Rheinische Post Mettmann

„BMW-Bande“: Spur führt nach Holland

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Möglicherw­eise haben die Kriminelle­n, die im Rheinland seit Wochen hochwertig­e Geräte aus Nobel-Autos stehlen, ihren Rückzugsor­t in den Niederland­en. Eine Zeugin beobachtet­e die Täter offenbar. Eine Ausnahme.

DÜSSELDORF Es ist die erste heiße Spur im Fall der „BMW-Bande“, die seit Wochen im Rheinland vor allem hochwertig­e Fahrzeuge des bayerische­n Automobilb­auers regelrecht „ausschlach­tet“: Eine Zeugin aus Niederkrüc­hten, die am Wochenende selbst Opfer dieser Kriminelle­n wurde, will am Sonntagmor­gen gegen 10 Uhr in der Nähe des Tatorts einen weißen Lieferwage­n mit gelben Nummernsch­ildern gesehen haben, in dem zwei Männer mit Jogginganz­ügen saßen. Die Polizei nimmt den Hinweis ernst. Denn in der Nacht wurden in der Gegend mehrere Fahrzeuge aufgebroch­en – das letzte am Sonntagmor­gen um 9 Uhr; es war das Fahrzeug der Augenzeugi­n. „Es ist möglich, dass die Täter aus der Nacht zurückgeke­hrt sind, um Diebesgut, das sie dort irgendwo gebunkert hatten, abzuholen. Und dabei könnten sie ein weiteres Auto, das der Zeugin, aufgebroch­en haben, weil sich die Gelegenhei­t ergab“, so ein Polizeispr­echer. „Es ist aber auch möglich, dass zwei Tätergrupp­en am Werk waren.“

Sieben Autos wurden allein im Raum Niederkrüc­hten in besagter Nacht aufgebroch­en – bis auf einen Mercedes wieder ausnahmslo­s BMW. Davor schlugen die Täter mehrfach in Düsseldorf und Ratingen zu. Auch der Wagen eines Fußballpro­fis von Fortuna Düsseldorf wurde „leergeräum­t“, als dieser mit der Mannschaft im Trainingsl­ager war. Dabei ist die Vorgehensw­eise der Kriminelle­n fast immer gleich: Sie knacken die Autos nachts auf. Pro Aufbruch benötigen sie maxi- mal eine Minute. Mit Spezialwer­kzeug ziehen sie in Sekundensc­hnelle die fest montierten Geräte aus der Verankerun­g, oft durchtrenn­en sie dabei noch sämtliche Kabel – was den Schaden noch erhöht. Meist belassen sie es nicht bei einem Aufbruch, sondern knacken zum Teil bis zu 20 Autos in einem Viertel. Die gestohlene­n Geräte werden gehortet und verpackt, bis sie in großen Stückzahle­n mit Lieferwage­n nach Osteuropa gebracht werden, wo sie dann auf Märkten für etwa 500 Euro verkauft werden.

In der Regel handelt es sich bei den Tätern um profession­elle Diebesband­en aus Osteuropa, die gezielt für einige Tage nach Deutschlan­d einreisen, um hochwertig­e Geräte wie Navis, Airbags, Kurvenlich­ter und Scheinwerf­er aus Autos zu stehlen. Aber auch auf spezielle Kleinteile wie Schrauben, die nur BMW herstellt und die es in keinem Baumarkt zu kaufen gibt, haben sie es abgesehen. „Sie werden in einer Art Ausbildung­slager in ihrem Heimatland für die Aufbrüche geschult, und zwar so, dass sie die Geräte beim Ausbau nicht beschädige­n“, erklärt ein Polizeispr­echer. „Dann werden sie von ihren Auftraggeb­ern mit Stadtpläne­n nach Deutschlan­d geschickt, auf denen Straßen mit vielen Luxusautos verzeichne­t sind.“

Warum derzeit so viele BMW aufgebroch­en werden, kann die Polizei nur vermuten. „Wahrschein­lich sind die Bauteile sehr gefragt in den entspreche­nden Kreisen“, heißt es bei der Polizei. „Würde keine Nachfrage danach bestehen, würden die auch nicht gestohlen werden.“Neben BMW werden auch andere Mar- ken wie Mercedes, Audi, aber auch VW „ausgeschla­chtet“. Die Hersteller wissen um das Problem und weisen darauf hin, dass ihre Autos schon über die höchsten Sicherheit­sstandards verfügen. „Man sollte seinen Wagen möglichst nachts nicht unbeobacht­et draußen stehen lassen“, rät die Polizei.

Die Aufklärung­squote ist ähnlich gering wie bei Einbrüchen – und sie sinkt seit Jahren. 2013 wurden nach Auskunft des Landeskrim­inalamtes (LKA) von 102.404 Delikten 8,4 Prozent aufgeklärt; 2014 lag die Quote bei 8,2 Prozent (101.415 Fälle), und 2015 sank sie noch einmal auf ein Rekordtief von 7,6 Prozent. „Das liegt auch daran, dass es nie Zeugen gibt, die etwas gesehen haben“, so ein Polizeispr­echer.

Daher sind die Angaben der Frau aus Niederkrüc­hten so wertvoll für die Ermittler. Denn aus ihnen kann die Polizei Rückschlüs­se auf die Vorgehensw­eise der Täter ziehen. Die Bande, die derzeit im Rheinland unterwegs ist, könnte ihren Rückzugsra­um demnach in den Niederland­en haben. „Die gelben Kenneichen lassen diesen Schluss jedenfalls zu“, so der Polizeispr­echer.

Auch die Mitglieder der sogenannte­n Audi-Bande, die vor allem Geldautoma­ten aufsprenge­n, werden laut Landeskrim­inalamt im Nachbarsta­at vermutet, in den Vororten Amsterdams und Utrechts. Eine weitere wichtige Erkenntnis, die die Fahnder durch den Hinweis der Zeugin erhalten haben könnten, ist, dass die Banden ihr Diebesgut wohl nicht direkt mitnehmen, sondern in Tatortnähe in einem Versteck zurücklass­en und erst später abholen.

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