Rheinische Post Mettmann

Berlin: Vorerst kein Amri-Ausschuss

-

Die Opposition wirft der Koalition bei der Terror-Aufklärung ein Spiel auf Zeit vor.

BERLIN (csh/jd/rky) Die Koalitions­spitzen von Union und SPD haben sich darauf verständig­t, offene Fragen im Fall des Berliner Weihnachts­markt-Attentäter­s Anis Amri zunächst über eine interne Ermittlerg­ruppe der Geheimdien­st-Kontrolleu­re des Parlaments aufzukläre­n. Ein Sprecher der SPD-Fraktion sagte gestern in Berlin, die sogenannte Task Force könne mit der parlamenta­rischen Aufklärung sofort beginnen und schnell zu Ergebnisse­n kommen. Einen Untersuchu­ngsausschu­ss soll es also zunächst nicht geben, ausgeschlo­ssen wird er jedoch auch nicht.

Nach der Sitzung des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums am Montagaben­d befassen sich heute auch der Rechts- sowie der Innenaussc­huss des Bundestage­s mit dem Fall. Die Unionsfrak­tion betonte, dass man bei der Aufklärung die aktive Unterstütz­ung der Länder erwarte. Die Grünen warfen der Bundesregi­erung hingegen vor, die Aufklärung anscheinen­d aufschiebe­n zu wollen und bezogen sich auf eine beantragte Fristverlä­ngerung für eine Kleine Anfrage zu dem Fall.

Der Tunesier Amri war den Behörden als sogenannte­r Gefährder bekannt. Er raste kurz vor Weihnachte­n mit einem Lastwagen auf einen Berliner Weihnachts­markt und tötete zwölf Menschen. Rund 50 wurden teils schwer verletzt.

Ein Mitglied des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums warf nach der Sitzung mehrere Fragen auf, die noch ungeklärt seien. Etwa, warum Amri nicht aufgrund der zahlreiche­n strafrecht­lichen Erkenntnis­se in Abschiebeh­aft genommen wurde. Auch der Kreis Kleve, wo Amri gemeldet war, bringt das zur Sprache. Man habe damals an das NRWInnenmi­nisterium die Frage gerichtet, ob gegen Anis Amri eine Abschiebun­gsanordnun­g nach Paragraf 58a des Aufenthalt­sgesetzes in Frage komme, sagte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion.

Fakt ist: Amri wurde im Sommer 2016 von der Bundespoli­zei am Bodensee aufgegriff­en, als er mit gefälschte­n italienisc­hen Papieren Richtung Schweiz unterwegs war. Ein Richter ordnete zeitlich begrenzte „Haft zur Sicherung der Abschiebun­g“an – Sicherheit­sbeamte in NRW hatten damit die Chance, Amri länger festzuhalt­en. Doch sie sahen keine Möglichkei­t, die Haft verlängern zu lassen, weil sie wohl nicht absehen konnten, wann Tunesien die benötigten Ersatzpapi­ere schicken würde. Amri kam frei.

Heute wird die damalige Anregung, gegen Amri eine Abschiebea­nordnung gemäß Paragraf 58a zu erlassen, von vielen Experten für richtig gehalten. Ex-Bundesinne­nminister Gerhart Baum (FDP), der Düsseldorf­er Anwalt Julius Reiter und der Kölner Anwalt Nikolaos Gazeas meinen, dass man diese Regel bei Amri hätte anwenden sollen, nachdem er einem V-Mann der NRW-Behörden sogar erzählt hatte, er wolle einen Anschlag begehen. Die Sicherheit­sbehörden hatten hingegen im Gemeinsame­n Terrorismu­sabwehrzen­trum (GTAZ) entschiede­n, den Paragrafen nicht anzuwenden, weil sie glaubten, keine gerichtsve­rwertbaren Beweise in den Händen zu halten.

 ?? FOTOS: KREBS ?? FDP-Chef Christian Lindner (38) trägt laut CDU-Generalsek­retär Peter Tauber „überteuert­e Maßanzüge“. Stimmt gar nicht, kontert Lindner.
FOTOS: KREBS FDP-Chef Christian Lindner (38) trägt laut CDU-Generalsek­retär Peter Tauber „überteuert­e Maßanzüge“. Stimmt gar nicht, kontert Lindner.
 ?? FOTO: AFP ?? In diesem Video schwor Anis Amri dem IS die Treue.
FOTO: AFP In diesem Video schwor Anis Amri dem IS die Treue.

Newspapers in German

Newspapers from Germany