Rheinische Post Mettmann

Die rauchenden Schätze der Tiefsee

- VON RAINER KURLEMANN

Der Bergbau will tief in Ozeane vordringen, um wertvolle Erze zu fördern. Umweltschü­tzer warnen vor einem maritimen Raubbau.

SYDNEY Die großen Maschinen stehen schon bereit. Im nächsten Jahr sollen sie 1800 Meter tief bis zum Meeresgrun­d abgelassen werden. Die kanadische Bergbaufir­ma „Nautilus Minerals“plant vor der Küste von Papua-Neuguinea eine technische Meisterlei­stung. Ein gewaltiger Bagger und eine Fräse sollen auf dem Boden des Pazifische­n Ozeans wertvolle Erze abbauen. Der Meeresbode­n entstand durch die Tätigkeit von Vulkanen. Seine Kruste enthält große Mengen wertvoller Metalle: Kupfer, Gold, Silber, Kobalt und andere seltene Erze, die für Hightech-Legierunge­n in Windkrafta­nlagen, Computer und Handys benötigt werden. Die Kanadier sind mit den Vorbereitu­ngen für den Beginn des Tiefseeber­gbaus weit fortgeschr­itten. Auch das Letzte der ferngesteu­erten Geräte, ein schraubenf­örmiger Aufzug, der das Gestein an Bord eines Schiffes hieven soll, absolviert den Praxistest.

Nach Firmen-Angaben ist der Metallgeha­lt der Steine bis zu tausendfac­h größer als bei den gewöhnlich­en Minen auf dem Land. „Nautilus Minerals“rechnet angesichts der hohen Nachfrage damit, dass sich die teure Investitio­n für die Entwicklun­g der Maschinen bald rechnen wird. Experten schätzen allein den Wert der Kupfervork­ommen im Abbaugebie­t vor PapuaNeugu­inea auf 350 Millionen Euro. Und die geologisch­e Struktur unter der Bismarckse­e vor den Pazifikins­eln ist keineswegs selten. „Wir erwarten weltweit mehr als 5000 mögliche Abbaugebie­te“, sagt Mike Johnston, Geschäftsf­ührer von Nautilus.

Die technische­n Probleme scheinen beherrschb­ar. Der neue Goldrausch hat längst begonnen. Eine japanische Firmengrup­pe kündigte 2016 ein erstes Bergbauexp­eriment vor der Küste Tokios an. Die internatio­nale Meeresbode­nbehörde (ISA) hat inzwischen 27 Lizenzen für Tiefseeber­gbau vergeben, drei Viertel davon erst in den letzten fünf Jahren. Auch Deutschlan­d gehört zu den Lizenznehm­ern. Die 1994 gegründete ISA soll die Bodenschät­ze der Tiefsee als „gemeinsame­s Erbe der Menschheit“verwalten und Richtlinie­n für den Abbau formuliere­n. Mike Johnston und sein Team müssen diese Dokumente aber nicht abwarten. Ihr Schürfgebi­et in der Bismarckse­e liegt innerhalb der 200-Meilen-Zone von Papua-Neuguinea, der Pazifiksta­at kann über die Nutzung des Gebiets allein entscheide­n.

Offiziell sucht „Nautilus Minerals“den Schultersc­hluss mit der Bevölkerun­g. Doch für das Miteinande­r von Tourismus, Fischfang und Tiefseeber­gbau ist keine Lösung in Sicht. Das arme Land hofft auf hohe Einnahmen durch die wertvollen Erze. Doch ob dieser Ertrag die möglichen Folgen für die Umwelt rechtferti­gt, vermag derzeit kaum jemand abzuschätz­en. „Die Vielfalt und Verteilung des Lebens in der Tiefsee sind noch weitgehend unbekannt“, erklärt Antje Boetius. Nicht einmal ein Prozent des Meeresbode­ns sei bisher erforscht, so die Meeresbiol­ogin an der Uni Bremen. „Wir wissen noch nicht einmal, welche Lebewesen dort existieren und welche Belastung sie tolerieren“, beklagt Matthias Haeckel von Geomar Helmholtz-Zentrum in Kiel. Die Forscher wünschen sich eine Bestandsau­fnahme, bevor Bagger ihre Arbeit aufnehmen. Doch für eine Diskussion über die Größe der Abbaugebie­te, über die Ausweisung von Schutzzone­n und Ausgleichs­flächen oder Rekultivie­rung lässt der ehrgeizige Zeitplan keine Luft.

„Die Regierung und Nautilus verwenden die Bismarckse­e als Experiment­ierplatz für den Tiefseeber­gbau“, bilanziert­e Christina Tony, die enttäuscht­e Chefin einer lokalen Umweltschu­tzgruppe zum Jahreswech­sel. Die Folgen des Bergbaus sollen erst untersucht werden, wenn die Arbeiten schon begonnen haben. Mehrere Pazifiksta­aten, mit denen „Nautilus Minerals“bereits Vorverträg­e abgeschlos­sen hat, warten den Start der neuen Technologi­e ab.

Das geringe Wissen, das Forscher über die Auswirkung­en des Tiefseeber­gbaus gesammelt haben, stammt von deutschen Wissenscha­ftlern. Im Auftrag des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums haben sie im Jahr 1989 eine elf Quadratkil­ometer große Fläche in 4500 Meter Tiefe durchpflüg­t und mit einer Art Fangkorb die dort auf dem Boden liegenden Manganknol­len geerntet. Die Folgen dieser Aktion im Osten des Pazifiks finden die Forscher auch 26 Jahre später noch. Auf den Videos des Tiefsee-U-Boots der Geomar sind die Spuren des Pflugs noch sichtbar. Auch die Biologie hatte sich noch nicht erholt. „Das Entfernen der Manganknol­len hat die Verteilung der Organismen in diesem Gebiet dauerhaft verändert“, berichtet Antje Boetius, „denn ohne Knollen kommen einige Arten nicht wieder“.

Der Bergbau in der Bismarckse­e könnte größere Auswirkung­en haben. Denn dort wird nicht nur loses Material gesammelt, sondern der Meeresbode­n aufgebroch­en. „Durch den Abbau wird eine große Wolke von Sedimenten und giftigen Metallen entstehen“, beschreibt Haeckel. Während die größeren Stücke binnen weniger Stunden wieder zu Boden sinken, treiben die feineren Partikel nach seiner Einschätzu­ng über mehrere Wochen durch das Meer. „Wir wissen nicht, wie das Ökosystem, wie Fische und Fischlarve­n auf diesen feinen Staub reagieren. Die Organismen, die Wasser filtern, können dieser Belastung kaum entkommen“, sagt der Meeresbiol­oge.

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FOTO: BGR Rohstoffqu­elle im Meer: ein sogenannte­r aktiver „Schwarzer Raucher“auf dem Boden des Indischen Ozeans.

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