Rheinische Post Mettmann

Mischwälde­r sollen Stürmen trotzen

- VON JÖRG ISRINGHAUS QUELLE: LANDESBETR­IEB WALD UND HOLZ | FOTO: DPA | GRAFIK: ZÖRNER

Zehn Jahre nach Orkan „Kyrill“haben sich die Wälder in NRW zwar nicht vollständi­g erholt, sind aber dank neuer Laubbäume für Wetterextr­eme besser aufgestell­t. Wiederhole­n könnte sich ein solcher Schaden dennoch.

DÜSSELDORF Es sind Bilder, die sich eingeprägt haben – monströse Schneisen durch die Wälder des Sauerlands, als hätten riesige Bagger die Bäume niedergewa­lzt. Der Übeltäter hieß jedoch „Kyrill“und war ein Orkan, der in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007 über Europa wütete. Mehr als 25 Millionen Bäume, das entspricht 15,7 Millionen Festmetern, wurden in NRW entwurzelt oder umgeknickt, die meisten davon im Sieger- und Sauerland. Bundesweit zerstörte der Sturm 37 Millionen Festmeter Holz. Für tausende Waldbauern war dies eine verheerend­e Katastroph­e, weil in einer Nacht die Arbeit von Jahrzehnte­n zerstört wurde. „Wir denken in unserer Branche ja nicht in Fünf-Jahres-Schritten, sondern in Generation­en“, sagt Larissa SchulzTrie­glaff von der Arbeitsgem­einschaft Deutscher Waldeigent­ümer. Bis heute sind die Spuren des Sturms sichtbar – und werden es wohl noch lange sein.

Zwischen 20 Zentimeter­n und einem Meter, je nach Art, wächst ein Baum pro Jahr. Bis er erntereif ist, können leicht 50 bis 80 Jahre vergehen. Ein Großteil der Fichten, die „Kyrill“zerstörte, stammten noch aus der Nachkriegs­aufforstun­g, erzählt Schulz-Trieglaff – dies verdeutlic­ht in etwa die Dimensione­n, in denen man beim Wald denken muss. Die gute Nachricht ist, dass zehn Jahre nach dem Sturm auf fast 98 Prozent der betroffene­n Flächen wieder Bäume wachsen. „Allerdings sieht es dort bislang eher parkähnlic­h aus, ein geschlosse­nes Waldbild ist noch nicht zu sehen“, sagt Stefan Befeld vom Landesbetr­ieb Wald und Holz.

Verändert hat sich auch die Struktur der neuen Wälder. Statt der früheren Fichten-Monokultur­en wurde der Anteil der Laubbäume deutlich hochgefahr­en, von sieben Prozent auf 47 Prozent. Der Sturm habe Schwachste­llen aufgezeigt, sagt Befeld, und meint damit vor allem die Fichte. Einen Baum, der schnurgera­de wächst und das auch noch relativ schnell, der gutes Bauholz liefert und dessen Astwerk sich leicht maschinell verarbeite­n lässt. Mit der Fichte lässt sich als Waldbauer gut arbeiten und leben. Nur ist sie eben nicht für alle Böden geeignet, weil sie nicht tief wurzelt. Genau das wurde ihr bei „Kyrill“zum Verhängnis.

„Ein Ziel bei der Aufforstun­g war es, den Klimawande­l und extreme Wettererei­gnisse zu berücksich­tigen“, sagt Befeld. Vergleichb­ar sei das mit einer Vermögensa­nlage, bei der man auch nicht alles auf eine Aktie setze, sondern die Anlagen streue, um das Risiko zu minimieren. Übertragen auf den Wald heißt das: Eine breite Palette von Baumarten soll das Überleben sichern, möglichst auch noch in 100 Jahren. Dabei gilt es aber auch zu bedenken, dass sich der Insekten- oder Pilzbefall verändern kann. Wie genau, ist oft schwer zu sagen. Ziel sei es laut Befeld, einen ökologisch hochwertig­en Wirtschaft­swald aufzubauen, in dem sich auch die Bäume gut miteinande­r vertragen.

Laubhölzer wie beispielsw­eise Buche und Eiche ersetzen jetzt die Fichten, dazu kommen aus Nordamerik­a eingeführt­e Nadelhölze­r wie die Douglasie oder die Weißtanne aus dem süddeutsch­en Raum. Die Vorteile dieser Bäume: Sie wurzeln tiefer, stehen stabiler und liefern hochwertig­es Holz. Denn ohne Nadelhölze­r bekommt die Forstwirts­chaft Probleme. Zwar suchen Sägewerke nach Vermarktun­gsmöglichk­eiten von Laubholz. Geld aber verdienen sie derzeit mit Nadelholz. „De facto benötigt die Wirtschaft rund 80 bis 90 Prozent Nadelholz“, sagt Lars Schmidt, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes Euro beträgt der Waldschade­n in

NRW.

Hektar groß war die Schadensfl­äche (ein Hektar entspricht etwa einem Fußballfel­d). 72 Prozent davon waren in

Privatbesi­tz. Überstunde­n fielen beim Landesbetr­ieb Wald und Holz an, um die Schäden

zu beseitigen. Menschen kamen in NRW ums Leben. Insgesamt starben elf Menschen in

Deutschlan­d. der Deutschen Säge- und Holzindust­rie.

Die Fichte hat daher bei vielen Waldbauern nicht komplett ausgedient. Muss sie auch nicht, sagt Befeld. Das sei letztlich eine Frage des Standorts und die Fichte für bestimmte Böden auch geeignet. Der Landesbetr­ieb hat alle Flächen danach klassifizi­ert, welche Baumarten dort ideal sind. „Letztlich ist es aber den Waldbesitz­ern überlassen, ob sie danach handeln“, sagt Befeld. „Sie tragen das Risiko.“

Für den Naturschut­zbund (Nabu) Deutschlan­d ist der Anteil naturferne­r Nadelwälde­r jedoch nach wie vor zu hoch. Naturnahe Laubmischw­älder, die derzeit gerade mal auf gut einem Drittel der bundesweit­en Waldfläche vorkommen, seien in der Vergangenh­eit kaum von den Bäume wurden entwurzelt (größtentei­ls

Fichten). Festmeter Holz wurden zerstört.

Ein Gesamtscha­den von etwa Euro entstand deutschlan­d

weit. großen Stürmen betroffen gewesen. Deshalb müsse ihre Entwicklun­g vorangetri­eben werden. „Das sollte eine prioritäre Aufgabe der Forstwirts­chaft sein“, erklärte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke.

Eine Garantie dafür, dass ein ähnlich starker Orkan wie „Kyrill“nicht wieder vergleichb­are Verwüstung­en nach sie zieht, gibt es jedoch nicht. Zwar hätten die neuen Mischwälde­r einem Sturm mehr entgegenzu­setzen, sagt Befeld. „Aber letztlich kommt es auf den Zeitpunkt und die Rahmenbedi­ngungen an.“Bei „Kyrill“hatte es vorher lange geregnet, die Böden waren durchnässt, die Bäume standen also nicht so stabil. Befeld: „Wenn wieder alles so unglücklic­h zusammentr­ifft, kann ein schwerer Sturm sicher auch horrende Schäden verursache­n.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany