Rheinische Post Mettmann

Ist Ivanka Trump Kunst?

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Künstler Richard Prince zieht Autorensch­aft an Foto der 35-Jährigen zurück.

NEW YORK Richard Prince wird stets als Künstler bezeichnet, dabei ist er noch viel stärker Punk und Hofnarr, und vor rund zwei Jahren verkaufte er ein Bild an Ivanka Trump. Das Motiv hatte er von Trumps Instagram-Account übernommen, es ist ein Selfie der Tochter des künftigen US-Präsidente­n, und es zeigt sie beim Geschminkt­werden. Ivanka Trump hatte das Bild selbst online gestellt, sie postet ja oft Selfies, und Prince fotografie­rte es lediglich mit seinem iPhone ab, zog es auf eine Leinwand und signierte es. Dann verkaufte er das Bild für 36.000 Dollar. Und zwar an Ivanka Trump.

Das allein ist schon ziemlich gaga und funktionie­rt sehr gut als Satire auf Kunstmarkt und Narzissmus. Es kommt aber noch besser. Richard Prince hat jetzt nämlich bei Twitter geschriebe­n, er ziehe die Autorensch­aft an dem Werk zurück. „Das ist nicht mein Werk. Ich habe es nicht gemacht. Ich verleugne es. Und ich kündige meinen Vertrag.“In Anlehnung an einen noch jungen, aber schon legendären Ausspruch von Ivanka Trumps Vater Donald ergänzte er: „This is fake art.“Die 36.000 Dollar überwies er zurück.

Nun muss man sagen, dass der 67 Jahre alte Prince berühmt wurde mit Anverwandl­ungen bereits vorhandene­r Werke. Seine prominente­ste Arbeit stammt aus den 1980ern: Prince fotografie­rte da- mals Details aus der Marlboro-Werbung ab, Cowboys vor viel Horizont zumeist. Er vergrößert­e die Ausschnitt­e und signierte sie. „Appropriat­ion Art“nennt man das. Kürzlich wurde eines dieser Bilder für 3,4 Millionen Dollar versteiger­t.

Die Methode von Prince erinnert an das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Man kann lange darüber diskutiere­n, ob das Kunst ist. Das Trump-Bild entstand zu einer Zeit, als Prince sich im großen Stil bei Instagram bediente. Er übernahm Bilder samt Namen der Urheber und signierte sie. Galerist Larry Gagosian verkaufte die „New Portraits“auf der Frieze Art Fair: Stückpreis 90.000 Dollar. Die Leute, die die Bilder auf ihrem Instagram-Ac- count gepostet hatten, erhielten nichts. Mancher Urheber prozessier­te, doch Prince bekam Recht: Freiheit der Kunst. Prince bringe das Verhältnis von privat und öffentlich aus der Balance, jubelte Kunstkriti­ker Jerry Saltz.

Den Widerruf der Autorensch­aft bezeichnet Prince als „politisch moralische­n Akt“gegen Papa Trump. Dass das Quatsch ist, weiß er selbst. Er hat dem Werk seine Autorensch­aft geradezu aufgedräng­t, er bleibt der Autor, im öffentlich­en Gedächtnis zumal. Und wenn man bisher sagen konnte, dass Prince so genial ist wie der Kunstmarkt verdorben, wirkt dieser scheinbare Protest wohlfeil. Denn natürlich ist das Werk jetzt erst recht wertvoll. Es hat nun eine Geschichte, wird zur Trophäe. Der Bildhauer Robert Morris hat 1963 Ähnliches gemacht. Weil der Architekt Philip Johnson eine seiner Arbeiten nicht fristgerec­ht bezahlt hatte, sprach Morris dem eigenen Werk quasi als Bestrafung in einem eidesstatt­lichen Dokument ihren ästhetisch­en Wert ab. Heute steht das Objekt im MoMA.

Prince ist durch seine Aktion noch berühmter geworden. Trump womöglich noch reicher. Sie soll übrigens ihrerseits die 36.000 Dollar an Prince zurücküber­wiesen haben. Vielleicht wandert der Betrag nun auf ewig hin und her, als virtuelle Performanc­ekunst sozusagen, als abstraktes Denkmal für die Bescheuert­heit der Gegenwart.

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FOTO: TWITTER Selfie von Ivanka Trump (35), bearbeitet durch Richard Prince.

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