber schnell ausgerufenen Trends zu sein – gerade in der Bestattungskultur: „Die werden oft gerne aus wirtschaftlichen Gründen behauptet, sind aber reine Verbalerotik.“Und unbedingt preisgünstiger sei eine Feuerbestattung auch nicht: „Allenfalls die Grabpflege ist günstiger.“
Fakt sei aber, dass eine Kremation – anders als eine Erdbestattung – mehrere Möglichkeiten der Bestattung biete: Neben der Beisetzung auf einem Friedhof kann die Urne auch in einer Grabeskirche, in einem Kolumbarium oder in einem ausgewiesenen Waldstück an den Wurzeln eines Baumes beigesetzt werden. „Das sind sicherlich auch würdige Bestattungsformen“, sagt Wirthmann. Bei letzterem gibt er aber zu bedenken, dass eine naturnahe Bestattung mittlerweile auch auf vielen Friedhöfen angeboten werde.
Ob Erdbestattung im Sarg oder Urne – das sei heute eine Frage der persönlichen Präferenz. „In religiöser Hinsicht ist diese Frage nicht mehr von Bedeutung“, unterstreicht der Theologe. Eines gibt Oliver Wirthmann aber zu bedenken: „Wichtig ist es, für die Trauer einen Ort zu haben.“Von daher räumt er ein, dass er persönlich sicher nicht die Sonderform der See- oder Flussbestattung bevorzuge.
Ein seriöser Bestatter – und das seien die meisten – verkaufe jedenfalls keine Bestattung quasi von der Stange. „Der Bestatter berät immer individuell, geht auf die Wünsche und Vorstellungen der Kunden genau ein.“Seriöse Bestatter würden daher auch niemals einen Pauschalpreis nennen. „Vorsicht daher vor Angeboten im Internet“, warnt Wirthmann.
Eine würdige Bestattung sei auch für kleinere Geldbeutel möglich. „Ein guter Bestatter kann da sehr konkrete Vor- schläge machen. Da kann zum Beispiel am Blumenschmuck gespart werden, dafür die Todesanzeige in der Zeitung größer gestaltet werden – je nach Präferenz.“Sinnvoll sei es außerdem, Angebote mehrerer Bestatter einzuholen – dann könne man vergleichen.
„Ein genereller Trend ist sicherlich, dass Bestattungen individueller als früher gestaltet werden“, sagt Wirthmann – warnt aber vor schwarzen Schafen der Bestattungsbranche: „Vorsicht vor Anbietern, die in Aussicht stellen, die Urne ins eigene Heim zu überführen. So etwas ist eindeutig eine rechtswidrige Umgehung der deutschen Bestattungspflicht.“
Manche Bestatter würden sich in der Beratung auch den Umstand zunutze machen, dass Menschen in der Trauer sei anfällig seien. „Die machen dann zum Beispiel keinen transparenten Kostenvoranschlag.“Das Problem sei, dass die meisten Menschen keine Vorstellung von den Kosten einer Bestattung haben. „Damit werden sie ja selten konfrontiert. Bei einem Auto zum Beispiel ist es anders: Da können die meisten Menschen aus Erfahrung den Wert zumindest grob einschätzen.“
Für fatal hält Wirthmann ein verstärkt auftretendes Phänomen: „Es gibt in der Tat den Trend, aus emotionalen Gründen auf eine Trauerfeier zu verzichten. Das ist eine ungute Entwicklung. Denn der Mensch braucht Rituale, auch äußere Zeichen eines Abschieds.“Sprüche wie „Oma kannte doch keinen mehr“würden da deutlich zu kurz greifen – ebenso eine „Trauerfeier im engsten Kreis“, wie es oft heiße. „Damit nimmt man allen anderen Menschen die Möglichkeit, Abschied zu nehmen“, betont Wirthmann – und nennt als Beispiel den verstorbenen Lehrer. „Von dem würden sich bestimmt auch einige Schüler gerne verabschieden. Diese Möglichkeit sollte gegeben werden.“