Rheinische Post Mettmann

Frau Remy mit den Scherenhän­den

- VON ALEXANDRA WEHRMANN

Die dadaistisc­hen Collagen von Sabine Remy sind im Kunstraum Descartes zu sehen. Ihre erste Arbeit hält sie aber bis heute geheim.

Bis September 2009 kam das Leben von Sabine Remy ohne Kunst aus. Jedenfalls ohne solche, die sie selbst geschaffen hatte. Dann begann sie mit den Collagen. Wie sie darauf kam, kann sie auch heute, mit nunmehr siebeneinh­alb Jahren Abstand, nicht sagen. „Es kam einfach über mich, ganz plötzlich.“

Sie griff also zu Schere und Skalpell und begann Elemente auszuschne­iden. Einen VW-Käfer auf leerer Landstraße. Das Federkleid eines Vogels. Und immer wieder Augen. Allesamt Fundstücke aus Zeit- schriften, die zufällig da waren. Die erste Arbeit, die entstand, war eine sehr persönlich­e. Remy hält sie bis heute geheim. „Ich habe sie nicht für irgendjema­nd anderen gemacht, sondern nur für mich“, sagt sie. In den darauffolg­enden zwei Jahren behielt sie diesen Kurs zunächst bei. Remy schuf die Kunst ausschließ­lich für sich.

Irgendwann aber reichte ihr das Arbeiten im Verborgene­n nicht mehr. Sie wollte die Collagen zeigen. Allein wie und wo, das wusste sie nicht. „Mach doch ein Blog“, riet ihr Partner, seines Zeichens Fotograf. So entstand miriskum.de. „Von da an war ich nicht mehr zu bremsen“, erinnert sich die 50-Jährige. An- fangs postete sie täglich ihre Werke. Mittlerwei­le hat die Frequenz zwar abgenommen, aber das Blog ist nach wie vor zentraler Bestandtei­l ihrer künstleris­chen Arbeit: „Blog und Collagen gehören zusammen“, sagt Remy.

Gleiches gilt auch für die „Collabs“, Kooperatio­nen mit anderen Collagiste­n aus der ganzen Welt, aus Japan, Finnland oder Südafrika, auf die sie im Netz gestoßen ist. Mit der US-Amerikaner­in Lynn Skordal etwa hat sie bereits 70 Werke gemeinsam geschaffen. Einer fängt an, schneidet ein Element aus, klebt es auf. Dann geht das unvollende­te Werk per Post auf die Reise nach Übersee und wird dort fortgesetz­t. „Mit Lynn klappt das super“, so Remy. Aber natürlich braucht diese Arbeitswei­se viel Zeit. „Ein Brief in die USA kann drei Tage unterwegs sein, aber auch schon mal drei Wochen.“Vorteil dieser entschleun­ig-

Remy griff also zu Schere und Skalpell. Die erste Arbeit

war eine sehr persönlich­e Sie zerschneid­e auch Bücher, gesteht die Künstlerin. Damit hat sie sich anfangs sehr

schwergeta­n

ten Methode in einer viel zu schnellen Zeit: Man bekommt viel Post und das nicht nur von Versicheru­ngen und Banken.

Vor einigen Jahren hat Sabine Remy sich nun auch in den nichtvirtu­ellen Raum vorgewagt. In knapp 20 Ausstellun­gen waren ihren Arbeiten seit 2013 zu sehen. Die Remy-Collagen wurden anlässlich von „Die Grosse“im Museum Kunstpalas­t gezeigt, im Künstlerve­rein WP8 am Worringer Platz, aber auch in Ungarn und den USA. Im Kunstverei­n Sundern hat sie vor zwei Jahren zusammen mit dem Kölner Fotografen Boris Becker ausgestell­t. Bei der Beschaffun­g von Material geht die gebürtige Düssel- dorferin mittlerwei­le gezielter vor. Ihre Hauptquell­e ist der Secondhand-Buchladen von „Cash & Raus“auf der Kaiserswer­ther Straße. Dort schaut die Künstlerin regelmäßig vorbei, „mindestens einmal im Monat“, sagt sie.

Auf ihrem Schreibtis­ch stehen einige Fundstücke. Ein großer Bildband mit dem Titel „Blumengrüß­e“zum Beispiel. Und ein Fabelbuch. „Ich zerschneid­e ja auch Bücher“, gesteht die Künstlerin. Damit habe sie sich anfangs sehr schwergeta­n, „the first cut is the deepest“. Die Buchrücken, gerne mit Leineneinb­and, nutzt Remy als Basis für ihre Kunst. Die Zutaten für Letztere bewahrt sie – ähnlich einem Koch, der sich das Gemüse vorbereite­t – nach Themen sortiert im Regal auf. In Mappen und Ordnern warten „Augen“, „Münder“und „Arme“ebenso auf Verarbeitu­ng wie „Buchstaben“oder „Vorder- und Hintergrün­de“.

Ab Freitag ist eine Auswahl der fertigen Arbeiten in einer Gruppenaus­stellung im Kunstraum Descartes ausgestell­t. Der nach dem französisc­hen Philosophe­n, Mathematik­er und Naturwisse­nschaftler benannte Projektrau­m hat Ende Oktober eröffnet. Mitbetreib­er ist Gérard Goodrow. Der ehemalige Leiter der Kunstmesse „Art Cologne“stellt Remy bereits zum zweiten Mal aus.

 ?? FOTOS (3): SABINE REMY ?? „The Dadaist“, Sabine Remy, 2016.
FOTOS (3): SABINE REMY „The Dadaist“, Sabine Remy, 2016.

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